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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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Viktor blieb einige Tage, besuchte aber natür¬
lich die Britten und ihren fortdauernden Klub nicht.
Le Baut fand dieses vorsichtig, "denn man wisse
von sicherer Hand, es seyen Jakobiner und verkapte
Franzosen." -- Viktor nahm endlich -- ehe die
zwei gekrönten Badgäste mit einigem Gefolge anka¬
men -- Abschied von seiner Verlobten, in deren
Augen wie in seinen bei der Nachricht, daß er nach
Maienthal abgehe des längsten Tages wegen, Thrä¬
nen standen, die mehr als einen Schmerz bezeich¬
neten.

Wir Leser wollen unterdessen uns vom Kammer¬
herrn beurlauben, der mit seinen diagonalen Augen¬
braunen -- bei der Nasenwurzel konvergiren sie in
Gestalt des mathematischen Wurzelzeichens -- mit
wahrer verbindlicher Höflichkeit sich von uns trennt.
Ich weiß, wenn wir fort sind, läßt er uns Gerech¬
tigkeit widerfahren und macht zuviel aus uns: denn
er verläumdet nie, weder aus Boßheit noch Leicht¬
sinn, und wen er verläumdet, den hat er die ernst¬
hafte Absicht zu stürzen, weil er lieber unglücklich als
schwarz macht. -- Als ich ihn sich so bücken sah ge¬
gen uns: verfertigte ich in Gedanken halbe Satire
auf ihn, wovon das Wahre und Ernsthafte das sein
mag: daß die Menschen wirklich dazu erschaffen sind,
sich so krum zu machen wie der spiritus asper ist.
Ich baue eben nicht darauf viel, daß Geometer ge¬

Viktor blieb einige Tage, beſuchte aber natuͤr¬
lich die Britten und ihren fortdauernden Klub nicht.
Le Baut fand dieſes vorſichtig, »denn man wiſſe
von ſicherer Hand, es ſeyen Jakobiner und verkapte
Franzoſen.« — Viktor nahm endlich — ehe die
zwei gekroͤnten Badgaͤſte mit einigem Gefolge anka¬
men — Abſchied von ſeiner Verlobten, in deren
Augen wie in ſeinen bei der Nachricht, daß er nach
Maienthal abgehe des laͤngſten Tages wegen, Thraͤ¬
nen ſtanden, die mehr als einen Schmerz bezeich¬
neten.

Wir Leſer wollen unterdeſſen uns vom Kammer¬
herrn beurlauben, der mit ſeinen diagonalen Augen¬
braunen — bei der Naſenwurzel konvergiren ſie in
Geſtalt des mathematiſchen Wurzelzeichens — mit
wahrer verbindlicher Hoͤflichkeit ſich von uns trennt.
Ich weiß, wenn wir fort ſind, laͤßt er uns Gerech¬
tigkeit widerfahren und macht zuviel aus uns: denn
er verlaͤumdet nie, weder aus Boßheit noch Leicht¬
ſinn, und wen er verlaͤumdet, den hat er die ernſt¬
hafte Abſicht zu ſtuͤrzen, weil er lieber ungluͤcklich als
ſchwarz macht. — Als ich ihn ſich ſo buͤcken ſah ge¬
gen uns: verfertigte ich in Gedanken halbe Satire
auf ihn, wovon das Wahre und Ernſthafte das ſein
mag: daß die Menſchen wirklich dazu erſchaffen ſind,
ſich ſo krum zu machen wie der spiritus asper iſt.
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[249/0259] Viktor blieb einige Tage, beſuchte aber natuͤr¬ lich die Britten und ihren fortdauernden Klub nicht. Le Baut fand dieſes vorſichtig, »denn man wiſſe von ſicherer Hand, es ſeyen Jakobiner und verkapte Franzoſen.« — Viktor nahm endlich — ehe die zwei gekroͤnten Badgaͤſte mit einigem Gefolge anka¬ men — Abſchied von ſeiner Verlobten, in deren Augen wie in ſeinen bei der Nachricht, daß er nach Maienthal abgehe des laͤngſten Tages wegen, Thraͤ¬ nen ſtanden, die mehr als einen Schmerz bezeich¬ neten. Wir Leſer wollen unterdeſſen uns vom Kammer¬ herrn beurlauben, der mit ſeinen diagonalen Augen¬ braunen — bei der Naſenwurzel konvergiren ſie in Geſtalt des mathematiſchen Wurzelzeichens — mit wahrer verbindlicher Hoͤflichkeit ſich von uns trennt. Ich weiß, wenn wir fort ſind, laͤßt er uns Gerech¬ tigkeit widerfahren und macht zuviel aus uns: denn er verlaͤumdet nie, weder aus Boßheit noch Leicht¬ ſinn, und wen er verlaͤumdet, den hat er die ernſt¬ hafte Abſicht zu ſtuͤrzen, weil er lieber ungluͤcklich als ſchwarz macht. — Als ich ihn ſich ſo buͤcken ſah ge¬ gen uns: verfertigte ich in Gedanken halbe Satire auf ihn, wovon das Wahre und Ernſthafte das ſein mag: daß die Menſchen wirklich dazu erſchaffen ſind, ſich ſo krum zu machen wie der spiritus asper iſt. Ich baue eben nicht darauf viel, daß Geometer ge¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/259>, abgerufen am 23.11.2024.