liegen. Guter Flamin! ein Fremder könnte dich lie¬ ben, ich z. B. aber dein Jugendfreund nicht mehr!
Viktor schritt zögernd vor dem Bilder- und Musiksaal seiner nachgespiegelten und nachgetönten Kindheit vorbei, vor dem Pfarrhaus, desgleichen vor der scheuernden Apollonia die er gern tiefer grüßte als sein Stand zuließ, und vor dem alten Mops, der sich in keinen Familienzwist einmengte, sondern ihn freimüthig mit dem Schwanz invitirte. -- Nicht sein Stolz hielt ihn ab, die (vorgeblichen) Eltern seines Opponenten zu besuchen, sondern die Aengstlichkeit that's, die ihn besorgen ließ, die gu¬ ten Menschen würden sich vielleicht vor ihm im ver¬ legnen Kampfe zwischen Höflichkeit, zwischen alter Liebe und neuem Groll abquälen. Aber er beschloß, durch einen Brief an die edelmüthige Pfarrfrau sei¬ ne Liebe zu befriedigen nnd ihre Empfindlichkeit.
Dann trat er vor seine Geliebte! -- Ich hab' es vor-vorgestern unter dem Lesen der deutsch-fran¬ zösischen Geschichte, wo bekanntlich auch der ge¬ krönte Name Klotilde regiert, an den verdoppelten Schlägen meines Herzens gemerkt, wie mir erst seyn würde, wenn ich diese Klotilde, die ich seit drei viertel Jahren gelobt habe, vollends gar sähe: denn daß Knef so wie der Hund keine Spitzbuben sind, und daß die ganze Historie nicht blos vorgefallen ist, sondern auch noch vorfällt, erseh' ich aus hundert
liegen. Guter Flamin! ein Fremder koͤnnte dich lie¬ ben, ich z. B. aber dein Jugendfreund nicht mehr!
Viktor ſchritt zoͤgernd vor dem Bilder- und Muſikſaal ſeiner nachgeſpiegelten und nachgetoͤnten Kindheit vorbei, vor dem Pfarrhaus, desgleichen vor der ſcheuernden Apollonia die er gern tiefer gruͤßte als ſein Stand zuließ, und vor dem alten Mops, der ſich in keinen Familienzwiſt einmengte, ſondern ihn freimuͤthig mit dem Schwanz invitirte. — Nicht ſein Stolz hielt ihn ab, die (vorgeblichen) Eltern ſeines Opponenten zu beſuchen, ſondern die Aengſtlichkeit that's, die ihn beſorgen ließ, die gu¬ ten Menſchen wuͤrden ſich vielleicht vor ihm im ver¬ legnen Kampfe zwiſchen Hoͤflichkeit, zwiſchen alter Liebe und neuem Groll abquaͤlen. Aber er beſchloß, durch einen Brief an die edelmuͤthige Pfarrfrau ſei¬ ne Liebe zu befriedigen nnd ihre Empfindlichkeit.
Dann trat er vor ſeine Geliebte! — Ich hab' es vor-vorgeſtern unter dem Leſen der deutſch-fran¬ zoͤſiſchen Geſchichte, wo bekanntlich auch der ge¬ kroͤnte Name Klotilde regiert, an den verdoppelten Schlaͤgen meines Herzens gemerkt, wie mir erſt ſeyn wuͤrde, wenn ich dieſe Klotilde, die ich ſeit drei viertel Jahren gelobt habe, vollends gar ſaͤhe: denn daß Knef ſo wie der Hund keine Spitzbuben ſind, und daß die ganze Hiſtorie nicht blos vorgefallen iſt, ſondern auch noch vorfaͤllt, erſeh' ich aus hundert
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liegen. Guter Flamin! ein Fremder koͤnnte dich lie¬
ben, ich z. B. aber dein Jugendfreund nicht mehr!
Viktor ſchritt zoͤgernd vor dem Bilder- und
Muſikſaal ſeiner nachgeſpiegelten und nachgetoͤnten
Kindheit vorbei, vor dem Pfarrhaus, desgleichen
vor der ſcheuernden Apollonia die er gern tiefer
gruͤßte als ſein Stand zuließ, und vor dem alten
Mops, der ſich in keinen Familienzwiſt einmengte,
ſondern ihn freimuͤthig mit dem Schwanz invitirte.
— Nicht ſein Stolz hielt ihn ab, die (vorgeblichen)
Eltern ſeines Opponenten zu beſuchen, ſondern die
Aengſtlichkeit that's, die ihn beſorgen ließ, die gu¬
ten Menſchen wuͤrden ſich vielleicht vor ihm im ver¬
legnen Kampfe zwiſchen Hoͤflichkeit, zwiſchen alter
Liebe und neuem Groll abquaͤlen. Aber er beſchloß,
durch einen Brief an die edelmuͤthige Pfarrfrau ſei¬
ne Liebe zu befriedigen nnd ihre Empfindlichkeit.
Dann trat er vor ſeine Geliebte! — Ich hab'
es vor-vorgeſtern unter dem Leſen der deutſch-fran¬
zoͤſiſchen Geſchichte, wo bekanntlich auch der ge¬
kroͤnte Name Klotilde regiert, an den verdoppelten
Schlaͤgen meines Herzens gemerkt, wie mir erſt ſeyn
wuͤrde, wenn ich dieſe Klotilde, die ich ſeit drei
viertel Jahren gelobt habe, vollends gar ſaͤhe: denn
daß Knef ſo wie der Hund keine Spitzbuben ſind, und
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/255>, abgerufen am 22.11.2024.
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