durch Matthieu, und Flamins Zuhorchen als er Klo¬ tilden ewige Liebe zuschwor; ja er verfiel sogar dar¬ auf, daß der Evangelist den armen Flamin vielleicht besondere (die vom Apotheker vorgeschlagnen) Moti¬ ven einer Liebe, durch deren Gegenstand die Gunst des Fürsten festzumachen war, weit im Hintergrunde sehen lassen -- aber sein Gefühl sagte ihm unauf¬ hörlich: "er hätte doch nicht glauben sollen! -- Ach hättest du mich doch, (sagte er gerührt bei der Erblickung der Stadt) mit Kugeln oder mit andern Schmähungen durchbohrt, damit ich dir hätte leicht vergeben können -- aber gerade mit diesem fortfres¬ senden Giftlaute!" -- Er hat Recht: die Beleidi¬ gung der Ehre wird darum nicht kleiner, weil sie der andere aus voller Ueberzeugung des Rechts be¬ geht. Denn die Ueberzeugung ist eben die Beleidi¬ gung; und die Ehre eines Freundes ist so etwas Großes, daß die Zweifel an ihr fast nur durch eignes Geständniß entstehen dürfen. Aber so werden aus kleinen Verhehlungen leicht Trennungen wie aus Ne¬ beln im März Gewitter im Julius. Nur eine vollendete edle Seele vermag es, den geprüften Freund nicht mehr zu prüfen -- zu glauben, wenn die Fein¬ de des Freundes läugnen -- zu erröthen wie über ei¬ nen unreinen Gedanken, wenn ein stummer verfliegen¬ der Argwohn das holde Bild beschmutzt -- und wenn endlich die Zweifel nicht mehr zu bezwingen
durch Matthieu, und Flamins Zuhorchen als er Klo¬ tilden ewige Liebe zuſchwor; ja er verfiel ſogar dar¬ auf, daß der Evangeliſt den armen Flamin vielleicht beſondere (die vom Apotheker vorgeſchlagnen) Moti¬ ven einer Liebe, durch deren Gegenſtand die Gunſt des Fuͤrſten feſtzumachen war, weit im Hintergrunde ſehen laſſen — aber ſein Gefuͤhl ſagte ihm unauf¬ hoͤrlich: »er haͤtte doch nicht glauben ſollen! — Ach haͤtteſt du mich doch, (ſagte er geruͤhrt bei der Erblickung der Stadt) mit Kugeln oder mit andern Schmaͤhungen durchbohrt, damit ich dir haͤtte leicht vergeben koͤnnen — aber gerade mit dieſem fortfreſ¬ ſenden Giftlaute!« — Er hat Recht: die Beleidi¬ gung der Ehre wird darum nicht kleiner, weil ſie der andere aus voller Ueberzeugung des Rechts be¬ geht. Denn die Ueberzeugung iſt eben die Beleidi¬ gung; und die Ehre eines Freundes iſt ſo etwas Großes, daß die Zweifel an ihr faſt nur durch eignes Geſtaͤndniß entſtehen duͤrfen. Aber ſo werden aus kleinen Verhehlungen leicht Trennungen wie aus Ne¬ beln im Maͤrz Gewitter im Julius. Nur eine vollendete edle Seele vermag es, den gepruͤften Freund nicht mehr zu pruͤfen — zu glauben, wenn die Fein¬ de des Freundes laͤugnen — zu erroͤthen wie uͤber ei¬ nen unreinen Gedanken, wenn ein ſtummer verfliegen¬ der Argwohn das holde Bild beſchmutzt — und wenn endlich die Zweifel nicht mehr zu bezwingen
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durch Matthieu, und Flamins Zuhorchen als er Klo¬
tilden ewige Liebe zuſchwor; ja er verfiel ſogar dar¬
auf, daß der Evangeliſt den armen Flamin vielleicht
beſondere (die vom Apotheker vorgeſchlagnen) Moti¬
ven einer Liebe, durch deren Gegenſtand die Gunſt
des Fuͤrſten feſtzumachen war, weit im Hintergrunde
ſehen laſſen — aber ſein Gefuͤhl ſagte ihm unauf¬
hoͤrlich: »er haͤtte doch nicht glauben ſollen! —
Ach haͤtteſt du mich doch, (ſagte er geruͤhrt bei der
Erblickung der Stadt) mit Kugeln oder mit andern
Schmaͤhungen durchbohrt, damit ich dir haͤtte leicht
vergeben koͤnnen — aber gerade mit dieſem fortfreſ¬
ſenden Giftlaute!« — Er hat Recht: die Beleidi¬
gung der Ehre wird darum nicht kleiner, weil ſie
der andere aus voller Ueberzeugung des Rechts be¬
geht. Denn die Ueberzeugung iſt eben die Beleidi¬
gung; und die Ehre eines Freundes iſt ſo etwas
Großes, daß die Zweifel an ihr faſt nur durch eignes
Geſtaͤndniß entſtehen duͤrfen. Aber ſo werden aus
kleinen Verhehlungen leicht Trennungen wie aus Ne¬
beln im Maͤrz Gewitter im Julius. Nur eine
vollendete edle Seele vermag es, den gepruͤften Freund
nicht mehr zu pruͤfen — zu glauben, wenn die Fein¬
de des Freundes laͤugnen — zu erroͤthen wie uͤber ei¬
nen unreinen Gedanken, wenn ein ſtummer verfliegen¬
der Argwohn das holde Bild beſchmutzt — und
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 336 [236]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/246>, abgerufen am 24.11.2024.
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