Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.kündigten -- in der Geisterstunde schlug Viktor die Emanuel öfnete darüber die Augen, warf sie kuͤndigten — in der Geiſterſtunde ſchlug Viktor die Emanuel oͤfnete daruͤber die Augen, warf ſie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0228" n="218"/> kuͤndigten — in der Geiſterſtunde ſchlug Viktor die<lb/> Augen auf aber unausſprechlich heiter. Ein vergeſ¬<lb/> ſener Traum hatte die heutige Vergangenheit mit<lb/> allem ihrem Getoͤſe und Gewoͤlke weit hinabgeſenkt<lb/> — der lichte Mond ſtand oben in der blauen Ver¬<lb/> finſterung wie die ſilberne Spalte und quellen-helle<lb/> Muͤndung, aus der der Lichtſtrom der andern Welt<lb/> in unſere bricht und in aͤtheriſchen Dufte nieder¬<lb/> ſinkt. — Wie iſt alles ſo ſtill und ſo licht, ſagte<lb/> Viktor, iſt dieſe daͤmmernde Gegend nicht aus mei¬<lb/> nem Traume uͤbrig geblieben, iſt das nicht die ma¬<lb/> giſche Vorſtadt der uͤberirdiſchen Stadt Gottes —<lb/> Eine voruͤbereilende Stimme ſagte: Tod! ich bin<lb/> ſchon begraben.</p><lb/> <p>Emanuel oͤfnete daruͤber die Augen, warf ſie<lb/> durch das Laubwerk in den uͤber das Doͤrfgen erhoͤh¬<lb/> ten Kirchhof und ſagte mit einer Zuckung ſeines<lb/> ganzen Weſens: »Horion wach' auf, Giulia hat die<lb/> »Ewigkeit verlaſſen und ſteht auf ihrem Grabe.»<lb/> — Viktor blickte fieberhaft hinauf; und in einem<lb/> ſchneidenden Eisſchauer wurden alle warmen Gedan¬<lb/> ken und Nerven des Lebens hart und ſtarr, da er<lb/> oben am Grabe eine weiſſe verſchleierte Geſtalt ru¬<lb/> hen ſah. Emanuel riß ſich und ſeinen Schuͤler auf<lb/> und ſagte: wir wollen hinauf auf das Theater der<lb/> Geiſter; vielleicht ergreift die Todte meine Seele<lb/> und nimmt ſie mit.» . . . Fuͤrchterlich ſchwiegen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218/0228]
kuͤndigten — in der Geiſterſtunde ſchlug Viktor die
Augen auf aber unausſprechlich heiter. Ein vergeſ¬
ſener Traum hatte die heutige Vergangenheit mit
allem ihrem Getoͤſe und Gewoͤlke weit hinabgeſenkt
— der lichte Mond ſtand oben in der blauen Ver¬
finſterung wie die ſilberne Spalte und quellen-helle
Muͤndung, aus der der Lichtſtrom der andern Welt
in unſere bricht und in aͤtheriſchen Dufte nieder¬
ſinkt. — Wie iſt alles ſo ſtill und ſo licht, ſagte
Viktor, iſt dieſe daͤmmernde Gegend nicht aus mei¬
nem Traume uͤbrig geblieben, iſt das nicht die ma¬
giſche Vorſtadt der uͤberirdiſchen Stadt Gottes —
Eine voruͤbereilende Stimme ſagte: Tod! ich bin
ſchon begraben.
Emanuel oͤfnete daruͤber die Augen, warf ſie
durch das Laubwerk in den uͤber das Doͤrfgen erhoͤh¬
ten Kirchhof und ſagte mit einer Zuckung ſeines
ganzen Weſens: »Horion wach' auf, Giulia hat die
»Ewigkeit verlaſſen und ſteht auf ihrem Grabe.»
— Viktor blickte fieberhaft hinauf; und in einem
ſchneidenden Eisſchauer wurden alle warmen Gedan¬
ken und Nerven des Lebens hart und ſtarr, da er
oben am Grabe eine weiſſe verſchleierte Geſtalt ru¬
hen ſah. Emanuel riß ſich und ſeinen Schuͤler auf
und ſagte: wir wollen hinauf auf das Theater der
Geiſter; vielleicht ergreift die Todte meine Seele
und nimmt ſie mit.» . . . Fuͤrchterlich ſchwiegen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/228 |
Zitationshilfe: | Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/228>, abgerufen am 16.07.2024. |