nachher die Stimme der Nachtigall, der Viktor nachgegangen, nachgemacht, um den Regierungsrath durch seine eigne Ohren und Augen von Viktors Liebe gegen Klotilden zu überführen.
Viktor führte den schwachen Lehrer in die indi¬ sche Hütte. Er fühlte jetzt nach so vielen auflösenden Tagen seine Nerven durch dieses Ungewitter gekühlt und gestählt; der Seelenschmerz und die Aufopferung hatten sein Blut, wie engere versperrende Wege die Ströme, schneller und heftiger gemacht und die Lie¬ be zu Klotilden war männlicher und kühner durch den Gedanken geworden, daß er sie nun ganz ver¬ diene. -- Nichts giebts ausser Groß-muth und Sanft-muth schöneres als das Bündniß derselben.
Emanuel war nichts mehr als matt und setzte sich, da der Abend schwül auf allen brütete, mit Viktor auf die Grasbank seines Hauses, um mit der zuckenden Brust aufrecht zu bleiben und eine sanfte Freude glänzte in seinen Minen über jeden gefallnen Blutstropfen, weil jeder ein rothes Siegel auf seine Hoffnung zu sterben war. Aber als Viktor das müde Haupt des guten Mannes an seinen Bu¬ sen nahm und ihn darauf entschlummern ließ: so wurde ihm im stillen Abend wieder weh und sein Herz schmerzte ihn erst. Er dachte sich es einsam, wie sich drüben heisse Schwerter durch die schuldlose blutende Seele zischend ziehen würden -- er fühlte,
nachher die Stimme der Nachtigall, der Viktor nachgegangen, nachgemacht, um den Regierungsrath durch ſeine eigne Ohren und Augen von Viktors Liebe gegen Klotilden zu uͤberfuͤhren.
Viktor fuͤhrte den ſchwachen Lehrer in die indi¬ ſche Huͤtte. Er fuͤhlte jetzt nach ſo vielen aufloͤſenden Tagen ſeine Nerven durch dieſes Ungewitter gekuͤhlt und geſtaͤhlt; der Seelenſchmerz und die Aufopferung hatten ſein Blut, wie engere verſperrende Wege die Stroͤme, ſchneller und heftiger gemacht und die Lie¬ be zu Klotilden war maͤnnlicher und kuͤhner durch den Gedanken geworden, daß er ſie nun ganz ver¬ diene. — Nichts giebts auſſer Groß-muth und Sanft-muth ſchoͤneres als das Buͤndniß derſelben.
Emanuel war nichts mehr als matt und ſetzte ſich, da der Abend ſchwuͤl auf allen bruͤtete, mit Viktor auf die Grasbank ſeines Hauſes, um mit der zuckenden Bruſt aufrecht zu bleiben und eine ſanfte Freude glaͤnzte in ſeinen Minen uͤber jeden gefallnen Blutstropfen, weil jeder ein rothes Siegel auf ſeine Hoffnung zu ſterben war. Aber als Viktor das muͤde Haupt des guten Mannes an ſeinen Bu¬ ſen nahm und ihn darauf entſchlummern ließ: ſo wurde ihm im ſtillen Abend wieder weh und ſein Herz ſchmerzte ihn erſt. Er dachte ſich es einſam, wie ſich druͤben heiſſe Schwerter durch die ſchuldloſe blutende Seele ziſchend ziehen wuͤrden — er fuͤhlte,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0226"n="216"/>
nachher die Stimme der Nachtigall, der Viktor<lb/>
nachgegangen, nachgemacht, um den Regierungsrath<lb/>
durch ſeine eigne Ohren und Augen von Viktors<lb/>
Liebe gegen Klotilden zu uͤberfuͤhren.</p><lb/><p>Viktor fuͤhrte den ſchwachen Lehrer in die indi¬<lb/>ſche Huͤtte. Er fuͤhlte jetzt nach ſo vielen aufloͤſenden<lb/>
Tagen ſeine Nerven durch dieſes Ungewitter gekuͤhlt<lb/>
und geſtaͤhlt; der Seelenſchmerz und die Aufopferung<lb/>
hatten ſein Blut, wie engere verſperrende Wege die<lb/>
Stroͤme, ſchneller und heftiger gemacht und die Lie¬<lb/>
be zu Klotilden war maͤnnlicher und kuͤhner durch<lb/>
den Gedanken geworden, daß er ſie nun ganz ver¬<lb/>
diene. — Nichts giebts auſſer Groß-muth und<lb/>
Sanft-muth ſchoͤneres als das Buͤndniß derſelben.</p><lb/><p>Emanuel war nichts mehr als matt und ſetzte<lb/>ſich, da der Abend ſchwuͤl auf allen bruͤtete, mit<lb/>
Viktor auf die Grasbank ſeines Hauſes, um mit<lb/>
der zuckenden Bruſt aufrecht zu bleiben und eine<lb/>ſanfte Freude glaͤnzte in ſeinen Minen uͤber jeden<lb/>
gefallnen Blutstropfen, weil jeder ein rothes Siegel<lb/>
auf ſeine Hoffnung zu ſterben war. Aber als Viktor<lb/>
das muͤde Haupt des guten Mannes an ſeinen Bu¬<lb/>ſen nahm und ihn darauf entſchlummern ließ: ſo<lb/>
wurde ihm im ſtillen Abend wieder weh und ſein<lb/>
Herz ſchmerzte ihn erſt. Er dachte ſich es einſam,<lb/>
wie ſich druͤben heiſſe Schwerter durch die ſchuldloſe<lb/>
blutende Seele ziſchend ziehen wuͤrden — er fuͤhlte,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[216/0226]
nachher die Stimme der Nachtigall, der Viktor
nachgegangen, nachgemacht, um den Regierungsrath
durch ſeine eigne Ohren und Augen von Viktors
Liebe gegen Klotilden zu uͤberfuͤhren.
Viktor fuͤhrte den ſchwachen Lehrer in die indi¬
ſche Huͤtte. Er fuͤhlte jetzt nach ſo vielen aufloͤſenden
Tagen ſeine Nerven durch dieſes Ungewitter gekuͤhlt
und geſtaͤhlt; der Seelenſchmerz und die Aufopferung
hatten ſein Blut, wie engere verſperrende Wege die
Stroͤme, ſchneller und heftiger gemacht und die Lie¬
be zu Klotilden war maͤnnlicher und kuͤhner durch
den Gedanken geworden, daß er ſie nun ganz ver¬
diene. — Nichts giebts auſſer Groß-muth und
Sanft-muth ſchoͤneres als das Buͤndniß derſelben.
Emanuel war nichts mehr als matt und ſetzte
ſich, da der Abend ſchwuͤl auf allen bruͤtete, mit
Viktor auf die Grasbank ſeines Hauſes, um mit
der zuckenden Bruſt aufrecht zu bleiben und eine
ſanfte Freude glaͤnzte in ſeinen Minen uͤber jeden
gefallnen Blutstropfen, weil jeder ein rothes Siegel
auf ſeine Hoffnung zu ſterben war. Aber als Viktor
das muͤde Haupt des guten Mannes an ſeinen Bu¬
ſen nahm und ihn darauf entſchlummern ließ: ſo
wurde ihm im ſtillen Abend wieder weh und ſein
Herz ſchmerzte ihn erſt. Er dachte ſich es einſam,
wie ſich druͤben heiſſe Schwerter durch die ſchuldloſe
blutende Seele ziſchend ziehen wuͤrden — er fuͤhlte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/226>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.