lobung nachher: es hilft ihm wenig, das Aergste, eine ganze Gehenna erwartet ihn noch -- im Bü¬ cherbrett; denn dort können die schönen Geister, er habe immer schon alle bittere Salze des Geschicks hinunter geschluckt, unter dem Namen Romanen- Manna ein hartes Thränenbrod ihm vorgeschnitten haben, das ich für meine Person weder backen noch käuen möchte -- warlich sie können (in einer andern Metapher) Todtenmärsche und Maestosen und Semi¬ tonien für ihn komponirt und bereit gelegt haben, die ihn ganz niederwerfen und ihm warm machen, daß ihm die Augen übergehen.
Und zum Unglück zeichnen sich gerade warmblü¬ tige und weichhäutige herrliche Männer am wenig¬ sten durch standhaftes mäßigendes Ertragen der poe¬ tischen Leiden aus, die ihnen Autoren zuschicken. Ich kann daher diesen dritten Heft, der zu leicht rühret, unmöglich ohne alle Vorrede als eine Wider¬ lage lassen, wenn ich nicht selber Ursache seyn will, daß unschuldige Menschen bei den besten Szenen die¬ ses Hefts weinen und mit leiden. Solche zu weiche Menschen, denen die Natur die ästhetische Apathie gegen große Leidensfälle in Tragödien und Romanen versagt hat, sollten sich -- sie müßten denn fett seyn; denn Fetten thut der Kummer gut wie Hun¬ gerkur und Höllenstein -- diese sollten sich durch Philosophie kalt machen und bewafnen gegen den
lobung nachher: es hilft ihm wenig, das Aergſte, eine ganze Gehenna erwartet ihn noch — im Buͤ¬ cherbrett; denn dort koͤnnen die ſchoͤnen Geiſter, er habe immer ſchon alle bittere Salze des Geſchicks hinunter geſchluckt, unter dem Namen Romanen- Manna ein hartes Thraͤnenbrod ihm vorgeſchnitten haben, das ich fuͤr meine Perſon weder backen noch kaͤuen moͤchte — warlich ſie koͤnnen (in einer andern Metapher) Todtenmaͤrſche und Maeſtoſen und Semi¬ tonien fuͤr ihn komponirt und bereit gelegt haben, die ihn ganz niederwerfen und ihm warm machen, daß ihm die Augen uͤbergehen.
Und zum Ungluͤck zeichnen ſich gerade warmbluͤ¬ tige und weichhaͤutige herrliche Maͤnner am wenig¬ ſten durch ſtandhaftes maͤßigendes Ertragen der poe¬ tiſchen Leiden aus, die ihnen Autoren zuſchicken. Ich kann daher dieſen dritten Heft, der zu leicht ruͤhret, unmoͤglich ohne alle Vorrede als eine Wider¬ lage laſſen, wenn ich nicht ſelber Urſache ſeyn will, daß unſchuldige Menſchen bei den beſten Szenen die¬ ſes Hefts weinen und mit leiden. Solche zu weiche Menſchen, denen die Natur die aͤſthetiſche Apathie gegen große Leidensfaͤlle in Tragoͤdien und Romanen verſagt hat, ſollten ſich — ſie muͤßten denn fett ſeyn; denn Fetten thut der Kummer gut wie Hun¬ gerkur und Hoͤllenſtein — dieſe ſollten ſich durch Philoſophie kalt machen und bewafnen gegen den
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lobung nachher: es hilft ihm wenig, das Aergſte,
eine ganze Gehenna erwartet ihn noch — im Buͤ¬
cherbrett; denn dort koͤnnen die ſchoͤnen Geiſter, er
habe immer ſchon alle bittere Salze des Geſchicks
hinunter geſchluckt, unter dem Namen Romanen-
Manna ein hartes Thraͤnenbrod ihm vorgeſchnitten
haben, das ich fuͤr meine Perſon weder backen noch
kaͤuen moͤchte — warlich ſie koͤnnen (in einer andern
Metapher) Todtenmaͤrſche und Maeſtoſen und Semi¬
tonien fuͤr ihn komponirt und bereit gelegt haben,
die ihn ganz niederwerfen und ihm warm machen,
daß ihm die Augen uͤbergehen.
Und zum Ungluͤck zeichnen ſich gerade warmbluͤ¬
tige und weichhaͤutige herrliche Maͤnner am wenig¬
ſten durch ſtandhaftes maͤßigendes Ertragen der poe¬
tiſchen Leiden aus, die ihnen Autoren zuſchicken.
Ich kann daher dieſen dritten Heft, der zu leicht
ruͤhret, unmoͤglich ohne alle Vorrede als eine Wider¬
lage laſſen, wenn ich nicht ſelber Urſache ſeyn will,
daß unſchuldige Menſchen bei den beſten Szenen die¬
ſes Hefts weinen und mit leiden. Solche zu weiche
Menſchen, denen die Natur die aͤſthetiſche Apathie
gegen große Leidensfaͤlle in Tragoͤdien und Romanen
verſagt hat, ſollten ſich — ſie muͤßten denn fett
ſeyn; denn Fetten thut der Kummer gut wie Hun¬
gerkur und Hoͤllenſtein — dieſe ſollten ſich durch
Philoſophie kalt machen und bewafnen gegen den
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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