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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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gegen den Verdacht der Uebertreibung und gegen den
Spötter beschützen könnte; so wie wieder umgekehrt
sein schillernder Witz unter Thränen wie Phosphor
unter Wasser, sein Licht aufbehielt und nährte. --

Zum Glück machte jetzt Emanuel, der mitten
unter dem Diner in den Garten gegangen war, da
er wieder kam, die Petizion eines Spazierganges --
Denn in seiner Seele standen nur große Ideen noch
vom Leben übrig wie in Aegypten nur Tempel, keine
Häuser nachblieben; und seine Unwissenheit in kleinen
Dingen muß kleinen Dingern lächerlich seyn. --
Die Aebtissin hatte Klotilde als Unterkönigin der
feurigen Nonnen neben sich auf den Thron genom¬
men. Viktor stellte mit seiner einzigen Person das
churmärkische Pupillenkollegium unter diesen flattern¬
den Grazien vor. Klotilde übergab den Blinden
gerade einem ganzen Tauben-Fluge der lebhaftesten
Wegweiserinnen, weil sie alle um das Bootmanns-
und Zeigefinger-Amt beim Blinden warben: sie
liebten ihn alle wegen seiner himmlischen Schönheit
und Fassade, aber (da er die ihrige nicht sah) nur
so wie sie einen schönen Knaben von fünf Jahren
herzen: . . Zu einer andern Zeit würde Viktor
sich gewiß umgesehen und fein angespielet haben,
daß die Schönheit die Blindheit führe; aber
heute sah er sich nur um aus andern Ursachen.

gegen den Verdacht der Uebertreibung und gegen den
Spoͤtter beſchuͤtzen koͤnnte; ſo wie wieder umgekehrt
ſein ſchillernder Witz unter Thraͤnen wie Phosphor
unter Waſſer, ſein Licht aufbehielt und naͤhrte. —

Zum Gluͤck machte jetzt Emanuel, der mitten
unter dem Diner in den Garten gegangen war, da
er wieder kam, die Petizion eines Spazierganges —
Denn in ſeiner Seele ſtanden nur große Ideen noch
vom Leben uͤbrig wie in Aegypten nur Tempel, keine
Haͤuſer nachblieben; und ſeine Unwiſſenheit in kleinen
Dingen muß kleinen Dingern laͤcherlich ſeyn. —
Die Aebtiſſin hatte Klotilde als Unterkoͤnigin der
feurigen Nonnen neben ſich auf den Thron genom¬
men. Viktor ſtellte mit ſeiner einzigen Perſon das
churmaͤrkiſche Pupillenkollegium unter dieſen flattern¬
den Grazien vor. Klotilde uͤbergab den Blinden
gerade einem ganzen Tauben-Fluge der lebhafteſten
Wegweiſerinnen, weil ſie alle um das Bootmanns-
und Zeigefinger–Amt beim Blinden warben: ſie
liebten ihn alle wegen ſeiner himmliſchen Schoͤnheit
und Faſſade, aber (da er die ihrige nicht ſah) nur
ſo wie ſie einen ſchoͤnen Knaben von fuͤnf Jahren
herzen: . . Zu einer andern Zeit wuͤrde Viktor
ſich gewiß umgeſehen und fein angeſpielet haben,
daß die Schoͤnheit die Blindheit fuͤhre; aber
heute ſah er ſich nur um aus andern Urſachen.

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[156/0166] gegen den Verdacht der Uebertreibung und gegen den Spoͤtter beſchuͤtzen koͤnnte; ſo wie wieder umgekehrt ſein ſchillernder Witz unter Thraͤnen wie Phosphor unter Waſſer, ſein Licht aufbehielt und naͤhrte. — Zum Gluͤck machte jetzt Emanuel, der mitten unter dem Diner in den Garten gegangen war, da er wieder kam, die Petizion eines Spazierganges — Denn in ſeiner Seele ſtanden nur große Ideen noch vom Leben uͤbrig wie in Aegypten nur Tempel, keine Haͤuſer nachblieben; und ſeine Unwiſſenheit in kleinen Dingen muß kleinen Dingern laͤcherlich ſeyn. — Die Aebtiſſin hatte Klotilde als Unterkoͤnigin der feurigen Nonnen neben ſich auf den Thron genom¬ men. Viktor ſtellte mit ſeiner einzigen Perſon das churmaͤrkiſche Pupillenkollegium unter dieſen flattern¬ den Grazien vor. Klotilde uͤbergab den Blinden gerade einem ganzen Tauben-Fluge der lebhafteſten Wegweiſerinnen, weil ſie alle um das Bootmanns- und Zeigefinger–Amt beim Blinden warben: ſie liebten ihn alle wegen ſeiner himmliſchen Schoͤnheit und Faſſade, aber (da er die ihrige nicht ſah) nur ſo wie ſie einen ſchoͤnen Knaben von fuͤnf Jahren herzen: . . Zu einer andern Zeit wuͤrde Viktor ſich gewiß umgeſehen und fein angeſpielet haben, daß die Schoͤnheit die Blindheit fuͤhre; aber heute ſah er ſich nur um aus andern Urſachen.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/166>, abgerufen am 27.11.2024.