Er hätt' es jetzt für einen Engels- und Petrus- Abfall von der Freundschaft gehalten, bei Emanuel nicht geradezu anzufragen, wenn er diese Geliebte -- der Tugend sehen dürfe. "Jetzt!" sagte dieser, der ungeachtet seiner indischen achtenden Milde gegen die Weiber die Nasenringe, Bindeschlüssel und Däm¬ pfer unserer Harams-Dezenz nicht kannte. Aber Viktor handelte anders und dachte doch eben so. Er hatte schon im Auslande gefragt: "Warum läßt "man die elende Reichspolizeiordnung für Mädgen "stehen, daß sie z. B. nicht einzeln, sondern immer "wie Nürnberger Juden unter der Eskorte einer Al¬ "ten oder wie die Mönche Paarweise auswandeln "müssen? Nicht etwan als ob mich das genirte, "wenn ich einen Roman spielte, sondern nur wenn "ich einen schriebe, wo ich mich an das weibliche "Marschreglement auf Kosten des kunstrichterlichen "halten und ein Geleite von Auxiliar-Weibern Weibern "durchs ganze Buch mit mir zum Verhak meiner "Heldin herumschleppen würde. Müßt' ich nicht, "wenn ich sie nur über die Hausthüre hinaus haben "wollte, mit einer Kronwache von Siegelbewahrerin¬ "nen neben ihr herziehen? Wär' ich nicht durch diese "verdammte Mitbelehnschaft und Kompagniehandlung "mit der Tugend -- es fehlte an einer Proprehand¬ "lung -- genöthigt, meiner Heldin wider alle Wahr¬ "scheinlichkeit Freundinnen aufzuheften? Ich würd¬
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Er haͤtt' es jetzt fuͤr einen Engels- und Petrus- Abfall von der Freundſchaft gehalten, bei Emanuel nicht geradezu anzufragen, wenn er dieſe Geliebte — der Tugend ſehen duͤrfe. »Jetzt!« ſagte dieſer, der ungeachtet ſeiner indiſchen achtenden Milde gegen die Weiber die Naſenringe, Bindeſchluͤſſel und Daͤm¬ pfer unſerer Harams-Dezenz nicht kannte. Aber Viktor handelte anders und dachte doch eben ſo. Er hatte ſchon im Auslande gefragt: »Warum laͤßt »man die elende Reichspolizeiordnung fuͤr Maͤdgen »ſtehen, daß ſie z. B. nicht einzeln, ſondern immer »wie Nuͤrnberger Juden unter der Eſkorte einer Al¬ »ten oder wie die Moͤnche Paarweiſe auswandeln »muͤſſen? Nicht etwan als ob mich das genirte, »wenn ich einen Roman ſpielte, ſondern nur wenn »ich einen ſchriebe, wo ich mich an das weibliche »Marſchreglement auf Koſten des kunſtrichterlichen »halten und ein Geleite von Auxiliar-Weibern Weibern »durchs ganze Buch mit mir zum Verhak meiner »Heldin herumſchleppen wuͤrde. Muͤßt' ich nicht, »wenn ich ſie nur uͤber die Hausthuͤre hinaus haben »wollte, mit einer Kronwache von Siegelbewahrerin¬ »nen neben ihr herziehen? Waͤr' ich nicht durch dieſe »verdammte Mitbelehnſchaft und Kompagniehandlung »mit der Tugend — es fehlte an einer Proprehand¬ »lung — genoͤthigt, meiner Heldin wider alle Wahr¬ »ſcheinlichkeit Freundinnen aufzuheften? Ich wuͤrd¬
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Er haͤtt' es jetzt fuͤr einen Engels- und Petrus-
Abfall von der Freundſchaft gehalten, bei Emanuel
nicht geradezu anzufragen, wenn er dieſe Geliebte —
der Tugend ſehen duͤrfe. »Jetzt!« ſagte dieſer, der
ungeachtet ſeiner indiſchen achtenden Milde gegen
die Weiber die Naſenringe, Bindeſchluͤſſel und Daͤm¬
pfer unſerer Harams-Dezenz nicht kannte. Aber
Viktor handelte anders und dachte doch eben ſo.
Er hatte ſchon im Auslande gefragt: »Warum laͤßt
»man die elende Reichspolizeiordnung fuͤr Maͤdgen
»ſtehen, daß ſie z. B. nicht einzeln, ſondern immer
»wie Nuͤrnberger Juden unter der Eſkorte einer Al¬
»ten oder wie die Moͤnche Paarweiſe auswandeln
»muͤſſen? Nicht etwan als ob mich das genirte,
»wenn ich einen Roman ſpielte, ſondern nur wenn
»ich einen ſchriebe, wo ich mich an das weibliche
»Marſchreglement auf Koſten des kunſtrichterlichen
»halten und ein Geleite von Auxiliar-Weibern Weibern
»durchs ganze Buch mit mir zum Verhak meiner
»Heldin herumſchleppen wuͤrde. Muͤßt' ich nicht,
»wenn ich ſie nur uͤber die Hausthuͤre hinaus haben
»wollte, mit einer Kronwache von Siegelbewahrerin¬
»nen neben ihr herziehen? Waͤr' ich nicht durch dieſe
»verdammte Mitbelehnſchaft und Kompagniehandlung
»mit der Tugend — es fehlte an einer Proprehand¬
»lung — genoͤthigt, meiner Heldin wider alle Wahr¬
»ſcheinlichkeit Freundinnen aufzuheften? Ich wuͤrd¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/141>, abgerufen am 23.11.2024.
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