wahren als zur Mitteltinte zwischen einem ent¬ zückten und einem trüben Tage nöthig ist -- ich sa¬ ge, er würde das nicht vermocht haben ohne seinen Biographen, ich meine, wenn er nicht mein Buch vorgenommen hätte, in dessen zweiten Theile er noch den Schulmeister Wuz zu lesen hatte. Aber dieses gelehrte Opus setzte -- getrau' ich mir ohne Eigen¬ dünkel zu schmeicheln -- seiner Entzückung die or¬ dentlichen Gränzen. Denn so -- indem er lesend ging -- (wie andre, z. B. Rousseau und ich, lesend diniren und bald aus dem Teller bald aus dem Bu¬ che einen Bissen nehmen) -- indem er dem Leben des Schulmeisters so lange zuschauete, bis ein neues Thal aufging oder ein neues Wäldgen -- indem er bald diesem abgedruckten Kantor bald einem leben¬ den zuhorchte, vor dessen Pfingstliedern er vorbei ging: so konnte er seine Ideen bei allen ihren Ron¬ dos und Rösselsprüngen in einer solchen schönen Ball¬ ordnung und Kirchenzucht erhalten, daß er so glück¬ lich war als der gelesene Wuz. Ich schrie ihm noch dazu in Einem fort aus meinen Mumien zu, ge¬ scheut zu seyn und auf meinen Schulmeisterlein als einem Flügelmann der Freuden-Handgriffe acht zu geben und jeden Tag, jede Stunde auszukernen. "Ich bin ohnehin verdammt (sagt' er) wenn ich's "nicht thue: ist denn nicht, du guter Gott, schon "das Gefühl der Existenz ein stehendes Vergnü¬
wahren als zur Mitteltinte zwiſchen einem ent¬ zuͤckten und einem truͤben Tage noͤthig iſt — ich ſa¬ ge, er wuͤrde das nicht vermocht haben ohne ſeinen Biographen, ich meine, wenn er nicht mein Buch vorgenommen haͤtte, in deſſen zweiten Theile er noch den Schulmeiſter Wuz zu leſen hatte. Aber dieſes gelehrte Opus ſetzte — getrau' ich mir ohne Eigen¬ duͤnkel zu ſchmeicheln — ſeiner Entzuͤckung die or¬ dentlichen Graͤnzen. Denn ſo — indem er leſend ging — (wie andre, z. B. Rouſſeau und ich, leſend diniren und bald aus dem Teller bald aus dem Bu¬ che einen Biſſen nehmen) — indem er dem Leben des Schulmeiſters ſo lange zuſchauete, bis ein neues Thal aufging oder ein neues Waͤldgen — indem er bald dieſem abgedruckten Kantor bald einem leben¬ den zuhorchte, vor deſſen Pfingſtliedern er vorbei ging: ſo konnte er ſeine Ideen bei allen ihren Ron¬ dos und Roͤſſelſpruͤngen in einer ſolchen ſchoͤnen Ball¬ ordnung und Kirchenzucht erhalten, daß er ſo gluͤck¬ lich war als der geleſene Wuz. Ich ſchrie ihm noch dazu in Einem fort aus meinen Mumien zu, ge¬ ſcheut zu ſeyn und auf meinen Schulmeiſterlein als einem Fluͤgelmann der Freuden-Handgriffe acht zu geben und jeden Tag, jede Stunde auszukernen. »Ich bin ohnehin verdammt (ſagt' er) wenn ich's »nicht thue: iſt denn nicht, du guter Gott, ſchon »das Gefuͤhl der Exiſtenz ein ſtehendes Vergnuͤ¬
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wahren als zur Mitteltinte zwiſchen einem ent¬
zuͤckten und einem truͤben Tage noͤthig iſt — ich ſa¬
ge, er wuͤrde das nicht vermocht haben ohne ſeinen
Biographen, ich meine, wenn er nicht mein Buch
vorgenommen haͤtte, in deſſen zweiten Theile er noch
den Schulmeiſter Wuz zu leſen hatte. Aber dieſes
gelehrte Opus ſetzte — getrau' ich mir ohne Eigen¬
duͤnkel zu ſchmeicheln — ſeiner Entzuͤckung die or¬
dentlichen Graͤnzen. Denn ſo — indem er leſend
ging — (wie andre, z. B. Rouſſeau und ich, leſend
diniren und bald aus dem Teller bald aus dem Bu¬
che einen Biſſen nehmen) — indem er dem Leben
des Schulmeiſters ſo lange zuſchauete, bis ein neues
Thal aufging oder ein neues Waͤldgen — indem er
bald dieſem abgedruckten Kantor bald einem leben¬
den zuhorchte, vor deſſen Pfingſtliedern er vorbei
ging: ſo konnte er ſeine Ideen bei allen ihren Ron¬
dos und Roͤſſelſpruͤngen in einer ſolchen ſchoͤnen Ball¬
ordnung und Kirchenzucht erhalten, daß er ſo gluͤck¬
lich war als der geleſene Wuz. Ich ſchrie ihm noch
dazu in Einem fort aus meinen Mumien zu, ge¬
ſcheut zu ſeyn und auf meinen Schulmeiſterlein als
einem Fluͤgelmann der Freuden-Handgriffe acht zu
geben und jeden Tag, jede Stunde auszukernen.
»Ich bin ohnehin verdammt (ſagt' er) wenn ich's
»nicht thue: iſt denn nicht, du guter Gott, ſchon
»das Gefuͤhl der Exiſtenz ein ſtehendes Vergnuͤ¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/131>, abgerufen am 25.11.2024.
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