ner blauer Montag in der Seele (jeder blaue Tag ist einer) und eine schöne Dispensation von der Trauerzeit des Lebens, wenn man (wie mein Held) das Glück hat, an einem h. Abend, unter dem Ge¬ betläuten, und wenn der Mond schon über die Häu¬ ser herauf ist, vor den Prospekten in die schönsten Pfingsttage und in die schönsten Pfingstgesichter, ru¬ hig und schuldlos in Zeusels Erker zu sitzen, alle Voressen der Hoffnung anzuschneiden, alle Vorsteck¬ rosen und Anzeigen des schönsten Morgens zu sam¬ meln und unter dem merkantilischen Gassen-Prälu¬ dien des Festes den zweiten Theil der Mumien gerade in den Freudensektoren zu lesen, wo ich mei¬ nen und Gustavs Einzug in das himmlische Jerusa¬ lem zu Lilienbad abzeichne. -- -- Alles das hatte wie gesagt der Held . . . .
Aber als er, der zwischen seiner Pfingstreise und jener Badreise so viele Verwandschaft ausfand, endlich mit seiner bewegten Seele an die Zerstörung jenes Jerusalems kam: so sagte er mit dem ersten traurigen Seufzer für heute: "O du gutes Schick¬ sal, ein solches Schlachtmesser, eine solche Beinsäge lege nie am Herzen meiner Klotilde an: ach ich stürbe wenn sie so unglücklich würde wie Beate." -- Und er dachte weiter nach, wie die rothen Mor¬ genwolken der Hoffnung nur schwebender erhöhter Regen sind und wie oft der Schmerz der bittere
ner blauer Montag in der Seele (jeder blaue Tag iſt einer) und eine ſchoͤne Diſpenſation von der Trauerzeit des Lebens, wenn man (wie mein Held) das Gluͤck hat, an einem h. Abend, unter dem Ge¬ betlaͤuten, und wenn der Mond ſchon uͤber die Haͤu¬ ſer herauf iſt, vor den Proſpekten in die ſchoͤnſten Pfingſttage und in die ſchoͤnſten Pfingſtgeſichter, ru¬ hig und ſchuldlos in Zeuſels Erker zu ſitzen, alle Voreſſen der Hoffnung anzuſchneiden, alle Vorſteck¬ roſen und Anzeigen des ſchoͤnſten Morgens zu ſam¬ meln und unter dem merkantiliſchen Gaſſen-Praͤlu¬ dien des Feſtes den zweiten Theil der Mumien gerade in den Freudenſektoren zu leſen, wo ich mei¬ nen und Guſtavs Einzug in das himmliſche Jeruſa¬ lem zu Lilienbad abzeichne. — — Alles das hatte wie geſagt der Held . . . .
Aber als er, der zwiſchen ſeiner Pfingſtreiſe und jener Badreiſe ſo viele Verwandſchaft ausfand, endlich mit ſeiner bewegten Seele an die Zerſtoͤrung jenes Jeruſalems kam: ſo ſagte er mit dem erſten traurigen Seufzer fuͤr heute: »O du gutes Schick¬ ſal, ein ſolches Schlachtmeſſer, eine ſolche Beinſaͤge lege nie am Herzen meiner Klotilde an: ach ich ſtuͤrbe wenn ſie ſo ungluͤcklich wuͤrde wie Beate.« — Und er dachte weiter nach, wie die rothen Mor¬ genwolken der Hoffnung nur ſchwebender erhoͤhter Regen ſind und wie oft der Schmerz der bittere
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ner blauer Montag in der Seele (jeder blaue
Tag iſt einer) und eine ſchoͤne Diſpenſation von der
Trauerzeit des Lebens, wenn man (wie mein Held)
das Gluͤck hat, an einem h. Abend, unter dem Ge¬
betlaͤuten, und wenn der Mond ſchon uͤber die Haͤu¬
ſer herauf iſt, vor den Proſpekten in die ſchoͤnſten
Pfingſttage und in die ſchoͤnſten Pfingſtgeſichter, ru¬
hig und ſchuldlos in Zeuſels Erker zu ſitzen, alle
Voreſſen der Hoffnung anzuſchneiden, alle Vorſteck¬
roſen und Anzeigen des ſchoͤnſten Morgens zu ſam¬
meln und unter dem merkantiliſchen Gaſſen-Praͤlu¬
dien des Feſtes den zweiten Theil der Mumien
gerade in den Freudenſektoren zu leſen, wo ich mei¬
nen und Guſtavs Einzug in das himmliſche Jeruſa¬
lem zu Lilienbad abzeichne. — — Alles das hatte
wie geſagt der Held . . . .
Aber als er, der zwiſchen ſeiner Pfingſtreiſe
und jener Badreiſe ſo viele Verwandſchaft ausfand,
endlich mit ſeiner bewegten Seele an die Zerſtoͤrung
jenes Jeruſalems kam: ſo ſagte er mit dem erſten
traurigen Seufzer fuͤr heute: »O du gutes Schick¬
ſal, ein ſolches Schlachtmeſſer, eine ſolche Beinſaͤge
lege nie am Herzen meiner Klotilde an: ach ich
ſtuͤrbe wenn ſie ſo ungluͤcklich wuͤrde wie Beate.«
— Und er dachte weiter nach, wie die rothen Mor¬
genwolken der Hoffnung nur ſchwebender erhoͤhter
Regen ſind und wie oft der Schmerz der bittere
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/121>, abgerufen am 22.11.2024.
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