und Gedanken mit einander aufwenden, sondern diese sparen, wenn ich jene verthat: Peuzer schrieb längst an die Regenspurger und Wetzlaer: viele Gedanken brauchen einen kleinen Wortfluß, aber je größer der Bach ist, desto kleiner kann das Mühl¬ rad seyn. -- Einen rechtschaffenen Rezensenten kränkt ein lakonisches Buch auch schon darum (nicht blos weil das Publikum es nicht versteht), weil ein Deut¬ scher ja an den Juristen und Theologen die besten Muster vor sich hat, weitschweifig zu schreiben und zwar mit einer Weitläufigkeit, die vielleicht -- denn der Gedanke ist die Seele, das Wort der Leib -- unter den Worten jene höhere Freundschaft der Menschen stiftet, die nach Aristoteles darin besteht, daß Eine Seele (Ein Gedanke) in mehrerern Kör¬ pern (Worten) zugleich wohnet. -- --
-- Ich hebe Viktors Vigilie, den h. Abend vor Pfingsten jetzt an. Es war schon Sonnabend -- der Wind ging (wie die Wissenschaften) von Morgen -- das Quecksilber sprang in der Barometerröhre (wie heute in meinen Nervenröhren) fast oben hin¬ aus. -- Flamin war friedlich von seinem Freunde am Freitag geschieden und kehrte vor fünf Tagen nicht zurück. -- Viktor will morgen am ersten Pfingst¬ tag vor der Sonne aufbrechen, um am dritten wie¬ der zurückzukommen, wenn sie in Amerika aussteigt. -- (Ich wollt' er blieb' länger) -- Es ist ein schö¬
und Gedanken mit einander aufwenden, ſondern dieſe ſparen, wenn ich jene verthat: Peuzer ſchrieb laͤngſt an die Regenſpurger und Wetzlaer: viele Gedanken brauchen einen kleinen Wortfluß, aber je groͤßer der Bach iſt, deſto kleiner kann das Muͤhl¬ rad ſeyn. — Einen rechtſchaffenen Rezenſenten kraͤnkt ein lakoniſches Buch auch ſchon darum (nicht blos weil das Publikum es nicht verſteht), weil ein Deut¬ ſcher ja an den Juriſten und Theologen die beſten Muſter vor ſich hat, weitſchweifig zu ſchreiben und zwar mit einer Weitlaͤufigkeit, die vielleicht — denn der Gedanke iſt die Seele, das Wort der Leib — unter den Worten jene hoͤhere Freundſchaft der Menſchen ſtiftet, die nach Ariſtoteles darin beſteht, daß Eine Seele (Ein Gedanke) in mehrerern Koͤr¬ pern (Worten) zugleich wohnet. — —
— Ich hebe Viktors Vigilie, den h. Abend vor Pfingſten jetzt an. Es war ſchon Sonnabend — der Wind ging (wie die Wiſſenſchaften) von Morgen — das Queckſilber ſprang in der Barometerroͤhre (wie heute in meinen Nervenroͤhren) faſt oben hin¬ aus. — Flamin war friedlich von ſeinem Freunde am Freitag geſchieden und kehrte vor fuͤnf Tagen nicht zuruͤck. — Viktor will morgen am erſten Pfingſt¬ tag vor der Sonne aufbrechen, um am dritten wie¬ der zuruͤckzukommen, wenn ſie in Amerika ausſteigt. — (Ich wollt' er blieb' laͤnger) — Es iſt ein ſchoͤ¬
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und Gedanken mit einander aufwenden, ſondern
dieſe ſparen, wenn ich jene verthat: Peuzer
ſchrieb laͤngſt an die Regenſpurger und Wetzlaer:
viele Gedanken brauchen einen kleinen Wortfluß, aber
je groͤßer der Bach iſt, deſto kleiner kann das Muͤhl¬
rad ſeyn. — Einen rechtſchaffenen Rezenſenten kraͤnkt
ein lakoniſches Buch auch ſchon darum (nicht blos
weil das Publikum es nicht verſteht), weil ein Deut¬
ſcher ja an den Juriſten und Theologen die beſten
Muſter vor ſich hat, weitſchweifig zu ſchreiben und
zwar mit einer Weitlaͤufigkeit, die vielleicht — denn
der Gedanke iſt die Seele, das Wort der Leib —
unter den Worten jene hoͤhere Freundſchaft der
Menſchen ſtiftet, die nach Ariſtoteles darin beſteht,
daß Eine Seele (Ein Gedanke) in mehrerern Koͤr¬
pern (Worten) zugleich wohnet. — —
— Ich hebe Viktors Vigilie, den h. Abend vor
Pfingſten jetzt an. Es war ſchon Sonnabend — der
Wind ging (wie die Wiſſenſchaften) von Morgen
— das Queckſilber ſprang in der Barometerroͤhre
(wie heute in meinen Nervenroͤhren) faſt oben hin¬
aus. — Flamin war friedlich von ſeinem Freunde
am Freitag geſchieden und kehrte vor fuͤnf Tagen
nicht zuruͤck. — Viktor will morgen am erſten Pfingſt¬
tag vor der Sonne aufbrechen, um am dritten wie¬
der zuruͤckzukommen, wenn ſie in Amerika ausſteigt.
— (Ich wollt' er blieb' laͤnger) — Es iſt ein ſchoͤ¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/120>, abgerufen am 27.11.2024.
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