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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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voll Höllenstein und um kein Auge voll Basiliskengift.
Er verdoppelte die schönern Besuche bei Flamin, um
dessen edle Versöhnung mit einer wärmern Freund¬
schaft zu belohnen und er drückte auf die vergangne
Geschichte und auf den Gegenstand der Eifersucht
das Sekretsinsiegel des schonenden Schweigens. Seine
Träume stellten zwar bei ihrem Theater voll Schat¬
tenspielen und Lufterscheinungen Klotildens Gestalt
nicht an, (gerade die geliebtesten Gesichter versaget
der Traum) aber indem sie ihn in die alten dun¬
keln Regenmonate führten, wo er wieder unglücklich
und ohne Liebe und ohne die theuerste Seele war,
so gaben sie ihm durch die nieder geregnete Nacht
einen hellern Tag und die verdoppelte Wehmuth
wurde zur verdoppelten Liebe -- Und wenn er am
Morgen nach solchen Träumen vom vergangnen
Traum, durch den Maien-Reif neben den üppigen
Freudentropfen der Weinreben und unter dem
Morgenwind, der ihn mehr trug als kühlte, hinaus¬
trat, um die festen westlichen Wälder, die mit ei¬
nem grünen Vorhang die Opernbühne seiner Hof¬
nung verhingen, wie theure Reliquien mit den seh¬
nenden Augen zu betasten -- -- Ein Rezensent der
sich an meine Stelle setzt, kann mir unmöglich bei
dieser Kürze der Zeit und auf meiner Extrapostkut¬
sche des Phöbuswagen (jetzt in den kürzern Tagen)
zumuthen, einem Vorsatz seinen Nachsatz zu geben.

voll Hoͤllenſtein und um kein Auge voll Baſiliskengift.
Er verdoppelte die ſchoͤnern Beſuche bei Flamin, um
deſſen edle Verſoͤhnung mit einer waͤrmern Freund¬
ſchaft zu belohnen und er druͤckte auf die vergangne
Geſchichte und auf den Gegenſtand der Eiferſucht
das Sekretsinſiegel des ſchonenden Schweigens. Seine
Traͤume ſtellten zwar bei ihrem Theater voll Schat¬
tenſpielen und Lufterſcheinungen Klotildens Geſtalt
nicht an, (gerade die geliebteſten Geſichter verſaget
der Traum) aber indem ſie ihn in die alten dun¬
keln Regenmonate fuͤhrten, wo er wieder ungluͤcklich
und ohne Liebe und ohne die theuerſte Seele war,
ſo gaben ſie ihm durch die nieder geregnete Nacht
einen hellern Tag und die verdoppelte Wehmuth
wurde zur verdoppelten Liebe — Und wenn er am
Morgen nach ſolchen Traͤumen vom vergangnen
Traum, durch den Maien-Reif neben den uͤppigen
Freudentropfen der Weinreben und unter dem
Morgenwind, der ihn mehr trug als kuͤhlte, hinaus¬
trat, um die feſten weſtlichen Waͤlder, die mit ei¬
nem gruͤnen Vorhang die Opernbuͤhne ſeiner Hof¬
nung verhingen, wie theure Reliquien mit den ſeh¬
nenden Augen zu betaſten — — Ein Rezenſent der
ſich an meine Stelle ſetzt, kann mir unmoͤglich bei
dieſer Kuͤrze der Zeit und auf meiner Extrapoſtkut¬
ſche des Phoͤbuswagen (jetzt in den kuͤrzern Tagen)
zumuthen, einem Vorſatz ſeinen Nachſatz zu geben.

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[106/0116] voll Hoͤllenſtein und um kein Auge voll Baſiliskengift. Er verdoppelte die ſchoͤnern Beſuche bei Flamin, um deſſen edle Verſoͤhnung mit einer waͤrmern Freund¬ ſchaft zu belohnen und er druͤckte auf die vergangne Geſchichte und auf den Gegenſtand der Eiferſucht das Sekretsinſiegel des ſchonenden Schweigens. Seine Traͤume ſtellten zwar bei ihrem Theater voll Schat¬ tenſpielen und Lufterſcheinungen Klotildens Geſtalt nicht an, (gerade die geliebteſten Geſichter verſaget der Traum) aber indem ſie ihn in die alten dun¬ keln Regenmonate fuͤhrten, wo er wieder ungluͤcklich und ohne Liebe und ohne die theuerſte Seele war, ſo gaben ſie ihm durch die nieder geregnete Nacht einen hellern Tag und die verdoppelte Wehmuth wurde zur verdoppelten Liebe — Und wenn er am Morgen nach ſolchen Traͤumen vom vergangnen Traum, durch den Maien-Reif neben den uͤppigen Freudentropfen der Weinreben und unter dem Morgenwind, der ihn mehr trug als kuͤhlte, hinaus¬ trat, um die feſten weſtlichen Waͤlder, die mit ei¬ nem gruͤnen Vorhang die Opernbuͤhne ſeiner Hof¬ nung verhingen, wie theure Reliquien mit den ſeh¬ nenden Augen zu betaſten — — Ein Rezenſent der ſich an meine Stelle ſetzt, kann mir unmoͤglich bei dieſer Kuͤrze der Zeit und auf meiner Extrapoſtkut¬ ſche des Phoͤbuswagen (jetzt in den kuͤrzern Tagen) zumuthen, einem Vorſatz ſeinen Nachſatz zu geben.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/116>, abgerufen am 27.11.2024.