Ich gesteh' es, ich habe unter dem ganzen Klub wieder den närrischen Gedanken gehabt, den ich mir schon oft, so toll er ist, nicht aus dem Kopfe schla¬ gen konnte -- denn er wird freilich ein wenig da¬ durch bestätigt, daß ich wie ein Atheist nicht weiß, wo ich her bin und daß ich mit meinem französischen Namen Jean Paul durch die wunderbarsten Zufälle an ein deutsches Schreibepult getrieben wurde, auf dem ich einmal der Welt jene weitläuftig berichten will -- wie gesagt, ich halt' es selber für eine Narr¬ heit, wenn ich mir zuweilen einbilde, es wäre mög¬ lich, daß ich etwan -- da in der orientalischen Ge¬ schichte die Beispiele davon tausendweise da sind -- gar ein anonymer Knäsensohn oder Schachssohn oder etwas ähnliches wäre, das für den Thron gebildet werde und dem man nur seine edle Geburt verstecke, um es besser zu erziehen. So etwas nur zu überle¬ gen, ist schon Tollheit; aber so viel ist doch richtig, daß aus der Universalhistorie die Beispiele nicht aus¬ zukrazen sind, wo mancher bis in sein 28tes Jahr -- ich bin um zwei älter -- nicht ein Wort davon wußte, daß ein asiatischer oder anderer Thron auf ihn warte und wo er nachher, wenn er darauf kam, prächtig herunter regierte. Setze man aber, ich würde aus einem Jean ohne Land ein Johann mit Land, so ging' ich sofort auf's Billard und sagte je¬ dem, wen er vor sich hätte. Wäre einer von mei¬
Ich geſteh' es, ich habe unter dem ganzen Klub wieder den naͤrriſchen Gedanken gehabt, den ich mir ſchon oft, ſo toll er iſt, nicht aus dem Kopfe ſchla¬ gen konnte — denn er wird freilich ein wenig da¬ durch beſtaͤtigt, daß ich wie ein Atheiſt nicht weiß, wo ich her bin und daß ich mit meinem franzoͤſiſchen Namen Jean Paul durch die wunderbarſten Zufaͤlle an ein deutſches Schreibepult getrieben wurde, auf dem ich einmal der Welt jene weitlaͤuftig berichten will — wie geſagt, ich halt' es ſelber fuͤr eine Narr¬ heit, wenn ich mir zuweilen einbilde, es waͤre moͤg¬ lich, daß ich etwan — da in der orientaliſchen Ge¬ ſchichte die Beiſpiele davon tauſendweiſe da ſind — gar ein anonymer Knaͤſenſohn oder Schachsſohn oder etwas aͤhnliches waͤre, das fuͤr den Thron gebildet werde und dem man nur ſeine edle Geburt verſtecke, um es beſſer zu erziehen. So etwas nur zu uͤberle¬ gen, iſt ſchon Tollheit; aber ſo viel iſt doch richtig, daß aus der Univerſalhiſtorie die Beiſpiele nicht aus¬ zukrazen ſind, wo mancher bis in ſein 28tes Jahr — ich bin um zwei aͤlter — nicht ein Wort davon wußte, daß ein aſiatiſcher oder anderer Thron auf ihn warte und wo er nachher, wenn er darauf kam, praͤchtig herunter regierte. Setze man aber, ich wuͤrde aus einem Jean ohne Land ein Johann mit Land, ſo ging' ich ſofort auf's Billard und ſagte je¬ dem, wen er vor ſich haͤtte. Waͤre einer von mei¬
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Ich geſteh' es, ich habe unter dem ganzen Klub
wieder den naͤrriſchen Gedanken gehabt, den ich mir
ſchon oft, ſo toll er iſt, nicht aus dem Kopfe ſchla¬
gen konnte — denn er wird freilich ein wenig da¬
durch beſtaͤtigt, daß ich wie ein Atheiſt nicht weiß,
wo ich her bin und daß ich mit meinem franzoͤſiſchen
Namen Jean Paul durch die wunderbarſten Zufaͤlle
an ein deutſches Schreibepult getrieben wurde, auf
dem ich einmal der Welt jene weitlaͤuftig berichten
will — wie geſagt, ich halt' es ſelber fuͤr eine Narr¬
heit, wenn ich mir zuweilen einbilde, es waͤre moͤg¬
lich, daß ich etwan — da in der orientaliſchen Ge¬
ſchichte die Beiſpiele davon tauſendweiſe da ſind —
gar ein anonymer Knaͤſenſohn oder Schachsſohn oder
etwas aͤhnliches waͤre, das fuͤr den Thron gebildet
werde und dem man nur ſeine edle Geburt verſtecke,
um es beſſer zu erziehen. So etwas nur zu uͤberle¬
gen, iſt ſchon Tollheit; aber ſo viel iſt doch richtig,
daß aus der Univerſalhiſtorie die Beiſpiele nicht aus¬
zukrazen ſind, wo mancher bis in ſein 28tes Jahr —
ich bin um zwei aͤlter — nicht ein Wort davon
wußte, daß ein aſiatiſcher oder anderer Thron auf
ihn warte und wo er nachher, wenn er darauf kam,
praͤchtig herunter regierte. Setze man aber, ich
wuͤrde aus einem Jean ohne Land ein Johann mit
Land, ſo ging' ich ſofort auf's Billard und ſagte je¬
dem, wen er vor ſich haͤtte. Waͤre einer von mei¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/111>, abgerufen am 23.11.2024.
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