hältnisses, sondern wegen unsers Unvermögens, sie in der Eile in Gleichung zu bringen. Höhere Geister würden die nahen Verhältnisse unsrer Wohllaute zu leicht und unison, hingegen die größern unserer Mi߬ töne reizend und nicht über ihre Fassung finden. So lange nun der Gottesdienst mehr zur Ehre höhe¬ rer Wesen als zum Nutzen der Menschen gehalten wird -- und so weit ist hoffentlich die Sittenlosig¬ keit noch nicht eingerissen, daß man dieses abschafte: -- so lange muß der Kirchenstyl darauf dringen, daß Musik gemacht werde, die für höhere Wesen passet, nämlich aus Mißtönen und daß man gerade die, die für unsre Ohren die abscheulichste ist, als die zweckmäßigste für Tempel finden.
Machen wir einmal der Herrnhutischen Instru¬ mentalmusik die Kirchenthüre auf: so steckt uns zu¬ letzt auch ihr Singen an und es verliert sich nach und nach alles Vokal-Geblöck, welches unsre Kir¬ chen so lustig macht und welches für Kastratenohren ein so unangenehmer Hammer des Gesetzes, aber für uns ein so angenehmer Beweiß ist, daß wir Schwei¬ nen ähnlichen, die der Abt de Baigne auf Befehl Ludwigs XI. nach der Tonleiter geordnet mit Tan¬ genten stach und zum Schreien brachte. So denk' ich über Kirchen- oder altdeutschen Schlacht¬ gesang.
Ende
haͤltniſſes, ſondern wegen unſers Unvermoͤgens, ſie in der Eile in Gleichung zu bringen. Hoͤhere Geiſter wuͤrden die nahen Verhaͤltniſſe unſrer Wohllaute zu leicht und uniſon, hingegen die groͤßern unſerer Mi߬ toͤne reizend und nicht uͤber ihre Faſſung finden. So lange nun der Gottesdienſt mehr zur Ehre hoͤhe¬ rer Weſen als zum Nutzen der Menſchen gehalten wird — und ſo weit iſt hoffentlich die Sittenloſig¬ keit noch nicht eingeriſſen, daß man dieſes abſchafte: — ſo lange muß der Kirchenſtyl darauf dringen, daß Muſik gemacht werde, die fuͤr hoͤhere Weſen paſſet, naͤmlich aus Mißtoͤnen und daß man gerade die, die fuͤr unſre Ohren die abſcheulichſte iſt, als die zweckmaͤßigſte fuͤr Tempel finden.
Machen wir einmal der Herrnhutiſchen Inſtru¬ mentalmuſik die Kirchenthuͤre auf: ſo ſteckt uns zu¬ letzt auch ihr Singen an und es verliert ſich nach und nach alles Vokal-Gebloͤck, welches unſre Kir¬ chen ſo luſtig macht und welches fuͤr Kaſtratenohren ein ſo unangenehmer Hammer des Geſetzes, aber fuͤr uns ein ſo angenehmer Beweiß iſt, daß wir Schwei¬ nen aͤhnlichen, die der Abt de Baigne auf Befehl Ludwigs XI. nach der Tonleiter geordnet mit Tan¬ genten ſtach und zum Schreien brachte. So denk' ich uͤber Kirchen- oder altdeutſchen Schlacht¬ geſang.
Ende
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haͤltniſſes, ſondern wegen unſers Unvermoͤgens, ſie in
der Eile in Gleichung zu bringen. Hoͤhere Geiſter
wuͤrden die nahen Verhaͤltniſſe unſrer Wohllaute zu
leicht und uniſon, hingegen die groͤßern unſerer Mi߬
toͤne reizend und nicht uͤber ihre Faſſung finden.
So lange nun der Gottesdienſt mehr zur Ehre hoͤhe¬
rer Weſen als zum Nutzen der Menſchen gehalten
wird — und ſo weit iſt hoffentlich die Sittenloſig¬
keit noch nicht eingeriſſen, daß man dieſes abſchafte:
— ſo lange muß der Kirchenſtyl darauf dringen,
daß Muſik gemacht werde, die fuͤr hoͤhere Weſen
paſſet, naͤmlich aus Mißtoͤnen und daß man gerade
die, die fuͤr unſre Ohren die abſcheulichſte iſt, als
die zweckmaͤßigſte fuͤr Tempel finden.
Machen wir einmal der Herrnhutiſchen Inſtru¬
mentalmuſik die Kirchenthuͤre auf: ſo ſteckt uns zu¬
letzt auch ihr Singen an und es verliert ſich nach
und nach alles Vokal-Gebloͤck, welches unſre Kir¬
chen ſo luſtig macht und welches fuͤr Kaſtratenohren
ein ſo unangenehmer Hammer des Geſetzes, aber fuͤr
uns ein ſo angenehmer Beweiß iſt, daß wir Schwei¬
nen aͤhnlichen, die der Abt de Baigne auf Befehl
Ludwigs XI. nach der Tonleiter geordnet mit Tan¬
genten ſtach und zum Schreien brachte. So
denk' ich uͤber Kirchen- oder altdeutſchen Schlacht¬
geſang.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/90>, abgerufen am 21.11.2024.
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