"länger, das Fleisch brät sonst nicht aus." -- Die häuslichen Kleinigkeiten ergötzten meinen Helden eben so sehr als ihn die höfischen erzürnten.
Er ging mit dem Pfarrer. Seine Toleranz ge¬ gen die Fehler des geistlichen Standes hatte mit je¬ ner vornehmen stifts- und tadelfähigen nichts ge¬ mein, die aus höchster Verachtung entsteht und die einen christlichen Priester so leicht wie einen ägypti¬ schen erträgt: sondern sie kam aus seiner Meinung, daß die Kirchen noch die einzigen Sonntagsschulen und spartischen Schulpforten und Seminarien des armen Volkes sind, das seinen cours de morale nicht beim Staate hören kann. Auch liebte er als Jüngling die Lieblinge seiner Kindheit.
Viele Prediger suchen den Quintilian, der schlechte Gründe in Reden voran gestellet haben will, und den Cicero, der sie hintennach will, zu vereinigen und postiren sie an beiden Orten; aber Eymann hielt gute Empfindungen für besser als schlechte Gründe und wand um den Bauern nicht Schluß- sondern Blumenketten.
Der Friseur ging anfangs nicht in die Kirche, weils unter seinen Stand war, aber nachher konnt' er nicht anders: denn wegen des fremden Hofherrns darin wurde Kirchenmusik gemacht.
Es ist der einzige Fehler des Perückenmacher Meuseler, daß er zu gern singt und seine Kehle in
»laͤnger, das Fleiſch braͤt ſonſt nicht aus.« — Die haͤuslichen Kleinigkeiten ergoͤtzten meinen Helden eben ſo ſehr als ihn die hoͤfiſchen erzuͤrnten.
Er ging mit dem Pfarrer. Seine Toleranz ge¬ gen die Fehler des geiſtlichen Standes hatte mit je¬ ner vornehmen ſtifts- und tadelfaͤhigen nichts ge¬ mein, die aus hoͤchſter Verachtung entſteht und die einen chriſtlichen Prieſter ſo leicht wie einen aͤgypti¬ ſchen ertraͤgt: ſondern ſie kam aus ſeiner Meinung, daß die Kirchen noch die einzigen Sonntagsſchulen und ſpartiſchen Schulpforten und Seminarien des armen Volkes ſind, das ſeinen cours de morale nicht beim Staate hoͤren kann. Auch liebte er als Juͤngling die Lieblinge ſeiner Kindheit.
Viele Prediger ſuchen den Quintilian, der ſchlechte Gruͤnde in Reden voran geſtellet haben will, und den Cicero, der ſie hintennach will, zu vereinigen und poſtiren ſie an beiden Orten; aber Eymann hielt gute Empfindungen fuͤr beſſer als ſchlechte Gruͤnde und wand um den Bauern nicht Schluß- ſondern Blumenketten.
Der Friſeur ging anfangs nicht in die Kirche, weils unter ſeinen Stand war, aber nachher konnt' er nicht anders: denn wegen des fremden Hofherrns darin wurde Kirchenmuſik gemacht.
Es iſt der einzige Fehler des Peruͤckenmacher Meuſeler, daß er zu gern ſingt und ſeine Kehle in
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0085"n="75"/>
»laͤnger, das Fleiſch braͤt ſonſt nicht aus.« — Die<lb/>
haͤuslichen Kleinigkeiten ergoͤtzten meinen Helden eben<lb/>ſo ſehr als ihn die hoͤfiſchen erzuͤrnten.</p><lb/><p>Er ging mit dem Pfarrer. Seine Toleranz ge¬<lb/>
gen die Fehler des geiſtlichen Standes hatte mit je¬<lb/>
ner vornehmen ſtifts- und tadelfaͤhigen nichts ge¬<lb/>
mein, die aus hoͤchſter Verachtung entſteht und die<lb/>
einen chriſtlichen Prieſter ſo leicht wie einen aͤgypti¬<lb/>ſchen ertraͤgt: ſondern ſie kam aus ſeiner Meinung,<lb/>
daß die Kirchen noch die einzigen Sonntagsſchulen<lb/>
und ſpartiſchen Schulpforten und Seminarien des<lb/>
armen Volkes ſind, das ſeinen <hirendition="#aq">cours de morale</hi><lb/>
nicht beim <hirendition="#g">Staate</hi> hoͤren kann. Auch liebte er<lb/>
als Juͤngling die Lieblinge ſeiner Kindheit.</p><lb/><p>Viele Prediger ſuchen den Quintilian, der<lb/>ſchlechte Gruͤnde in Reden <hirendition="#g">voran</hi> geſtellet haben<lb/>
will, und den Cicero, der ſie <hirendition="#g">hintennach</hi> will, zu<lb/>
vereinigen und poſtiren ſie an beiden Orten; aber<lb/>
Eymann hielt gute Empfindungen fuͤr beſſer als<lb/>ſchlechte Gruͤnde und wand um den Bauern nicht<lb/>
Schluß- ſondern Blumenketten.</p><lb/><p>Der Friſeur ging anfangs nicht in die Kirche,<lb/>
weils unter ſeinen Stand war, aber nachher konnt'<lb/>
er nicht anders: denn wegen des fremden Hofherrns<lb/>
darin wurde Kirchenmuſik gemacht.</p><lb/><p>Es iſt der einzige Fehler des Peruͤckenmacher<lb/>
Meuſeler, daß er zu gern ſingt und ſeine Kehle in<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[75/0085]
»laͤnger, das Fleiſch braͤt ſonſt nicht aus.« — Die
haͤuslichen Kleinigkeiten ergoͤtzten meinen Helden eben
ſo ſehr als ihn die hoͤfiſchen erzuͤrnten.
Er ging mit dem Pfarrer. Seine Toleranz ge¬
gen die Fehler des geiſtlichen Standes hatte mit je¬
ner vornehmen ſtifts- und tadelfaͤhigen nichts ge¬
mein, die aus hoͤchſter Verachtung entſteht und die
einen chriſtlichen Prieſter ſo leicht wie einen aͤgypti¬
ſchen ertraͤgt: ſondern ſie kam aus ſeiner Meinung,
daß die Kirchen noch die einzigen Sonntagsſchulen
und ſpartiſchen Schulpforten und Seminarien des
armen Volkes ſind, das ſeinen cours de morale
nicht beim Staate hoͤren kann. Auch liebte er
als Juͤngling die Lieblinge ſeiner Kindheit.
Viele Prediger ſuchen den Quintilian, der
ſchlechte Gruͤnde in Reden voran geſtellet haben
will, und den Cicero, der ſie hintennach will, zu
vereinigen und poſtiren ſie an beiden Orten; aber
Eymann hielt gute Empfindungen fuͤr beſſer als
ſchlechte Gruͤnde und wand um den Bauern nicht
Schluß- ſondern Blumenketten.
Der Friſeur ging anfangs nicht in die Kirche,
weils unter ſeinen Stand war, aber nachher konnt'
er nicht anders: denn wegen des fremden Hofherrns
darin wurde Kirchenmuſik gemacht.
Es iſt der einzige Fehler des Peruͤckenmacher
Meuſeler, daß er zu gern ſingt und ſeine Kehle in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/85>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.