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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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der Prozession seiner freudigen Gedanken als zwei
neue Paare ein.

Er wollte nicht nach St. Lüne, sondern er sagte:
"ich ziehe mich nur an zu einem kleinen Spazier¬
"gange." --

"Es ist ganz egal, wo ich heute gehe" sagt' er
draussen und ging also auf den St. Lüner Weg. --
"Umkehren kann ich allemal" sagt' er auf halbem
Wege. -- --

"Noch närrischer wär's wenn ich zugleich Brief¬
"steller und Briefträger würde und mein eignes
"Schreiben insinuirte" sagte er und zog solches
heraus. --

-- -- Da er aber das Lüner Präludiumsgeläute
zum Kirchengeläute vernahm: so sprang er empor
und sagte: "nunmehr versalz' ich mir den Weg
"nicht länger durch weitere Skrupel, sondern ich
"will keck und entschlossen hinein marschiren."

Und so marschirte er an der Hand Fortunens,
hinter dem Nachlächeln der ganzen Natur, mit Träu¬
men im Herzen, mit unschuldiger Hofnung im jün¬
gern Angesicht in das Eden seiner Seele hinein.

Flamin hatt' er nicht mitgebeten, um dem Stadt¬
senior den Hochzeitgast nicht zu nehmen -- und
vielleicht auch, weil er seine phantasirende Aufmerk¬
samkeit auf den schimmernden Morgen durch keine
juristische Kollegial-Neuigkeiten wollte stören lassen.

der Prozeſſion ſeiner freudigen Gedanken als zwei
neue Paare ein.

Er wollte nicht nach St. Luͤne, ſondern er ſagte:
»ich ziehe mich nur an zu einem kleinen Spazier¬
»gange.« —

»Es iſt ganz egal, wo ich heute gehe« ſagt' er
drauſſen und ging alſo auf den St. Luͤner Weg. —
»Umkehren kann ich allemal« ſagt' er auf halbem
Wege. — —

»Noch naͤrriſcher waͤr's wenn ich zugleich Brief¬
»ſteller und Brieftraͤger wuͤrde und mein eignes
»Schreiben inſinuirte« ſagte er und zog ſolches
heraus. —

— — Da er aber das Luͤner Praͤludiumsgelaͤute
zum Kirchengelaͤute vernahm: ſo ſprang er empor
und ſagte: »nunmehr verſalz' ich mir den Weg
»nicht laͤnger durch weitere Skrupel, ſondern ich
»will keck und entſchloſſen hinein marſchiren.«

Und ſo marſchirte er an der Hand Fortunens,
hinter dem Nachlaͤcheln der ganzen Natur, mit Traͤu¬
men im Herzen, mit unſchuldiger Hofnung im juͤn¬
gern Angeſicht in das Eden ſeiner Seele hinein.

Flamin hatt' er nicht mitgebeten, um dem Stadt¬
ſenior den Hochzeitgaſt nicht zu nehmen — und
vielleicht auch, weil er ſeine phantaſirende Aufmerk¬
ſamkeit auf den ſchimmernden Morgen durch keine
juriſtiſche Kollegial-Neuigkeiten wollte ſtoͤren laſſen.

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[73/0083] der Prozeſſion ſeiner freudigen Gedanken als zwei neue Paare ein. Er wollte nicht nach St. Luͤne, ſondern er ſagte: »ich ziehe mich nur an zu einem kleinen Spazier¬ »gange.« — »Es iſt ganz egal, wo ich heute gehe« ſagt' er drauſſen und ging alſo auf den St. Luͤner Weg. — »Umkehren kann ich allemal« ſagt' er auf halbem Wege. — — »Noch naͤrriſcher waͤr's wenn ich zugleich Brief¬ »ſteller und Brieftraͤger wuͤrde und mein eignes »Schreiben inſinuirte« ſagte er und zog ſolches heraus. — — — Da er aber das Luͤner Praͤludiumsgelaͤute zum Kirchengelaͤute vernahm: ſo ſprang er empor und ſagte: »nunmehr verſalz' ich mir den Weg »nicht laͤnger durch weitere Skrupel, ſondern ich »will keck und entſchloſſen hinein marſchiren.« Und ſo marſchirte er an der Hand Fortunens, hinter dem Nachlaͤcheln der ganzen Natur, mit Traͤu¬ men im Herzen, mit unſchuldiger Hofnung im juͤn¬ gern Angeſicht in das Eden ſeiner Seele hinein. Flamin hatt' er nicht mitgebeten, um dem Stadt¬ ſenior den Hochzeitgaſt nicht zu nehmen — und vielleicht auch, weil er ſeine phantaſirende Aufmerk¬ ſamkeit auf den ſchimmernden Morgen durch keine juriſtiſche Kollegial-Neuigkeiten wollte ſtoͤren laſſen.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/83>, abgerufen am 21.11.2024.