ist, wie einige Sterne durch Gläser in Millionen zerfallen -- die ihr, so veränderlich in allen Ent¬ schlüssen, so unveränderlich im edelsten, aus der Erde geht mit verkannten Wünschen, mit vergessenem Werthe, mit Augen voll Thränen und Liebe, mit Herzen voll Tugend und Gram -- euch theuern er¬ zähl' ich gern den kleinen Traum und mein großes Buch! . . .
"Eine Hand, die Horion nicht sah, faßte ihn an, "eine Lippe, die er nicht sah, redete ihn an: dein "Herz sey jetzt heilig und rein, denn der Genius "der weiblichen Tugend wohnt in diesem Gefilde. " -- Siehe da stand Horion auf einer mit Vergi߬ "meinnicht überzognen Flur, worüber der Himmel, "wie ein blauer Schatten herübersank: denn alle "Sterne waren aus ihm genommen, bloß der "Abendstern stand einsam flimmernd oben an der "Stelle der Sonne. Weiße Eis-Pyramiden, ge¬ "streift mit herunterrinnenden Abendröthen, umran¬ "gen wie mit einem Wall aus Gold- und Silberstu¬ "fen das ganze dunkle Rund -- -- Darin ging "Klotilde, erhaben wie eine Verstorbene, heiter wie "ein Mensch in der andern Welt, geführt bald von "geflügelten Kindern, bald von einer verschleierten "Nonne, bald von einem ernsten Engel, aber sie "ging ewig vor Horion vorüber -- sie lächelte ihn "seelig-liebend an unter jedem Vorüberziehen,
iſt, wie einige Sterne durch Glaͤſer in Millionen zerfallen — die ihr, ſo veraͤnderlich in allen Ent¬ ſchluͤſſen, ſo unveraͤnderlich im edelſten, aus der Erde geht mit verkannten Wuͤnſchen, mit vergeſſenem Werthe, mit Augen voll Thraͤnen und Liebe, mit Herzen voll Tugend und Gram — euch theuern er¬ zaͤhl' ich gern den kleinen Traum und mein großes Buch! . . .
»Eine Hand, die Horion nicht ſah, faßte ihn an, »eine Lippe, die er nicht ſah, redete ihn an: dein »Herz ſey jetzt heilig und rein, denn der Genius »der weiblichen Tugend wohnt in dieſem Gefilde. » — Siehe da ſtand Horion auf einer mit Vergi߬ »meinnicht uͤberzognen Flur, woruͤber der Himmel, »wie ein blauer Schatten heruͤberſank: denn alle »Sterne waren aus ihm genommen, bloß der »Abendſtern ſtand einſam flimmernd oben an der »Stelle der Sonne. Weiße Eis-Pyramiden, ge¬ »ſtreift mit herunterrinnenden Abendroͤthen, umran¬ »gen wie mit einem Wall aus Gold- und Silberſtu¬ »fen das ganze dunkle Rund — — Darin ging »Klotilde, erhaben wie eine Verſtorbene, heiter wie »ein Menſch in der andern Welt, gefuͤhrt bald von »gefluͤgelten Kindern, bald von einer verſchleierten »Nonne, bald von einem ernſten Engel, aber ſie »ging ewig vor Horion voruͤber — ſie laͤchelte ihn »ſeelig-liebend an unter jedem Voruͤberziehen,
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iſt, wie einige Sterne durch Glaͤſer in Millionen
zerfallen — die ihr, ſo veraͤnderlich in allen Ent¬
ſchluͤſſen, ſo unveraͤnderlich im edelſten, aus der Erde
geht mit verkannten Wuͤnſchen, mit vergeſſenem
Werthe, mit Augen voll Thraͤnen und Liebe, mit
Herzen voll Tugend und Gram — euch theuern er¬
zaͤhl' ich gern den kleinen Traum und mein großes
Buch! . . .
»Eine Hand, die Horion nicht ſah, faßte ihn an,
»eine Lippe, die er nicht ſah, redete ihn an: dein
»Herz ſey jetzt heilig und rein, denn der Genius
»der weiblichen Tugend wohnt in dieſem Gefilde.
» — Siehe da ſtand Horion auf einer mit Vergi߬
»meinnicht uͤberzognen Flur, woruͤber der Himmel,
»wie ein blauer Schatten heruͤberſank: denn alle
»Sterne waren aus ihm genommen, bloß der
»Abendſtern ſtand einſam flimmernd oben an der
»Stelle der Sonne. Weiße Eis-Pyramiden, ge¬
»ſtreift mit herunterrinnenden Abendroͤthen, umran¬
»gen wie mit einem Wall aus Gold- und Silberſtu¬
»fen das ganze dunkle Rund — — Darin ging
»Klotilde, erhaben wie eine Verſtorbene, heiter wie
»ein Menſch in der andern Welt, gefuͤhrt bald von
»gefluͤgelten Kindern, bald von einer verſchleierten
»Nonne, bald von einem ernſten Engel, aber ſie
»ging ewig vor Horion voruͤber — ſie laͤchelte ihn
»ſeelig-liebend an unter jedem Voruͤberziehen,
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/79>, abgerufen am 21.11.2024.
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