Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

"höhere Liebe, worin andre deutsche Genies wie in
"heiligen Strahlen glänzen" und er würde sich dazu
auf die "Wiener Skizzen", auf "Faustin" auf "Blu¬
mauer" und auf den "Wiener Musenalmanach" be¬
rufen. Diesen Tadel würde selber ein Wiener nütz¬
lichst acceptiren und uns fragen, ob wir einen Mu¬
senalmanach (wie er) mit einem Zoten-Sediment
aufzuweisen haben, worauf man setzen könnte "mit
Approbazion des Bordels." -- Dieses Gefühl des
litterarischen Unterschiedes nöthigte sogar einen Ni¬
kolai, der sonst kein besonderer Amoroso der Wie¬
ner Autoren ist, in seiner Allg. deutsch. Biblio¬
thek eine besondere Seitenloge für diese einzubauen,
da er doch Leipziger, Berliner Autoren in Ein Par¬
terre zusammenwirft. Auf ähnliche Art sah ich in
Baiern, daß an dem Galgen ausser dem gewöhnlichen
Balken für die drei christlichen Konfessionsverwand¬
ten, noch ein besonderer schismatischer Queerpfosten
angebracht war, an dem blos die Judenschaft gehef¬
tet wurde.

Der Flachsenfinger weiß, daß an Poeten nichts
ist und springt in Büchern, wo Versebäche durch die
Prose laufen, über die Bäche hinweg, wie gewisse
Leute spät in die Kirche gehen, um dem Singen zu
entweichen. Er ist ein treuer Diener des Staats,
dem bekannt ist, wozu die poetische goldne Ader beim
Revisions-Kommissions-Relazions-Enrollirungswe¬

»hoͤhere Liebe, worin andre deutſche Genies wie in
»heiligen Strahlen glaͤnzen» und er wuͤrde ſich dazu
auf die »Wiener Skizzen», auf »Fauſtin» auf «Blu¬
mauer» und auf den »Wiener Muſenalmanach» be¬
rufen. Dieſen Tadel wuͤrde ſelber ein Wiener nuͤtz¬
lichſt acceptiren und uns fragen, ob wir einen Mu¬
ſenalmanach (wie er) mit einem Zoten-Sediment
aufzuweiſen haben, worauf man ſetzen koͤnnte »mit
Approbazion des Bordels.» — Dieſes Gefuͤhl des
litterariſchen Unterſchiedes noͤthigte ſogar einen Ni¬
kolai, der ſonſt kein beſonderer Amoroſo der Wie¬
ner Autoren iſt, in ſeiner Allg. deutſch. Biblio¬
thek eine beſondere Seitenloge fuͤr dieſe einzubauen,
da er doch Leipziger, Berliner Autoren in Ein Par¬
terre zuſammenwirft. Auf aͤhnliche Art ſah ich in
Baiern, daß an dem Galgen auſſer dem gewoͤhnlichen
Balken fuͤr die drei chriſtlichen Konfeſſionsverwand¬
ten, noch ein beſonderer ſchismatiſcher Queerpfoſten
angebracht war, an dem blos die Judenſchaft gehef¬
tet wurde.

Der Flachſenfinger weiß, daß an Poeten nichts
iſt und ſpringt in Buͤchern, wo Verſebaͤche durch die
Proſe laufen, uͤber die Baͤche hinweg, wie gewiſſe
Leute ſpaͤt in die Kirche gehen, um dem Singen zu
entweichen. Er iſt ein treuer Diener des Staats,
dem bekannt iſt, wozu die poetiſche goldne Ader beim
Reviſions-Kommiſſions-Relazions-Enrollirungswe¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0071" n="61"/>
»ho&#x0364;here Liebe, worin andre deut&#x017F;che Genies wie in<lb/>
»heiligen Strahlen gla&#x0364;nzen» und er wu&#x0364;rde &#x017F;ich dazu<lb/>
auf die »Wiener Skizzen», auf »Fau&#x017F;tin» auf «Blu¬<lb/>
mauer» und auf den »Wiener Mu&#x017F;enalmanach» be¬<lb/>
rufen. Die&#x017F;en Tadel wu&#x0364;rde &#x017F;elber ein Wiener nu&#x0364;tz¬<lb/>
lich&#x017F;t acceptiren und uns fragen, ob wir einen Mu¬<lb/>
&#x017F;enalmanach (wie er) mit einem Zoten-Sediment<lb/>
aufzuwei&#x017F;en haben, worauf man &#x017F;etzen ko&#x0364;nnte »mit<lb/>
Approbazion des Bordels.» &#x2014; Die&#x017F;es Gefu&#x0364;hl des<lb/>
litterari&#x017F;chen Unter&#x017F;chiedes no&#x0364;thigte &#x017F;ogar einen Ni¬<lb/>
kolai, der &#x017F;on&#x017F;t kein be&#x017F;onderer Amoro&#x017F;o der Wie¬<lb/>
ner Autoren i&#x017F;t, in &#x017F;einer Allg. deut&#x017F;ch. Biblio¬<lb/>
thek eine be&#x017F;ondere Seitenloge fu&#x0364;r die&#x017F;e einzubauen,<lb/>
da er doch Leipziger, Berliner Autoren in Ein Par¬<lb/>
terre zu&#x017F;ammenwirft. Auf a&#x0364;hnliche Art &#x017F;ah ich in<lb/>
Baiern, daß an dem Galgen au&#x017F;&#x017F;er dem gewo&#x0364;hnlichen<lb/>
Balken fu&#x0364;r die drei chri&#x017F;tlichen Konfe&#x017F;&#x017F;ionsverwand¬<lb/>
ten, noch ein be&#x017F;onderer &#x017F;chismati&#x017F;cher Queerpfo&#x017F;ten<lb/>
angebracht war, an dem blos die Juden&#x017F;chaft gehef¬<lb/>
tet wurde.</p><lb/>
            <p>Der Flach&#x017F;enfinger weiß, daß an Poeten nichts<lb/>
i&#x017F;t und &#x017F;pringt in Bu&#x0364;chern, wo Ver&#x017F;eba&#x0364;che durch die<lb/>
Pro&#x017F;e laufen, u&#x0364;ber die Ba&#x0364;che hinweg, wie gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Leute &#x017F;pa&#x0364;t in die Kirche gehen, um dem Singen zu<lb/>
entweichen. Er i&#x017F;t ein treuer Diener des Staats,<lb/>
dem bekannt i&#x017F;t, wozu die poeti&#x017F;che goldne Ader beim<lb/>
Revi&#x017F;ions-Kommi&#x017F;&#x017F;ions-Relazions-Enrollirungswe¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0071] »hoͤhere Liebe, worin andre deutſche Genies wie in »heiligen Strahlen glaͤnzen» und er wuͤrde ſich dazu auf die »Wiener Skizzen», auf »Fauſtin» auf «Blu¬ mauer» und auf den »Wiener Muſenalmanach» be¬ rufen. Dieſen Tadel wuͤrde ſelber ein Wiener nuͤtz¬ lichſt acceptiren und uns fragen, ob wir einen Mu¬ ſenalmanach (wie er) mit einem Zoten-Sediment aufzuweiſen haben, worauf man ſetzen koͤnnte »mit Approbazion des Bordels.» — Dieſes Gefuͤhl des litterariſchen Unterſchiedes noͤthigte ſogar einen Ni¬ kolai, der ſonſt kein beſonderer Amoroſo der Wie¬ ner Autoren iſt, in ſeiner Allg. deutſch. Biblio¬ thek eine beſondere Seitenloge fuͤr dieſe einzubauen, da er doch Leipziger, Berliner Autoren in Ein Par¬ terre zuſammenwirft. Auf aͤhnliche Art ſah ich in Baiern, daß an dem Galgen auſſer dem gewoͤhnlichen Balken fuͤr die drei chriſtlichen Konfeſſionsverwand¬ ten, noch ein beſonderer ſchismatiſcher Queerpfoſten angebracht war, an dem blos die Judenſchaft gehef¬ tet wurde. Der Flachſenfinger weiß, daß an Poeten nichts iſt und ſpringt in Buͤchern, wo Verſebaͤche durch die Proſe laufen, uͤber die Baͤche hinweg, wie gewiſſe Leute ſpaͤt in die Kirche gehen, um dem Singen zu entweichen. Er iſt ein treuer Diener des Staats, dem bekannt iſt, wozu die poetiſche goldne Ader beim Reviſions-Kommiſſions-Relazions-Enrollirungswe¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/71
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/71>, abgerufen am 21.11.2024.