Helden nichts als ein Wort, um den Stiefvater zur Bitte für die Vokazion der Stieftochter zu bewegen, die der Held und der Vater so gern öfter sehen wollten -- und dem Stiefvater kostete es auch nur ein Wort bei der Fürstin, um seine und die fremde Bitte gewährt zu finden ... Klotilde wurde Hof¬ dame.
Sogleich daraus drang der Minister von Schleu¬ nes im Glückwünschungsschreiben den Viertels-Flü¬ gel seines Hauses Klotildens Eltern auf und war in der Epistel froh, "daß eine höhere Bitte die seinige mit so vielem Erfolge wiederholet hätte." -- Ich stelle diesen Edeln allen Weltleuten zum Muster auf; wiewohl sich jetzt alles im moralischen Sin¬ ne, wie die Wiener im heraldischen, edel schreibt.
Viktor, der mit seinen Seelenaugen den ganzen Tag dem Kammerherrn ins Fenster guckte, konnte es kaum erwarten, Klotilde erstlich in St. Lüne zu sehen und zweitens am Hofe. Er verschob die Vi¬ site von Tag zu Tag -- und machte sie von Nacht zu Nacht im Traume. Nicht einmal die Visitenkarte -- seinen Brief an den Pfarrer -- hatt' er fortge¬ schickt: er wollt' ihn nicht nur selber bringen, sondern auch gar unterschlagen. Aber diesen letztern Gedanken -- den Brief zu unterdrücken, etwan Klotilde diese
Helden nichts als ein Wort, um den Stiefvater zur Bitte fuͤr die Vokazion der Stieftochter zu bewegen, die der Held und der Vater ſo gern oͤfter ſehen wollten — und dem Stiefvater koſtete es auch nur ein Wort bei der Fuͤrſtin, um ſeine und die fremde Bitte gewaͤhrt zu finden ... Klotilde wurde Hof¬ dame.
Sogleich daraus drang der Miniſter von Schleu¬ nes im Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben den Viertels-Fluͤ¬ gel ſeines Hauſes Klotildens Eltern auf und war in der Epiſtel froh, »daß eine hoͤhere Bitte die ſeinige mit ſo vielem Erfolge wiederholet haͤtte.» — Ich ſtelle dieſen Edeln allen Weltleuten zum Muſter auf; wiewohl ſich jetzt alles im moraliſchen Sin¬ ne, wie die Wiener im heraldiſchen, edel ſchreibt.
Viktor, der mit ſeinen Seelenaugen den ganzen Tag dem Kammerherrn ins Fenſter guckte, konnte es kaum erwarten, Klotilde erſtlich in St. Luͤne zu ſehen und zweitens am Hofe. Er verſchob die Vi¬ ſite von Tag zu Tag — und machte ſie von Nacht zu Nacht im Traume. Nicht einmal die Viſitenkarte — ſeinen Brief an den Pfarrer — hatt' er fortge¬ ſchickt: er wollt' ihn nicht nur ſelber bringen, ſondern auch gar unterſchlagen. Aber dieſen letztern Gedanken — den Brief zu unterdruͤcken, etwan Klotilde dieſe
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Helden nichts als ein Wort, um den Stiefvater zur
Bitte fuͤr die Vokazion der Stieftochter zu bewegen,
die der Held und der Vater ſo gern oͤfter ſehen
wollten — und dem Stiefvater koſtete es auch nur
ein Wort bei der Fuͤrſtin, um ſeine und die fremde
Bitte gewaͤhrt zu finden ... Klotilde wurde Hof¬
dame.
Sogleich daraus drang der Miniſter von Schleu¬
nes im Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben den Viertels-Fluͤ¬
gel ſeines Hauſes Klotildens Eltern auf und war in
der Epiſtel froh, »daß eine hoͤhere Bitte die ſeinige
mit ſo vielem Erfolge wiederholet haͤtte.» —
Ich ſtelle dieſen Edeln allen Weltleuten zum Muſter
auf; wiewohl ſich jetzt alles im moraliſchen Sin¬
ne, wie die Wiener im heraldiſchen, edel
ſchreibt.
Viktor, der mit ſeinen Seelenaugen den ganzen
Tag dem Kammerherrn ins Fenſter guckte, konnte
es kaum erwarten, Klotilde erſtlich in St. Luͤne zu
ſehen und zweitens am Hofe. Er verſchob die Vi¬
ſite von Tag zu Tag — und machte ſie von Nacht
zu Nacht im Traume. Nicht einmal die Viſitenkarte
— ſeinen Brief an den Pfarrer — hatt' er fortge¬
ſchickt: er wollt' ihn nicht nur ſelber bringen, ſondern
auch gar unterſchlagen. Aber dieſen letztern Gedanken
— den Brief zu unterdruͤcken, etwan Klotilde dieſe
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/66>, abgerufen am 21.11.2024.
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