"kannt! -- Ich will ihr zu Füßen sinken und meine "unaussprechliche Liebe bekennen. -- Sie kann nicht "zürnen; ich begehre ja nicht ihr heiliges Herz, das "keiner verdient, ich will ja nur sagen: meines ver¬ "gisset dich nie, aber es verlanget deines nicht, es "will nur sanfter brechen, wenn es vor dir gezittert "und geblutet und geweinet und gesprochen hat" ..
Und nahe hinter diesem Gedanken kam Klotilde selber zu ihm an der Hand ihrer Stiefmutter und das von der Wärme wie Rosen von der Sonne ent¬ färbte Angesicht, die kränkern müden Züge thaten die stille Bitte, in die frische Luft und nach Haus zu kommen.
Sie fuhr; die Stiefmutter entfernt hinter ihr. -- Welcher Tausch der Bühnen! -- Unter dem Mor¬ genthor des Himmels stand der Mond, der den Lei¬ chenschleier aus Gewölk abgehoben hatte von der Milchstraße und von dem ganzen blauen Abgrund. -- Er trug allmählig einen Grund von Silber auf und zeichnete mit Schatten und Blitzen ein rücken¬ des Nachtstück hinein. -- Sein Licht schien der Frost in Körper zu verdichten, in weiße Auen, in tau¬ melnde Ströme, in schwebende Flocken, es hing blitzend als weißes Blütenlaub in den Gebüschen, es glimmte die östlichen Berge hinauf, die die Son¬ ne in Eißspiegel gegoßen hatte. -- Und alles über dem Menschen und um den Menschen war erhaben¬
»kannt! — Ich will ihr zu Fuͤßen ſinken und meine »unausſprechliche Liebe bekennen. — Sie kann nicht »zuͤrnen; ich begehre ja nicht ihr heiliges Herz, das »keiner verdient, ich will ja nur ſagen: meines ver¬ »giſſet dich nie, aber es verlanget deines nicht, es »will nur ſanfter brechen, wenn es vor dir gezittert »und geblutet und geweinet und geſprochen hat» ..
Und nahe hinter dieſem Gedanken kam Klotilde ſelber zu ihm an der Hand ihrer Stiefmutter und das von der Waͤrme wie Roſen von der Sonne ent¬ faͤrbte Angeſicht, die kraͤnkern muͤden Zuͤge thaten die ſtille Bitte, in die friſche Luft und nach Haus zu kommen.
Sie fuhr; die Stiefmutter entfernt hinter ihr. — Welcher Tauſch der Buͤhnen! — Unter dem Mor¬ genthor des Himmels ſtand der Mond, der den Lei¬ chenſchleier aus Gewoͤlk abgehoben hatte von der Milchſtraße und von dem ganzen blauen Abgrund. — Er trug allmaͤhlig einen Grund von Silber auf und zeichnete mit Schatten und Blitzen ein ruͤcken¬ des Nachtſtuͤck hinein. — Sein Licht ſchien der Froſt in Koͤrper zu verdichten, in weiße Auen, in tau¬ melnde Stroͤme, in ſchwebende Flocken, es hing blitzend als weißes Bluͤtenlaub in den Gebuͤſchen, es glimmte die oͤſtlichen Berge hinauf, die die Son¬ ne in Eißſpiegel gegoßen hatte. — Und alles uͤber dem Menſchen und um den Menſchen war erhaben¬
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»kannt! — Ich will ihr zu Fuͤßen ſinken und meine
»unausſprechliche Liebe bekennen. — Sie kann nicht
»zuͤrnen; ich begehre ja nicht ihr heiliges Herz, das
»keiner verdient, ich will ja nur ſagen: meines ver¬
»giſſet dich nie, aber es verlanget deines nicht, es
»will nur ſanfter brechen, wenn es vor dir gezittert
»und geblutet und geweinet und geſprochen hat» ..
Und nahe hinter dieſem Gedanken kam Klotilde
ſelber zu ihm an der Hand ihrer Stiefmutter und
das von der Waͤrme wie Roſen von der Sonne ent¬
faͤrbte Angeſicht, die kraͤnkern muͤden Zuͤge thaten
die ſtille Bitte, in die friſche Luft und nach Haus
zu kommen.
Sie fuhr; die Stiefmutter entfernt hinter ihr.
— Welcher Tauſch der Buͤhnen! — Unter dem Mor¬
genthor des Himmels ſtand der Mond, der den Lei¬
chenſchleier aus Gewoͤlk abgehoben hatte von der
Milchſtraße und von dem ganzen blauen Abgrund.
— Er trug allmaͤhlig einen Grund von Silber auf
und zeichnete mit Schatten und Blitzen ein ruͤcken¬
des Nachtſtuͤck hinein. — Sein Licht ſchien der Froſt
in Koͤrper zu verdichten, in weiße Auen, in tau¬
melnde Stroͤme, in ſchwebende Flocken, es hing
blitzend als weißes Bluͤtenlaub in den Gebuͤſchen,
es glimmte die oͤſtlichen Berge hinauf, die die Son¬
ne in Eißſpiegel gegoßen hatte. — Und alles uͤber
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/390>, abgerufen am 23.11.2024.
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