Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

diese Farbe heute dieser schwarzen Magie eine wehr¬
lose Seele, ein entzündetes Auge mitbrachte, wurde
blas und verwirrt über das aufgehellte Angesicht
Klotildens, über das der Zug eines herabgeregneten
Kummers so wie ein Regenbogen über den hellen
blauen Himmel schwebte. Es war nicht die Heiter¬
keit der Zerstreuung -- die jedes Mädgen durch das
Ankleiden bekömmt -- sondern die Heiterkeit der
frommen Seele voll Geduld und Liebe. Er besorgte,
in zweierlei Disteln zu treten, in die gemahlten des
Fußbodens, über die er immer wegschritt, und in
die satirischen der feinen Beobachter um ihn, an die
er sich immer stieß. Ihre Stiefmutter war noch
über der Stuckatur und Appretur ihres Madensacks
und der Evangelist war in ihrem Toilette-Zimmer
als Putz-Meßhelfer und Kollaborator. Daher hatte
Klotilde noch Zeit, den Mundharmonisten zu hören;
und der Kammerherr bot sich der Tochter und mei¬
nem Helden -- denn er war ein Vater von Lebens¬
art gegen seine Tochter -- zu einem Theil des Au¬
ditoriums an, ob er gleich aus der Musik sich we¬
nig machte, Tafel- und Ball Musik ausgenommen.

Viktor sah jetzt aus Klotildens Freude über den
mitgebrachten Musiker erst wie unison ihr harmoni¬
sches Herz mit den Saiten zittere; überhaupt wurd'
er oft über sie irre, weil sie -- wie Du, Theuer¬
ster ** -- sowohl ihr höchstes Lob durch Schweigen

dieſe Farbe heute dieſer ſchwarzen Magie eine wehr¬
loſe Seele, ein entzuͤndetes Auge mitbrachte, wurde
blas und verwirrt uͤber das aufgehellte Angeſicht
Klotildens, uͤber das der Zug eines herabgeregneten
Kummers ſo wie ein Regenbogen uͤber den hellen
blauen Himmel ſchwebte. Es war nicht die Heiter¬
keit der Zerſtreuung — die jedes Maͤdgen durch das
Ankleiden bekoͤmmt — ſondern die Heiterkeit der
frommen Seele voll Geduld und Liebe. Er beſorgte,
in zweierlei Diſteln zu treten, in die gemahlten des
Fußbodens, uͤber die er immer wegſchritt, und in
die ſatiriſchen der feinen Beobachter um ihn, an die
er ſich immer ſtieß. Ihre Stiefmutter war noch
uͤber der Stuckatur und Appretur ihres Madenſacks
und der Evangeliſt war in ihrem Toilette-Zimmer
als Putz-Meßhelfer und Kollaborator. Daher hatte
Klotilde noch Zeit, den Mundharmoniſten zu hoͤren;
und der Kammerherr bot ſich der Tochter und mei¬
nem Helden — denn er war ein Vater von Lebens¬
art gegen ſeine Tochter — zu einem Theil des Au¬
ditoriums an, ob er gleich aus der Muſik ſich we¬
nig machte, Tafel- und Ball Muſik ausgenommen.

Viktor ſah jetzt aus Klotildens Freude uͤber den
mitgebrachten Muſiker erſt wie uniſon ihr harmoni¬
ſches Herz mit den Saiten zittere; uͤberhaupt wurd'
er oft uͤber ſie irre, weil ſie — wie Du, Theuer¬
ſter ** — ſowohl ihr hoͤchſtes Lob durch Schweigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0375" n="365"/>
die&#x017F;e Farbe heute die&#x017F;er &#x017F;chwarzen Magie eine wehr¬<lb/>
lo&#x017F;e Seele, ein entzu&#x0364;ndetes Auge mitbrachte, wurde<lb/>
blas und verwirrt u&#x0364;ber das aufgehellte Ange&#x017F;icht<lb/>
Klotildens, u&#x0364;ber das der Zug eines herabgeregneten<lb/>
Kummers &#x017F;o wie ein Regenbogen u&#x0364;ber den hellen<lb/>
blauen Himmel &#x017F;chwebte. Es war nicht die Heiter¬<lb/>
keit der Zer&#x017F;treuung &#x2014; die jedes Ma&#x0364;dgen durch das<lb/>
Ankleiden beko&#x0364;mmt &#x2014; &#x017F;ondern die Heiterkeit der<lb/>
frommen Seele voll Geduld und Liebe. Er be&#x017F;orgte,<lb/>
in zweierlei Di&#x017F;teln zu treten, in die gemahlten des<lb/>
Fußbodens, u&#x0364;ber die er immer weg&#x017F;chritt, und in<lb/>
die &#x017F;atiri&#x017F;chen der feinen Beobachter um ihn, an die<lb/>
er &#x017F;ich immer &#x017F;tieß. Ihre Stiefmutter war noch<lb/>
u&#x0364;ber der Stuckatur und Appretur ihres Maden&#x017F;acks<lb/>
und der Evangeli&#x017F;t war in ihrem Toilette-Zimmer<lb/>
als Putz-Meßhelfer und Kollaborator. Daher hatte<lb/>
Klotilde noch Zeit, den Mundharmoni&#x017F;ten zu ho&#x0364;ren;<lb/>
und der Kammerherr bot &#x017F;ich der Tochter und mei¬<lb/>
nem Helden &#x2014; denn er war ein Vater von Lebens¬<lb/>
art gegen &#x017F;eine Tochter &#x2014; zu einem Theil des Au¬<lb/>
ditoriums an, ob er gleich aus der Mu&#x017F;ik &#x017F;ich we¬<lb/>
nig machte, Tafel- und Ball Mu&#x017F;ik ausgenommen.</p><lb/>
            <p>Viktor &#x017F;ah jetzt aus Klotildens Freude u&#x0364;ber den<lb/>
mitgebrachten Mu&#x017F;iker er&#x017F;t wie uni&#x017F;on ihr harmoni¬<lb/>
&#x017F;ches Herz mit den Saiten zittere; u&#x0364;berhaupt wurd'<lb/>
er oft u&#x0364;ber &#x017F;ie irre, weil &#x017F;ie &#x2014; wie Du, Theuer¬<lb/>
&#x017F;ter ** &#x2014; &#x017F;owohl ihr ho&#x0364;ch&#x017F;tes Lob durch Schweigen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0375] dieſe Farbe heute dieſer ſchwarzen Magie eine wehr¬ loſe Seele, ein entzuͤndetes Auge mitbrachte, wurde blas und verwirrt uͤber das aufgehellte Angeſicht Klotildens, uͤber das der Zug eines herabgeregneten Kummers ſo wie ein Regenbogen uͤber den hellen blauen Himmel ſchwebte. Es war nicht die Heiter¬ keit der Zerſtreuung — die jedes Maͤdgen durch das Ankleiden bekoͤmmt — ſondern die Heiterkeit der frommen Seele voll Geduld und Liebe. Er beſorgte, in zweierlei Diſteln zu treten, in die gemahlten des Fußbodens, uͤber die er immer wegſchritt, und in die ſatiriſchen der feinen Beobachter um ihn, an die er ſich immer ſtieß. Ihre Stiefmutter war noch uͤber der Stuckatur und Appretur ihres Madenſacks und der Evangeliſt war in ihrem Toilette-Zimmer als Putz-Meßhelfer und Kollaborator. Daher hatte Klotilde noch Zeit, den Mundharmoniſten zu hoͤren; und der Kammerherr bot ſich der Tochter und mei¬ nem Helden — denn er war ein Vater von Lebens¬ art gegen ſeine Tochter — zu einem Theil des Au¬ ditoriums an, ob er gleich aus der Muſik ſich we¬ nig machte, Tafel- und Ball Muſik ausgenommen. Viktor ſah jetzt aus Klotildens Freude uͤber den mitgebrachten Muſiker erſt wie uniſon ihr harmoni¬ ſches Herz mit den Saiten zittere; uͤberhaupt wurd' er oft uͤber ſie irre, weil ſie — wie Du, Theuer¬ ſter ** — ſowohl ihr hoͤchſtes Lob durch Schweigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/375
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/375>, abgerufen am 24.11.2024.