vergangne war, sie zu vergöttern, die künftige ist, sie zu verehren. Die erzürnten Drillinge glaubten be¬ sonders, die Religion und die Weiber wären bloß für den Staat. Viktors republikanische Gesinnun¬ gen waren ihnen ohnehin schon wegen seiner aristo¬ kratischen Verhältnisse zweideutig. Da er nun gar dazu setzte: die Staatenfreiheit habe mit den kleinern Abgaben, mit größerer Sicherheit des Eigenthums, mit besserem Wohlleben, kurz mit der Steigerung des sinnlichen Glücks gar nichts zu schaffen, alles das wohne oft noch reichlicher in Monarchien und das, wofür man Eigenthum und Leben opfere, müsse doch etwas höheres seyn als Eigenthum und Leben -- da er ferner sagte: ein jeder Mensch von Kultur und Tugend lebe in einer repbulikanischen Regierungs¬ form trotz den Verhältnissen seines Leibes, so wie ja Gefangne in Demokratien doch die Rechte der Freiheit genießen -- und da er gar nicht sowohl für den Minister und das Oberhaus als für das englische Volk der Waffenträger und Kontradik¬ tor wurde, weil die Grundsätze von den ersten bei¬ den von jeher des letzten seine bekriegt und doch nicht bestimmt hätten: weil die jetzige Klage so alt wäre wie die (englische) Revolution; weil der Grund¬ riß der letztern nur in einer förmlichen Gegenrevolu¬ tion zerschlitzet werden könnte, weil alle Ungerechtig¬ keiten nach dem Schein der Gesetze begangen wür¬
vergangne war, ſie zu vergoͤttern, die kuͤnftige iſt, ſie zu verehren. Die erzuͤrnten Drillinge glaubten be¬ ſonders, die Religion und die Weiber waͤren bloß fuͤr den Staat. Viktors republikaniſche Geſinnun¬ gen waren ihnen ohnehin ſchon wegen ſeiner ariſto¬ kratiſchen Verhaͤltniſſe zweideutig. Da er nun gar dazu ſetzte: die Staatenfreiheit habe mit den kleinern Abgaben, mit groͤßerer Sicherheit des Eigenthums, mit beſſerem Wohlleben, kurz mit der Steigerung des ſinnlichen Gluͤcks gar nichts zu ſchaffen, alles das wohne oft noch reichlicher in Monarchien und das, wofuͤr man Eigenthum und Leben opfere, muͤſſe doch etwas hoͤheres ſeyn als Eigenthum und Leben — da er ferner ſagte: ein jeder Menſch von Kultur und Tugend lebe in einer repbulikaniſchen Regierungs¬ form trotz den Verhaͤltniſſen ſeines Leibes, ſo wie ja Gefangne in Demokratien doch die Rechte der Freiheit genießen — und da er gar nicht ſowohl fuͤr den Miniſter und das Oberhaus als fuͤr das engliſche Volk der Waffentraͤger und Kontradik¬ tor wurde, weil die Grundſaͤtze von den erſten bei¬ den von jeher des letzten ſeine bekriegt und doch nicht beſtimmt haͤtten: weil die jetzige Klage ſo alt waͤre wie die (engliſche) Revolution; weil der Grund¬ riß der letztern nur in einer foͤrmlichen Gegenrevolu¬ tion zerſchlitzet werden koͤnnte, weil alle Ungerechtig¬ keiten nach dem Schein der Geſetze begangen wuͤr¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0343"n="333"/>
vergangne war, ſie zu vergoͤttern, die kuͤnftige iſt, ſie<lb/>
zu verehren. Die erzuͤrnten Drillinge glaubten be¬<lb/>ſonders, die Religion und die Weiber waͤren bloß<lb/>
fuͤr den Staat. Viktors republikaniſche Geſinnun¬<lb/>
gen waren ihnen ohnehin ſchon wegen ſeiner ariſto¬<lb/>
kratiſchen Verhaͤltniſſe zweideutig. Da er nun gar<lb/>
dazu ſetzte: die Staatenfreiheit habe mit den kleinern<lb/>
Abgaben, mit groͤßerer Sicherheit des Eigenthums,<lb/>
mit beſſerem Wohlleben, kurz mit der Steigerung<lb/>
des ſinnlichen Gluͤcks gar nichts zu ſchaffen, alles das<lb/>
wohne oft noch reichlicher in Monarchien und das,<lb/>
wofuͤr man Eigenthum und Leben opfere, muͤſſe doch<lb/>
etwas hoͤheres ſeyn als Eigenthum und Leben — da<lb/>
er ferner ſagte: ein jeder Menſch von Kultur und<lb/>
Tugend lebe in einer repbulikaniſchen Regierungs¬<lb/>
form trotz den Verhaͤltniſſen ſeines Leibes, ſo wie ja<lb/><hirendition="#g">Gefangne in Demokratien</hi> doch die Rechte<lb/>
der Freiheit genießen — und da er gar nicht ſowohl<lb/>
fuͤr den Miniſter und das Oberhaus als fuͤr das<lb/>
engliſche Volk der Waffentraͤger und <hirendition="#g">Kontradik¬<lb/>
tor</hi> wurde, weil die Grundſaͤtze von den erſten bei¬<lb/>
den von jeher des letzten ſeine bekriegt und doch<lb/>
nicht beſtimmt haͤtten: weil die jetzige Klage ſo alt<lb/>
waͤre wie die (engliſche) Revolution; weil der Grund¬<lb/>
riß der letztern nur in einer foͤrmlichen Gegenrevolu¬<lb/>
tion zerſchlitzet werden koͤnnte, weil alle Ungerechtig¬<lb/>
keiten <hirendition="#g">nach</hi> dem <hirendition="#g">Schein</hi> der Geſetze begangen wuͤr¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[333/0343]
vergangne war, ſie zu vergoͤttern, die kuͤnftige iſt, ſie
zu verehren. Die erzuͤrnten Drillinge glaubten be¬
ſonders, die Religion und die Weiber waͤren bloß
fuͤr den Staat. Viktors republikaniſche Geſinnun¬
gen waren ihnen ohnehin ſchon wegen ſeiner ariſto¬
kratiſchen Verhaͤltniſſe zweideutig. Da er nun gar
dazu ſetzte: die Staatenfreiheit habe mit den kleinern
Abgaben, mit groͤßerer Sicherheit des Eigenthums,
mit beſſerem Wohlleben, kurz mit der Steigerung
des ſinnlichen Gluͤcks gar nichts zu ſchaffen, alles das
wohne oft noch reichlicher in Monarchien und das,
wofuͤr man Eigenthum und Leben opfere, muͤſſe doch
etwas hoͤheres ſeyn als Eigenthum und Leben — da
er ferner ſagte: ein jeder Menſch von Kultur und
Tugend lebe in einer repbulikaniſchen Regierungs¬
form trotz den Verhaͤltniſſen ſeines Leibes, ſo wie ja
Gefangne in Demokratien doch die Rechte
der Freiheit genießen — und da er gar nicht ſowohl
fuͤr den Miniſter und das Oberhaus als fuͤr das
engliſche Volk der Waffentraͤger und Kontradik¬
tor wurde, weil die Grundſaͤtze von den erſten bei¬
den von jeher des letzten ſeine bekriegt und doch
nicht beſtimmt haͤtten: weil die jetzige Klage ſo alt
waͤre wie die (engliſche) Revolution; weil der Grund¬
riß der letztern nur in einer foͤrmlichen Gegenrevolu¬
tion zerſchlitzet werden koͤnnte, weil alle Ungerechtig¬
keiten nach dem Schein der Geſetze begangen wuͤr¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/343>, abgerufen am 26.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.