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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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spält eh' er Flammen ausschüttet: mit kaltem Auge
und schlaffer Stimme und welker Stirne sprach er
einsilbig, vielsinnig, geprest, -- er sah die Wahrheit
nur in einem Brennspiegel und seine Dinte war eine
wegreissende Wasserhose. -- Der zweite Engländer
war ein Philosoph und Deutscher auf einmal. Den
ältern Kato, der zugleich den Mohrenkönig vorstellte,
kennt jeder. Es ist mir so lieb als wenn ich's selber
wäre, daß gerade mein Held durch eine größere hei¬
tere Besonnenheit der Denkfreiheit von ihnen allen
unterschieden war -- ich meine jenes sokratische helle
Auge, das frei über und durch den Garten der Bäu¬
me des Erkenntnisses umherblickt und das wählet
wie ein Mensch, anstatt daß andre vom Instinkt,
irgend einem Satze, irgend einem Apfel dieser Bäu¬
men ausschliessend zugetrieben werden wie jedes In¬
sekt seiner Frucht. Die moralische Freiheit wirkt
so gut auf unsre Meinungen als auf unsre Thaten;
und trotz der Entscheidungsgründe beim Verstande
und trotz der Bewegungsgründe beim Willen wählt
doch der Mensch sowohl sein System als sein Thun.

Daher wären die Drillinge beinahe noch vor dem
Abendessen kalt gegen Sebastian geworden im Lieben,
bloß weil er's war im Urtheilen. Er war heute mit
ihnen zum erstenmale in einem Falle, worin er mit
Flamin jeden Tag dreimal gerieth: gewisse Menschen

ſpaͤlt eh' er Flammen ausſchuͤttet: mit kaltem Auge
und ſchlaffer Stimme und welker Stirne ſprach er
einſilbig, vielſinnig, gepreſt, — er ſah die Wahrheit
nur in einem Brennſpiegel und ſeine Dinte war eine
wegreiſſende Waſſerhoſe. — Der zweite Englaͤnder
war ein Philoſoph und Deutſcher auf einmal. Den
aͤltern Kato, der zugleich den Mohrenkoͤnig vorſtellte,
kennt jeder. Es iſt mir ſo lieb als wenn ich's ſelber
waͤre, daß gerade mein Held durch eine groͤßere hei¬
tere Beſonnenheit der Denkfreiheit von ihnen allen
unterſchieden war — ich meine jenes ſokratiſche helle
Auge, das frei uͤber und durch den Garten der Baͤu¬
me des Erkenntniſſes umherblickt und das waͤhlet
wie ein Menſch, anſtatt daß andre vom Inſtinkt,
irgend einem Satze, irgend einem Apfel dieſer Baͤu¬
men ausſchlieſſend zugetrieben werden wie jedes In¬
ſekt ſeiner Frucht. Die moraliſche Freiheit wirkt
ſo gut auf unſre Meinungen als auf unſre Thaten;
und trotz der Entſcheidungsgruͤnde beim Verſtande
und trotz der Bewegungsgruͤnde beim Willen waͤhlt
doch der Menſch ſowohl ſein Syſtem als ſein Thun.

Daher waͤren die Drillinge beinahe noch vor dem
Abendeſſen kalt gegen Sebaſtian geworden im Lieben,
bloß weil er's war im Urtheilen. Er war heute mit
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Flamin jeden Tag dreimal gerieth: gewiſſe Menſchen

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[331/0341] ſpaͤlt eh' er Flammen ausſchuͤttet: mit kaltem Auge und ſchlaffer Stimme und welker Stirne ſprach er einſilbig, vielſinnig, gepreſt, — er ſah die Wahrheit nur in einem Brennſpiegel und ſeine Dinte war eine wegreiſſende Waſſerhoſe. — Der zweite Englaͤnder war ein Philoſoph und Deutſcher auf einmal. Den aͤltern Kato, der zugleich den Mohrenkoͤnig vorſtellte, kennt jeder. Es iſt mir ſo lieb als wenn ich's ſelber waͤre, daß gerade mein Held durch eine groͤßere hei¬ tere Beſonnenheit der Denkfreiheit von ihnen allen unterſchieden war — ich meine jenes ſokratiſche helle Auge, das frei uͤber und durch den Garten der Baͤu¬ me des Erkenntniſſes umherblickt und das waͤhlet wie ein Menſch, anſtatt daß andre vom Inſtinkt, irgend einem Satze, irgend einem Apfel dieſer Baͤu¬ men ausſchlieſſend zugetrieben werden wie jedes In¬ ſekt ſeiner Frucht. Die moraliſche Freiheit wirkt ſo gut auf unſre Meinungen als auf unſre Thaten; und trotz der Entſcheidungsgruͤnde beim Verſtande und trotz der Bewegungsgruͤnde beim Willen waͤhlt doch der Menſch ſowohl ſein Syſtem als ſein Thun. Daher waͤren die Drillinge beinahe noch vor dem Abendeſſen kalt gegen Sebaſtian geworden im Lieben, bloß weil er's war im Urtheilen. Er war heute mit ihnen zum erſtenmale in einem Falle, worin er mit Flamin jeden Tag dreimal gerieth: gewiſſe Menſchen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/341>, abgerufen am 24.11.2024.