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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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Er hatte etlichemal den Versuch gemacht, hin¬
über zu langen; aber da sie immer zu sprechen und
er immer zu antworten hatte, so gings nicht, wenn
er nicht seine Approximation an ihre Ohren verra¬
then wollte. Die Gespräche betrafen den Ball --
die Gegenwart und Krankheit ihrer Hofdame Klo¬
tilde -- die Vikariussin derselben, Joachime, über
deren Vokazion sich Viktor herzlich kalt ausdrückte:
er konnte es bei Agnola niemals über Hof-Nouvel¬
len hinaustreiben; sie schien alles Abstrakte und Me¬
taphysische zu hassen oder zu ignoriren und von Em¬
pfindungen mit ihr zu reden -- was er sonst bei
jeder am liebsten that und wozu ihm auch des Ge¬
mahls seine Anlaß und Stof genug gegeben hätten
-- kam ihm nicht viel besser vor, als sie gar zu
haben.

Als er seine kalte Antwort über die Koadjutorie
Joachimens gegeben hatte -- eine Kälte, die mit
seiner heutigen schwärmerischen gefühlvollen Wärme
für die Fürstin einen schmeichelhaften Kontrast mach¬
te: -- so wollt' er in die halbe Takt-Pause darauf,
welche Agnola mit Denken ausfüllte; die Aufhebung
des Vorhangs verlegen. Er stemmte die Hand auf,
hielt den Athem auf, zog den Vorhang auf -- aber
der H. Sebastian war dahinter, den ich schon oben
besagt. Der Heilige kam ihm noch schlimmer vor
als Maz -- nicht weil er dachte, das Portrait sey

Er hatte etlichemal den Verſuch gemacht, hin¬
uͤber zu langen; aber da ſie immer zu ſprechen und
er immer zu antworten hatte, ſo gings nicht, wenn
er nicht ſeine Approximation an ihre Ohren verra¬
then wollte. Die Geſpraͤche betrafen den Ball —
die Gegenwart und Krankheit ihrer Hofdame Klo¬
tilde — die Vikariuſſin derſelben, Joachime, uͤber
deren Vokazion ſich Viktor herzlich kalt ausdruͤckte:
er konnte es bei Agnola niemals uͤber Hof-Nouvel¬
len hinaustreiben; ſie ſchien alles Abſtrakte und Me¬
taphyſiſche zu haſſen oder zu ignoriren und von Em¬
pfindungen mit ihr zu reden — was er ſonſt bei
jeder am liebſten that und wozu ihm auch des Ge¬
mahls ſeine Anlaß und Stof genug gegeben haͤtten
— kam ihm nicht viel beſſer vor, als ſie gar zu
haben.

Als er ſeine kalte Antwort uͤber die Koadjutorie
Joachimens gegeben hatte — eine Kaͤlte, die mit
ſeiner heutigen ſchwaͤrmeriſchen gefuͤhlvollen Waͤrme
fuͤr die Fuͤrſtin einen ſchmeichelhaften Kontraſt mach¬
te: — ſo wollt' er in die halbe Takt-Pauſe darauf,
welche Agnola mit Denken ausfuͤllte; die Aufhebung
des Vorhangs verlegen. Er ſtemmte die Hand auf,
hielt den Athem auf, zog den Vorhang auf — aber
der H. Sebaſtian war dahinter, den ich ſchon oben
beſagt. Der Heilige kam ihm noch ſchlimmer vor
als Maz — nicht weil er dachte, das Portrait ſey

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[317/0327] Er hatte etlichemal den Verſuch gemacht, hin¬ uͤber zu langen; aber da ſie immer zu ſprechen und er immer zu antworten hatte, ſo gings nicht, wenn er nicht ſeine Approximation an ihre Ohren verra¬ then wollte. Die Geſpraͤche betrafen den Ball — die Gegenwart und Krankheit ihrer Hofdame Klo¬ tilde — die Vikariuſſin derſelben, Joachime, uͤber deren Vokazion ſich Viktor herzlich kalt ausdruͤckte: er konnte es bei Agnola niemals uͤber Hof-Nouvel¬ len hinaustreiben; ſie ſchien alles Abſtrakte und Me¬ taphyſiſche zu haſſen oder zu ignoriren und von Em¬ pfindungen mit ihr zu reden — was er ſonſt bei jeder am liebſten that und wozu ihm auch des Ge¬ mahls ſeine Anlaß und Stof genug gegeben haͤtten — kam ihm nicht viel beſſer vor, als ſie gar zu haben. Als er ſeine kalte Antwort uͤber die Koadjutorie Joachimens gegeben hatte — eine Kaͤlte, die mit ſeiner heutigen ſchwaͤrmeriſchen gefuͤhlvollen Waͤrme fuͤr die Fuͤrſtin einen ſchmeichelhaften Kontraſt mach¬ te: — ſo wollt' er in die halbe Takt-Pauſe darauf, welche Agnola mit Denken ausfuͤllte; die Aufhebung des Vorhangs verlegen. Er ſtemmte die Hand auf, hielt den Athem auf, zog den Vorhang auf — aber der H. Sebaſtian war dahinter, den ich ſchon oben beſagt. Der Heilige kam ihm noch ſchlimmer vor als Maz — nicht weil er dachte, das Portrait ſey

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/327>, abgerufen am 28.11.2024.