"ist's doch, er, daß mir mein Vater fast das¬ "selbe schreibt! -- Aber ein hübsches Gewirre von "Absichten! ich mache bey meinen Absichten auf die "Fürstin den Minister zu meinem Deckmantel und er "mich bei seinen auf den Fürsten zu dem seinigen." -- Das hätt' er ohne mich wissen sollen, daß böse Leute gute nie aus Liebe suchen, und daß Joachimens Herz nichts sey als ein Köder in der Hand des Mi¬ nisters; aber dichterische Menschen die immer die Fügel der Phantasie ausspannen, werden wie die Lerchen wegen ihrer ausgespreitzten Flügel, in Netzen festgehalten, die die weitesten Maschen haben, wodurch sonst ein glatter Vogelkörper glitte. Nur noch ein Wort: warum betrug sich Viktor ge¬ gen die besten Menschen, gegen Klotilde, seinen Va¬ ter etc. feiner, anständiger und schöner als der beste Weltmann; und gegen mittelmäßige und schlimme benahm er sich doch so links: warum? -- Weil er alles aus Neigung und Achtung that und nichts aus Eigennutz und Nachahmung; die Weltleute hingegen behaupten ein gleiches Betragen, weil sie es nie nach fremden Verdiensten, sondern nach eignen Ab¬ sichten abformen. Daher gab ihm sein Vater auf der Insel unter den Lebensregeln -- die überhaupt eine feine versteckte Weissagung von seinen Fehlern und Begebenheiten waren -- diese mit: man begeht
»iſt's doch, er, daß mir mein Vater faſt daſ¬ »ſelbe ſchreibt! — Aber ein huͤbſches Gewirre von »Abſichten! ich mache bey meinen Abſichten auf die »Fuͤrſtin den Miniſter zu meinem Deckmantel und er »mich bei ſeinen auf den Fuͤrſten zu dem ſeinigen.» — Das haͤtt' er ohne mich wiſſen ſollen, daß boͤſe Leute gute nie aus Liebe ſuchen, und daß Joachimens Herz nichts ſey als ein Koͤder in der Hand des Mi¬ niſters; aber dichteriſche Menſchen die immer die Fuͤgel der Phantaſie auſſpannen, werden wie die Lerchen wegen ihrer ausgeſpreitzten Fluͤgel, in Netzen feſtgehalten, die die weiteſten Maſchen haben, wodurch ſonſt ein glatter Vogelkoͤrper glitte. Nur noch ein Wort: warum betrug ſich Viktor ge¬ gen die beſten Menſchen, gegen Klotilde, ſeinen Va¬ ter ꝛc. feiner, anſtaͤndiger und ſchoͤner als der beſte Weltmann; und gegen mittelmaͤßige und ſchlimme benahm er ſich doch ſo links: warum? — Weil er alles aus Neigung und Achtung that und nichts aus Eigennutz und Nachahmung; die Weltleute hingegen behaupten ein gleiches Betragen, weil ſie es nie nach fremden Verdienſten, ſondern nach eignen Ab¬ ſichten abformen. Daher gab ihm ſein Vater auf der Inſel unter den Lebensregeln — die uͤberhaupt eine feine verſteckte Weiſſagung von ſeinen Fehlern und Begebenheiten waren — dieſe mit: man begeht
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»iſt's doch, er, daß mir mein Vater faſt daſ¬
»ſelbe ſchreibt! — Aber ein huͤbſches Gewirre von
»Abſichten! ich mache bey meinen Abſichten auf die
»Fuͤrſtin den Miniſter zu meinem Deckmantel und er
»mich bei ſeinen auf den Fuͤrſten zu dem ſeinigen.»
— Das haͤtt' er ohne mich wiſſen ſollen, daß boͤſe
Leute gute nie aus Liebe ſuchen, und daß Joachimens
Herz nichts ſey als ein Koͤder in der Hand des Mi¬
niſters; aber dichteriſche Menſchen die immer die
Fuͤgel der Phantaſie auſſpannen, werden wie die
Lerchen wegen ihrer ausgeſpreitzten Fluͤgel, in
Netzen feſtgehalten, die die weiteſten Maſchen
haben, wodurch ſonſt ein glatter Vogelkoͤrper glitte.
Nur noch ein Wort: warum betrug ſich Viktor ge¬
gen die beſten Menſchen, gegen Klotilde, ſeinen Va¬
ter ꝛc. feiner, anſtaͤndiger und ſchoͤner als der beſte
Weltmann; und gegen mittelmaͤßige und ſchlimme
benahm er ſich doch ſo links: warum? — Weil er
alles aus Neigung und Achtung that und nichts aus
Eigennutz und Nachahmung; die Weltleute hingegen
behaupten ein gleiches Betragen, weil ſie es nie
nach fremden Verdienſten, ſondern nach eignen Ab¬
ſichten abformen. Daher gab ihm ſein Vater auf
der Inſel unter den Lebensregeln — die uͤberhaupt
eine feine verſteckte Weiſſagung von ſeinen Fehlern
und Begebenheiten waren — dieſe mit: man begeht
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/308>, abgerufen am 23.11.2024.
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