des Fürsten, und die chiragristischen Hände des Hof¬ apothekers die Winterstürme fortsetzten: da wars schon, sag ich, als auch Klotilde den Einfluß des Winters und ihrer verdoppelten Abgeschiedenheit von Zerstreuungen und ihres Umgangs mit ihren Phan¬ tasien jeden Tag heftiger empfand. . . . Wenn ich aufrichtig seyn soll: so mess' ich ihrer Abgeschieden¬ heit wenig, aber ihrem vom Wohlstand auferlegten Umgang mit dem edlen Maz, mit dem Schleunes¬ schen, mit andern kaltblütigen Amphibien alles bei: ein unschuldiges Herz muß in dem moralischen Frost¬ wetter, wie alabasterne Gartenstatuen im physischen, wenn jenes und wenn diese weiche einsaugende Adern haben, Risse bekommen und brechen.
So stands mit ihr an einem wichtigen Tage, wo er bei ihr die kleine Julia fand. Diesen geliebten Namen legte sie dem Kinde des Seniors bei, um ihre Trauersehnsucht nach ihrer todten Giulia durch einen ähnlichen Klang, durch den Nest eines Echo zu ernähren. "Dieser Trauerton (sagte Viktor bei "sich) ist ja für sie das willkommene ferne Rollen "des Leichenwagens der sie zu ihrer Jugendfreundin "holt; und ihre Erwartung eines ähnlichen Schick¬ "sals ist ja der traurigste Beweiß eines ähnlichen "Grams." Wenn noch etwas nöthig war, seine Freundschaft von aller Liebe zu reinigen: so wars dieses schnelle Entblättern einer so schönen Passions¬
des Fuͤrſten, und die chiragriſtiſchen Haͤnde des Hof¬ apothekers die Winterſtuͤrme fortſetzten: da wars ſchon, ſag ich, als auch Klotilde den Einfluß des Winters und ihrer verdoppelten Abgeſchiedenheit von Zerſtreuungen und ihres Umgangs mit ihren Phan¬ taſien jeden Tag heftiger empfand. . . . Wenn ich aufrichtig ſeyn ſoll: ſo meſſ' ich ihrer Abgeſchieden¬ heit wenig, aber ihrem vom Wohlſtand auferlegten Umgang mit dem edlen Maz, mit dem Schleunes¬ ſchen, mit andern kaltbluͤtigen Amphibien alles bei: ein unſchuldiges Herz muß in dem moraliſchen Froſt¬ wetter, wie alabaſterne Gartenſtatuen im phyſiſchen, wenn jenes und wenn dieſe weiche einſaugende Adern haben, Riſſe bekommen und brechen.
So ſtands mit ihr an einem wichtigen Tage, wo er bei ihr die kleine Julia fand. Dieſen geliebten Namen legte ſie dem Kinde des Seniors bei, um ihre Trauerſehnſucht nach ihrer todten Giulia durch einen aͤhnlichen Klang, durch den Neſt eines Echo zu ernaͤhren. »Dieſer Trauerton (ſagte Viktor bei »ſich) iſt ja fuͤr ſie das willkommene ferne Rollen »des Leichenwagens der ſie zu ihrer Jugendfreundin »holt; und ihre Erwartung eines aͤhnlichen Schick¬ »ſals iſt ja der traurigſte Beweiß eines aͤhnlichen »Grams.« Wenn noch etwas noͤthig war, ſeine Freundſchaft von aller Liebe zu reinigen: ſo wars dieſes ſchnelle Entblaͤttern einer ſo ſchoͤnen Paſſions¬
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des Fuͤrſten, und die chiragriſtiſchen Haͤnde des Hof¬
apothekers die Winterſtuͤrme fortſetzten: da wars
ſchon, ſag ich, als auch Klotilde den Einfluß des
Winters und ihrer verdoppelten Abgeſchiedenheit von
Zerſtreuungen und ihres Umgangs mit ihren Phan¬
taſien jeden Tag heftiger empfand. . . . Wenn ich
aufrichtig ſeyn ſoll: ſo meſſ' ich ihrer Abgeſchieden¬
heit wenig, aber ihrem vom Wohlſtand auferlegten
Umgang mit dem edlen Maz, mit dem Schleunes¬
ſchen, mit andern kaltbluͤtigen Amphibien alles bei:
ein unſchuldiges Herz muß in dem moraliſchen Froſt¬
wetter, wie alabaſterne Gartenſtatuen im phyſiſchen,
wenn jenes und wenn dieſe weiche einſaugende Adern
haben, Riſſe bekommen und brechen.
So ſtands mit ihr an einem wichtigen Tage, wo
er bei ihr die kleine Julia fand. Dieſen geliebten
Namen legte ſie dem Kinde des Seniors bei, um
ihre Trauerſehnſucht nach ihrer todten Giulia durch
einen aͤhnlichen Klang, durch den Neſt eines Echo
zu ernaͤhren. »Dieſer Trauerton (ſagte Viktor bei
»ſich) iſt ja fuͤr ſie das willkommene ferne Rollen
»des Leichenwagens der ſie zu ihrer Jugendfreundin
»holt; und ihre Erwartung eines aͤhnlichen Schick¬
»ſals iſt ja der traurigſte Beweiß eines aͤhnlichen
»Grams.« Wenn noch etwas noͤthig war, ſeine
Freundſchaft von aller Liebe zu reinigen: ſo wars
dieſes ſchnelle Entblaͤttern einer ſo ſchoͤnen Paſſions¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/261>, abgerufen am 24.11.2024.
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