Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.tern Herbstes; aber sind denn unsere Laster die Blü¬ Wenn sich ein Mönch des zehnten Jahrhunderts Unsere Wetterprophezeiungen aus der gegen¬ tern Herbſtes; aber ſind denn unſere Laſter die Bluͤ¬ Wenn ſich ein Moͤnch des zehnten Jahrhunderts Unſere Wetterprophezeiungen aus der gegen¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0248" n="238"/> tern Herbſtes; aber ſind denn unſere Laſter die Bluͤ¬<lb/> teknoſpen unſerer Tugenden und iſt der Erdfall ei¬<lb/> nes fortſinkenden Boͤſewichts denn nichts als eine<lb/> verborgne Himmelfarth deſſelben? — Und iſt im Le¬<lb/> ben eines Nero ein Zweck? dann koͤnnt' ich eben ſo<lb/> gut alles zuruͤckgeben und umkehren und Tugenden<lb/> zu Herzblaͤtter verſteckter Laſter machen: wenn man<lb/> aber wie mancher den Sprachmißbrauch ſo weit treibt,<lb/> daß man <hi rendition="#g">moraliſche</hi> Hoͤhe und Tiefe, wie die <hi rendition="#g">ge¬<lb/> ometriſche</hi>, nach dem <hi rendition="#g">Standort</hi> umkehret, wie<lb/><hi rendition="#g">poſitive</hi> und <hi rendition="#g">negative</hi> Groͤßen; wenn alſo alle<lb/> Gichtknoten, Fleckfieber und <hi rendition="#g">Blei</hi>- oder <hi rendition="#g">Silberko¬<lb/> liken</hi> des Menſchengeſchlechts nichts ſind als eine<lb/> andere Art von Wohlbefinden: ſo brauchen wir ja<lb/> nicht zu fragen, ob es je geneſen werde — es koͤnnte<lb/> ja dann in allen moͤglichen Krankheiten doch nichts<lb/> ſeyn als geſund.</p><lb/> <p>Wenn ſich ein Moͤnch des zehnten Jahrhunderts<lb/> ſchwermuͤthig eingeſchloſſen und uͤber die Erde, aber<lb/> nicht uͤber ihr Ende ſondern uͤber ihre Zukunft nach¬<lb/> gedacht haͤtte: waͤre nicht in ſeinen Traͤumen das<lb/> dreizehnte Jahrhundert ſchon ein helleres geweſen<lb/> und das achtzehnte bloß ein meliorirtes zehntes?</p><lb/> <p>Unſere Wetterprophezeiungen aus der <hi rendition="#g">gegen¬<lb/> waͤrtigen</hi> Temperatur ſind logiſch richtig und hiſto¬<lb/> riſch falſch, weil <hi rendition="#g">neue</hi> Zufaͤlle, ein Erdbeben, ein<lb/> Komet die Stroͤme des ganzen Dunſtkreiſes umwen¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0248]
tern Herbſtes; aber ſind denn unſere Laſter die Bluͤ¬
teknoſpen unſerer Tugenden und iſt der Erdfall ei¬
nes fortſinkenden Boͤſewichts denn nichts als eine
verborgne Himmelfarth deſſelben? — Und iſt im Le¬
ben eines Nero ein Zweck? dann koͤnnt' ich eben ſo
gut alles zuruͤckgeben und umkehren und Tugenden
zu Herzblaͤtter verſteckter Laſter machen: wenn man
aber wie mancher den Sprachmißbrauch ſo weit treibt,
daß man moraliſche Hoͤhe und Tiefe, wie die ge¬
ometriſche, nach dem Standort umkehret, wie
poſitive und negative Groͤßen; wenn alſo alle
Gichtknoten, Fleckfieber und Blei- oder Silberko¬
liken des Menſchengeſchlechts nichts ſind als eine
andere Art von Wohlbefinden: ſo brauchen wir ja
nicht zu fragen, ob es je geneſen werde — es koͤnnte
ja dann in allen moͤglichen Krankheiten doch nichts
ſeyn als geſund.
Wenn ſich ein Moͤnch des zehnten Jahrhunderts
ſchwermuͤthig eingeſchloſſen und uͤber die Erde, aber
nicht uͤber ihr Ende ſondern uͤber ihre Zukunft nach¬
gedacht haͤtte: waͤre nicht in ſeinen Traͤumen das
dreizehnte Jahrhundert ſchon ein helleres geweſen
und das achtzehnte bloß ein meliorirtes zehntes?
Unſere Wetterprophezeiungen aus der gegen¬
waͤrtigen Temperatur ſind logiſch richtig und hiſto¬
riſch falſch, weil neue Zufaͤlle, ein Erdbeben, ein
Komet die Stroͤme des ganzen Dunſtkreiſes umwen¬
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