Gränzen, daß er den ganzen Tag den Doktor -- nicht wegließ. Er muste mit ihm diniren -- soupi¬ ren -- reiten -- spielen. Im Schloß wars auszu¬ halten: es war nicht wie Nero's seines, eine Stadt in der Stadt, ein Flachsenfingen in Flachsenfingen, sondern blos eine Kaserne und eine Küche, voll Krie¬ ger und Köche. Denn vor jedes Briefgewölbe voll Schimmel, vor jede Stube, wo acht Demanten la¬ gen, vor jedes Thürschlos und vor jede Treppe war eine Bajonette mit dem daran gehefteten Schirm¬ und Schutzherrn gepflanzt. Die überkomplete Kü¬ chenmannschaft wohnte und heizte darinn, weil seine Durchlaucht beständig aß. Durch dieses beständige Essen wollt' er sich das Fasten erleichtern: denn er rührte -- weil's Kuhlpepper so haben wollte -- von drei Ritual-Mahlzeiten blutwenig an und konnte den Hofleuten, die seine Diät erhoben, nicht ganz widersprechen. Ein Uhrmacher aus London hatte ihn in dieser Mäßigkeit am meisten dadurch beyge¬ sprungen, daß er ihm eine Bedientenglocke nnd ein Feder-Werk verfertigte, dessen Zeiger auf einer grossen Scheibe unten im Domestikenzimmer stand: das Zifferblatt war statt der Stunden und Monats¬ tage mit Viktualien und Weinen gerändert. Jenner durfte nur klingeln und drücken: so wuste die Die¬ nerschaft sogleich, ob die Zunge und der Viktualien¬ zeiger auf Pasteten oder Burgunder weise. Da¬
Graͤnzen, daß er den ganzen Tag den Doktor — nicht wegließ. Er muſte mit ihm diniren — ſoupi¬ ren — reiten — ſpielen. Im Schloß wars auszu¬ halten: es war nicht wie Nero's ſeines, eine Stadt in der Stadt, ein Flachſenfingen in Flachſenfingen, ſondern blos eine Kaſerne und eine Kuͤche, voll Krie¬ ger und Koͤche. Denn vor jedes Briefgewoͤlbe voll Schimmel, vor jede Stube, wo acht Demanten la¬ gen, vor jedes Thuͤrſchlos und vor jede Treppe war eine Bajonette mit dem daran gehefteten Schirm¬ und Schutzherrn gepflanzt. Die uͤberkomplete Kuͤ¬ chenmannſchaft wohnte und heizte darinn, weil ſeine Durchlaucht beſtaͤndig aß. Durch dieſes beſtaͤndige Eſſen wollt' er ſich das Faſten erleichtern: denn er ruͤhrte — weil's Kuhlpepper ſo haben wollte — von drei Ritual-Mahlzeiten blutwenig an und konnte den Hofleuten, die ſeine Diaͤt erhoben, nicht ganz widerſprechen. Ein Uhrmacher aus London hatte ihn in dieſer Maͤßigkeit am meiſten dadurch beyge¬ ſprungen, daß er ihm eine Bedientenglocke nnd ein Feder-Werk verfertigte, deſſen Zeiger auf einer groſſen Scheibe unten im Domeſtikenzimmer ſtand: das Zifferblatt war ſtatt der Stunden und Monats¬ tage mit Viktualien und Weinen geraͤndert. Jenner durfte nur klingeln und druͤcken: ſo wuſte die Die¬ nerſchaft ſogleich, ob die Zunge und der Viktualien¬ zeiger auf Paſteten oder Burgunder weiſe. Da¬
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Graͤnzen, daß er den ganzen Tag den Doktor —
nicht wegließ. Er muſte mit ihm diniren — ſoupi¬
ren — reiten — ſpielen. Im Schloß wars auszu¬
halten: es war nicht wie Nero's ſeines, eine Stadt
in der Stadt, ein Flachſenfingen in Flachſenfingen,
ſondern blos eine Kaſerne und eine Kuͤche, voll Krie¬
ger und Koͤche. Denn vor jedes Briefgewoͤlbe voll
Schimmel, vor jede Stube, wo acht Demanten la¬
gen, vor jedes Thuͤrſchlos und vor jede Treppe war
eine Bajonette mit dem daran gehefteten Schirm¬
und Schutzherrn gepflanzt. Die uͤberkomplete Kuͤ¬
chenmannſchaft wohnte und heizte darinn, weil ſeine
Durchlaucht beſtaͤndig aß. Durch dieſes beſtaͤndige
Eſſen wollt' er ſich das Faſten erleichtern: denn er
ruͤhrte — weil's Kuhlpepper ſo haben wollte — von
drei Ritual-Mahlzeiten blutwenig an und konnte
den Hofleuten, die ſeine Diaͤt erhoben, nicht ganz
widerſprechen. Ein Uhrmacher aus London hatte
ihn in dieſer Maͤßigkeit am meiſten dadurch beyge¬
ſprungen, daß er ihm eine Bedientenglocke nnd ein
Feder-Werk verfertigte, deſſen Zeiger auf einer
groſſen Scheibe unten im Domeſtikenzimmer ſtand:
das Zifferblatt war ſtatt der Stunden und Monats¬
tage mit Viktualien und Weinen geraͤndert. Jenner
durfte nur klingeln und druͤcken: ſo wuſte die Die¬
nerſchaft ſogleich, ob die Zunge und der Viktualien¬
zeiger auf Paſteten oder Burgunder weiſe. Da¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/23>, abgerufen am 24.11.2024.
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