feine, spitzbübische, wichtige, intriguante Züge und Winke darin, so ists ohne mein Wissen und ich kann sie also dem Leser nicht anweisen mit einer Zeiger¬ stange oder ansagen mit einer Feuertrommel, sondern er selber -- weil er Hofgeschichten versteht -- muß wissen, was ich mit meinen Winken haben will, nicht ich.
Mit Joachimen wäre Viktor recht gut gefahren -- da er ihr alle Fehler, die er bei andern Weibern und nicht bei ihr antraf, als Tugenden in Rechnung brachte und da er sich mit ihrem Ich mehr assimi¬ lirte: denn die Fehler der Mädgen kommen wie Schokolade und Taback dem Gaumen anfangs desto toller vor, je besser sie ihm nachher schmecken -- er wäre gut gefahren, ohne zwei Ecksteine; aber die waren da. Der erste war -- denn ich will seine kleine Aergerniß über die kurze Dauer ihrer schönen Weihnachts-Empfindsamkeit nicht rechnen -- daß sie immer Klotilde tadelte, besonders ihre "affektirte" Tugend. Der zweite war, daß Klotilde sie eben so wenig suchte: Viktor konnte niemand lieben, den Klotilde nicht liebte. -- Und jetzt sind die Rennwo¬ chen und Visiten-Taranteltanzstunden Eines Men¬ schen zu Ende: aber ach die ganze Nachwelt muß noch dieselbe Linie der Narrheit und Jugend pas¬ siren.
Hesperus. II Th. O
feine, ſpitzbuͤbiſche, wichtige, intriguante Zuͤge und Winke darin, ſo iſts ohne mein Wiſſen und ich kann ſie alſo dem Leſer nicht anweiſen mit einer Zeiger¬ ſtange oder anſagen mit einer Feuertrommel, ſondern er ſelber — weil er Hofgeſchichten verſteht — muß wiſſen, was ich mit meinen Winken haben will, nicht ich.
Mit Joachimen waͤre Viktor recht gut gefahren — da er ihr alle Fehler, die er bei andern Weibern und nicht bei ihr antraf, als Tugenden in Rechnung brachte und da er ſich mit ihrem Ich mehr aſſimi¬ lirte: denn die Fehler der Maͤdgen kommen wie Schokolade und Taback dem Gaumen anfangs deſto toller vor, je beſſer ſie ihm nachher ſchmecken — er waͤre gut gefahren, ohne zwei Eckſteine; aber die waren da. Der erſte war — denn ich will ſeine kleine Aergerniß uͤber die kurze Dauer ihrer ſchoͤnen Weihnachts-Empfindſamkeit nicht rechnen — daß ſie immer Klotilde tadelte, beſonders ihre »affektirte« Tugend. Der zweite war, daß Klotilde ſie eben ſo wenig ſuchte: Viktor konnte niemand lieben, den Klotilde nicht liebte. — Und jetzt ſind die Rennwo¬ chen und Viſiten-Taranteltanzſtunden Eines Men¬ ſchen zu Ende: aber ach die ganze Nachwelt muß noch dieſelbe Linie der Narrheit und Jugend paſ¬ ſiren.
Heſperus. II Th. O
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feine, ſpitzbuͤbiſche, wichtige, intriguante Zuͤge und
Winke darin, ſo iſts ohne mein Wiſſen und ich kann
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ſtange oder anſagen mit einer Feuertrommel, ſondern
er ſelber — weil er Hofgeſchichten verſteht — muß
wiſſen, was ich mit meinen Winken haben will,
nicht ich.
Mit Joachimen waͤre Viktor recht gut gefahren
— da er ihr alle Fehler, die er bei andern Weibern
und nicht bei ihr antraf, als Tugenden in Rechnung
brachte und da er ſich mit ihrem Ich mehr aſſimi¬
lirte: denn die Fehler der Maͤdgen kommen wie
Schokolade und Taback dem Gaumen anfangs deſto
toller vor, je beſſer ſie ihm nachher ſchmecken — er
waͤre gut gefahren, ohne zwei Eckſteine; aber die
waren da. Der erſte war — denn ich will ſeine
kleine Aergerniß uͤber die kurze Dauer ihrer ſchoͤnen
Weihnachts-Empfindſamkeit nicht rechnen — daß
ſie immer Klotilde tadelte, beſonders ihre »affektirte«
Tugend. Der zweite war, daß Klotilde ſie eben ſo
wenig ſuchte: Viktor konnte niemand lieben, den
Klotilde nicht liebte. — Und jetzt ſind die Rennwo¬
chen und Viſiten-Taranteltanzſtunden Eines Men¬
ſchen zu Ende: aber ach die ganze Nachwelt muß
noch dieſelbe Linie der Narrheit und Jugend paſ¬
ſiren.
Heſperus. II Th. O
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/219>, abgerufen am 23.11.2024.
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