das Schauspiel wird erst im zweiten gegeben -- kommen und agiren heißet; und es trug sich etwas zu, was ich sogleich im folgenden Kapitel berichten werde, wenn ich in diesen auserzählet habe wie Vik¬ tor mit allen Leuten um sich stand.
Mit manchen eigentlich schlecht -- erstlich mit Klotilden. Sie wohnte zwar bei dem Minister -- als Hofdame hätte sie ins Paullinum gehört, allein der Fürst hatte es wegen der Leichtigkeit sie zu sehen so karten lassen -- aber sie war immer um die Für¬ stin, mit der sie bald ein ähnlicher Ernst und eine ähnliche Zurückhaltung verknüpfte. Ihre Gleichgül¬ tigkeit gegen einen, der mit ihr einen gemeinschaftli¬ chen Freund und Lehrer hatte, gab diesem Viktor eine noch größere, zumal da er wußte, sie müßte fühlen, daß in dieser kalten Berg- und Hofluft nur ein einziger obwohl schlechter Nelken-Absenker ihrer schönen Seele blühe, er nämlich. Auch mußte der Zwang des Wohlstandes, sie kalt anzuschauen, zur Gewohnheit werden. Am schlimmsten war's für ihn, daß sie gleichgültig war ohne Empfindlichkeit und kalt mit Achtung für ihn. Andere waren ganz toll über das "tugendhafte Phlegma dieser Pygmalions¬ "Statue." Der edle Maz nannte sie oft die hei¬ lige Jungfrau oder die Demoiselle Mutter Gottes. Es konstirt und erhellet ganz deutlich aus den von mir aufgeschlagnen Hunds-Manualakten, daß einige
das Schauſpiel wird erſt im zweiten gegeben — kommen und agiren heißet; und es trug ſich etwas zu, was ich ſogleich im folgenden Kapitel berichten werde, wenn ich in dieſen auserzaͤhlet habe wie Vik¬ tor mit allen Leuten um ſich ſtand.
Mit manchen eigentlich ſchlecht — erſtlich mit Klotilden. Sie wohnte zwar bei dem Miniſter — als Hofdame haͤtte ſie ins Paullinum gehoͤrt, allein der Fuͤrſt hatte es wegen der Leichtigkeit ſie zu ſehen ſo karten laſſen — aber ſie war immer um die Fuͤr¬ ſtin, mit der ſie bald ein aͤhnlicher Ernſt und eine aͤhnliche Zuruͤckhaltung verknuͤpfte. Ihre Gleichguͤl¬ tigkeit gegen einen, der mit ihr einen gemeinſchaftli¬ chen Freund und Lehrer hatte, gab dieſem Viktor eine noch groͤßere, zumal da er wußte, ſie muͤßte fuͤhlen, daß in dieſer kalten Berg- und Hofluft nur ein einziger obwohl ſchlechter Nelken-Abſenker ihrer ſchoͤnen Seele bluͤhe, er naͤmlich. Auch mußte der Zwang des Wohlſtandes, ſie kalt anzuſchauen, zur Gewohnheit werden. Am ſchlimmſten war's fuͤr ihn, daß ſie gleichguͤltig war ohne Empfindlichkeit und kalt mit Achtung fuͤr ihn. Andere waren ganz toll uͤber das »tugendhafte Phlegma dieſer Pygmalions¬ »Statue.« Der edle Maz nannte ſie oft die hei¬ lige Jungfrau oder die Demoiſelle Mutter Gottes. Es konſtirt und erhellet ganz deutlich aus den von mir aufgeſchlagnen Hunds-Manualakten, daß einige
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0217"n="207"/>
das Schauſpiel wird erſt im zweiten gegeben —<lb/>
kommen und agiren heißet; und es trug ſich etwas<lb/>
zu, was ich ſogleich im folgenden Kapitel berichten<lb/>
werde, wenn ich in dieſen auserzaͤhlet habe wie Vik¬<lb/>
tor mit allen Leuten um ſich ſtand.</p><lb/><p>Mit manchen eigentlich ſchlecht — erſtlich mit<lb/>
Klotilden. Sie wohnte zwar bei dem Miniſter —<lb/>
als Hofdame haͤtte ſie ins Paullinum gehoͤrt, allein<lb/>
der Fuͤrſt hatte es wegen der Leichtigkeit ſie zu ſehen<lb/>ſo karten laſſen — aber ſie war immer um die Fuͤr¬<lb/>ſtin, mit der ſie bald ein aͤhnlicher Ernſt und eine<lb/>
aͤhnliche Zuruͤckhaltung verknuͤpfte. Ihre Gleichguͤl¬<lb/>
tigkeit gegen einen, der mit ihr einen gemeinſchaftli¬<lb/>
chen Freund und Lehrer hatte, gab dieſem Viktor<lb/>
eine noch groͤßere, zumal da er wußte, ſie muͤßte<lb/>
fuͤhlen, daß in dieſer kalten Berg- und Hofluft nur<lb/>
ein einziger obwohl ſchlechter Nelken-Abſenker ihrer<lb/>ſchoͤnen Seele bluͤhe, er naͤmlich. Auch mußte der<lb/>
Zwang des Wohlſtandes, ſie kalt anzuſchauen, zur<lb/>
Gewohnheit werden. Am ſchlimmſten war's fuͤr ihn,<lb/>
daß ſie gleichguͤltig war ohne Empfindlichkeit und<lb/>
kalt mit <choice><sic>Achtnng</sic><corr>Achtung</corr></choice> fuͤr ihn. Andere waren ganz toll<lb/>
uͤber das »tugendhafte Phlegma dieſer Pygmalions¬<lb/>
»Statue.« Der edle Maz nannte ſie oft die <hirendition="#g">hei¬<lb/>
lige</hi> Jungfrau oder die Demoiſelle Mutter Gottes.<lb/>
Es konſtirt und erhellet ganz deutlich aus den von<lb/>
mir aufgeſchlagnen Hunds-Manualakten, daß einige<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[207/0217]
das Schauſpiel wird erſt im zweiten gegeben —
kommen und agiren heißet; und es trug ſich etwas
zu, was ich ſogleich im folgenden Kapitel berichten
werde, wenn ich in dieſen auserzaͤhlet habe wie Vik¬
tor mit allen Leuten um ſich ſtand.
Mit manchen eigentlich ſchlecht — erſtlich mit
Klotilden. Sie wohnte zwar bei dem Miniſter —
als Hofdame haͤtte ſie ins Paullinum gehoͤrt, allein
der Fuͤrſt hatte es wegen der Leichtigkeit ſie zu ſehen
ſo karten laſſen — aber ſie war immer um die Fuͤr¬
ſtin, mit der ſie bald ein aͤhnlicher Ernſt und eine
aͤhnliche Zuruͤckhaltung verknuͤpfte. Ihre Gleichguͤl¬
tigkeit gegen einen, der mit ihr einen gemeinſchaftli¬
chen Freund und Lehrer hatte, gab dieſem Viktor
eine noch groͤßere, zumal da er wußte, ſie muͤßte
fuͤhlen, daß in dieſer kalten Berg- und Hofluft nur
ein einziger obwohl ſchlechter Nelken-Abſenker ihrer
ſchoͤnen Seele bluͤhe, er naͤmlich. Auch mußte der
Zwang des Wohlſtandes, ſie kalt anzuſchauen, zur
Gewohnheit werden. Am ſchlimmſten war's fuͤr ihn,
daß ſie gleichguͤltig war ohne Empfindlichkeit und
kalt mit Achtung fuͤr ihn. Andere waren ganz toll
uͤber das »tugendhafte Phlegma dieſer Pygmalions¬
»Statue.« Der edle Maz nannte ſie oft die hei¬
lige Jungfrau oder die Demoiſelle Mutter Gottes.
Es konſtirt und erhellet ganz deutlich aus den von
mir aufgeſchlagnen Hunds-Manualakten, daß einige
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/217>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.