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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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Specifikation ist ein guter Modus. Nur muß
man wie ich ein Prokulianer seyn und glauben, daß
eine fremde Sache dem, der ihr eine andre Form er¬
theilt, zugehöre, z. B. mir die Hand, die ich durch
den Druck in eine andre Form gebracht.

Der seel. Siegwart sagte: confusio (Vermischung
der Thränen) ist mein Modus. Aber commixtio
(Vermischung trockner Sachen, z. B. der Finger,
der Haare) ist jetzt fast unser aller modus acqui¬
rendi
.

Ich wollt' einmal die ganze Sache nach der Lehre
von den Servituten, wo eine Frau tausend Dinge
zu leiden hat, behandeln, (wiewohl alle diese Servi¬
tuten durch die Konsolidation der Ehe gänzlich er¬
loschen); aber ich weiß die Lehre von den Servitu¬
ten selber nicht mehr recht und wollte lieber darin
examiniren als examinirt werden. -- --

Ich kehre zum Medikus zurück. Da er also
wußte, daß eine geküßte Hand ein Schenkungsbrief
der Wangen ist -- Die Wangen die Opfertafeln der
Lippen -- diese der Augen -- die Augen des Hal¬
ses: -- so wollt' er genau nach seinem Lehrbuch ver¬
fahren. Aber bei Joachimen, wie bei allen Gegen¬
füßlerinnen der Koketten, bahnte keine Gunstbe¬
zeugung der andern den Weg
, nicht einmal
die große der kleinen
, -- aus einem Vorzim¬
mer kam man ins andre -- und was sagte mein

Specifikation iſt ein guter Modus. Nur muß
man wie ich ein Prokulianer ſeyn und glauben, daß
eine fremde Sache dem, der ihr eine andre Form er¬
theilt, zugehoͤre, z. B. mir die Hand, die ich durch
den Druck in eine andre Form gebracht.

Der ſeel. Siegwart ſagte: confusio (Vermiſchung
der Thraͤnen) iſt mein Modus. Aber commixtio
(Vermiſchung trockner Sachen, z. B. der Finger,
der Haare) iſt jetzt faſt unſer aller modus acqui¬
rendi
.

Ich wollt' einmal die ganze Sache nach der Lehre
von den Servituten, wo eine Frau tauſend Dinge
zu leiden hat, behandeln, (wiewohl alle dieſe Servi¬
tuten durch die Konſolidation der Ehe gaͤnzlich er¬
loſchen); aber ich weiß die Lehre von den Servitu¬
ten ſelber nicht mehr recht und wollte lieber darin
examiniren als examinirt werden. — —

Ich kehre zum Medikus zuruͤck. Da er alſo
wußte, daß eine gekuͤßte Hand ein Schenkungsbrief
der Wangen iſt — Die Wangen die Opfertafeln der
Lippen — dieſe der Augen — die Augen des Hal¬
ſes: — ſo wollt' er genau nach ſeinem Lehrbuch ver¬
fahren. Aber bei Joachimen, wie bei allen Gegen¬
fuͤßlerinnen der Koketten, bahnte keine Gunſtbe¬
zeugung der andern den Weg
, nicht einmal
die große der kleinen
, — aus einem Vorzim¬
mer kam man ins andre — und was ſagte mein

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[167/0177] Specifikation iſt ein guter Modus. Nur muß man wie ich ein Prokulianer ſeyn und glauben, daß eine fremde Sache dem, der ihr eine andre Form er¬ theilt, zugehoͤre, z. B. mir die Hand, die ich durch den Druck in eine andre Form gebracht. Der ſeel. Siegwart ſagte: confusio (Vermiſchung der Thraͤnen) iſt mein Modus. Aber commixtio (Vermiſchung trockner Sachen, z. B. der Finger, der Haare) iſt jetzt faſt unſer aller modus acqui¬ rendi. Ich wollt' einmal die ganze Sache nach der Lehre von den Servituten, wo eine Frau tauſend Dinge zu leiden hat, behandeln, (wiewohl alle dieſe Servi¬ tuten durch die Konſolidation der Ehe gaͤnzlich er¬ loſchen); aber ich weiß die Lehre von den Servitu¬ ten ſelber nicht mehr recht und wollte lieber darin examiniren als examinirt werden. — — Ich kehre zum Medikus zuruͤck. Da er alſo wußte, daß eine gekuͤßte Hand ein Schenkungsbrief der Wangen iſt — Die Wangen die Opfertafeln der Lippen — dieſe der Augen — die Augen des Hal¬ ſes: — ſo wollt' er genau nach ſeinem Lehrbuch ver¬ fahren. Aber bei Joachimen, wie bei allen Gegen¬ fuͤßlerinnen der Koketten, bahnte keine Gunſtbe¬ zeugung der andern den Weg, nicht einmal die große der kleinen, — aus einem Vorzim¬ mer kam man ins andre — und was ſagte mein

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/177>, abgerufen am 24.11.2024.