"ganze Leben und die vorigen Güter und Gerüste "des Lebens in Trümmer zerschlagen voraus hinun¬ "terfallen, in jener Stunde wirst du über dein aus¬ "geleertes Leben hinschauen, es werden zwar keine "Kinder, kein Gatte, keine nassen Augen darin ste¬ "hen, aber in der leeren Dämmerung wird einsam "eine große, holde, englisch-lächelnde, strahlende, "göttliche und zu den Göttlichen aufsteigende Gestalt "schweben und dir winken, mit ihr aufzusteigen -- "o steige mit ihr auf, die Gestalt ist deine Tu¬ "gend." --
Ende des Extrablattes.
Einige Tage darauf gab die Fürstin dem Fürsten ein Augeen medaillon mit der schönen Wendung: sie gebe diese Votivtafel dem Heiligen (das paßte um so mehr, da der Fürst Januar hieß) der ihr sei¬ nen Wunderthäter zugeschickt und der das bekommt was er heilen lassen. Jenner sagte zu Viktor, dem er das Auge zeigte: "der H. Januar wird mit Ih¬ "nen, mit der h. Ottilia verwechselt" -- die be¬ kanntlich die Patronin ber Augen ist.
Viktor war froh, daß Matthieu zu ihm kam, um mit ihm nach St. Lüne zu gehen; denn dieser bat
»ganze Leben und die vorigen Guͤter und Geruͤſte »des Lebens in Truͤmmer zerſchlagen voraus hinun¬ »terfallen, in jener Stunde wirſt du uͤber dein aus¬ »geleertes Leben hinſchauen, es werden zwar keine »Kinder, kein Gatte, keine naſſen Augen darin ſte¬ »hen, aber in der leeren Daͤmmerung wird einſam »eine große, holde, engliſch-laͤchelnde, ſtrahlende, »goͤttliche und zu den Goͤttlichen aufſteigende Geſtalt »ſchweben und dir winken, mit ihr aufzuſteigen — »o ſteige mit ihr auf, die Geſtalt iſt deine Tu¬ »gend.« —
Ende des Extrablattes.
Einige Tage darauf gab die Fuͤrſtin dem Fuͤrſten ein Augeen medaillon mit der ſchoͤnen Wendung: ſie gebe dieſe Votivtafel dem Heiligen (das paßte um ſo mehr, da der Fuͤrſt Januar hieß) der ihr ſei¬ nen Wunderthaͤter zugeſchickt und der das bekommt was er heilen laſſen. Jenner ſagte zu Viktor, dem er das Auge zeigte: »der H. Januar wird mit Ih¬ »nen, mit der h. Ottilia verwechſelt« — die be¬ kanntlich die Patronin ber Augen iſt.
Viktor war froh, daß Matthieu zu ihm kam, um mit ihm nach St. Luͤne zu gehen; denn dieſer bat
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»ganze Leben und die vorigen Guͤter und Geruͤſte
»des Lebens in Truͤmmer zerſchlagen voraus hinun¬
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»geleertes Leben hinſchauen, es werden zwar keine
»Kinder, kein Gatte, keine naſſen Augen darin ſte¬
»hen, aber in der leeren Daͤmmerung wird einſam
»eine große, holde, engliſch-laͤchelnde, ſtrahlende,
»goͤttliche und zu den Goͤttlichen aufſteigende Geſtalt
»ſchweben und dir winken, mit ihr aufzuſteigen —
»o ſteige mit ihr auf, die Geſtalt iſt deine Tu¬
»gend.« —
Ende des Extrablattes.
Einige Tage darauf gab die Fuͤrſtin dem Fuͤrſten
ein Auge en medaillon mit der ſchoͤnen Wendung:
ſie gebe dieſe Votivtafel dem Heiligen (das paßte
um ſo mehr, da der Fuͤrſt Januar hieß) der ihr ſei¬
nen Wunderthaͤter zugeſchickt und der das bekommt
was er heilen laſſen. Jenner ſagte zu Viktor, dem
er das Auge zeigte: »der H. Januar wird mit Ih¬
»nen, mit der h. Ottilia verwechſelt« — die be¬
kanntlich die Patronin ber Augen iſt.
Viktor war froh, daß Matthieu zu ihm kam, um
mit ihm nach St. Luͤne zu gehen; denn dieſer bat
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/151>, abgerufen am 24.11.2024.
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