Viktors Krankenbesuche -- über töchtervolle Häuser -- die zwei Narren -- das Karoussel --
Folgende Anmerkung kömmt nicht aus dem Torni¬ ster des Hundes, sondern aus meinem eignen Kopf: man braucht kein Lobredner unserer Zeiten zu seyn, um mit Vergnügen zu sehen, daß jetzt Autoren, Fürsten, Weiber und alle die unähnlichen falschen Larven der Tugend (z. B. Bigotterie, Pietismus, zeremonielles Betragen) meistens abgelegt und dafür den ächten geschmackvollen Schein der Tugend gänzlich angenommen haben: diese Veredelung unse¬ rer Karaktermasken, wodurch wir das Aeußere der Tugend schöner treffen, ist mit einer ähnlichen des Theaters gleichzeitig, auf dem man nicht mehr wie sonst mit papiernen Kleidern und unächten Tref¬ fen, sondern mit ächten agirt und tragirt. --
"Sie wurden schon gestern von der Fürstin ver¬ "langt" sagte der Fürst zum Hofmedikus, da er mit seinem ausgeleerten Gesicht kaum eingetreten war. Die Augenentzündung Agnola's hatte durch das Herbstwetter, durch die Nachtfeste, durch Kuhl¬ peppers tapfere Hand und durch ihre eigne -- denn
21. Hundspoſttag.
Viktors Krankenbeſuche — über töchtervolle Häuſer — die zwei Narren — das Karouſſel —
Folgende Anmerkung koͤmmt nicht aus dem Torni¬ ſter des Hundes, ſondern aus meinem eignen Kopf: man braucht kein Lobredner unſerer Zeiten zu ſeyn, um mit Vergnuͤgen zu ſehen, daß jetzt Autoren, Fuͤrſten, Weiber und alle die unaͤhnlichen falſchen Larven der Tugend (z. B. Bigotterie, Pietismus, zeremonielles Betragen) meiſtens abgelegt und dafuͤr den aͤchten geſchmackvollen Schein der Tugend gaͤnzlich angenommen haben: dieſe Veredelung unſe¬ rer Karaktermasken, wodurch wir das Aeußere der Tugend ſchoͤner treffen, iſt mit einer aͤhnlichen des Theaters gleichzeitig, auf dem man nicht mehr wie ſonſt mit papiernen Kleidern und unaͤchten Tref¬ fen, ſondern mit aͤchten agirt und tragirt. —
»Sie wurden ſchon geſtern von der Fuͤrſtin ver¬ »langt« ſagte der Fuͤrſt zum Hofmedikus, da er mit ſeinem ausgeleerten Geſicht kaum eingetreten war. Die Augenentzuͤndung Agnola's hatte durch das Herbſtwetter, durch die Nachtfeſte, durch Kuhl¬ peppers tapfere Hand und durch ihre eigne — denn
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21. Hundspoſttag.
Viktors Krankenbeſuche — über töchtervolle Häuſer — die zwei
Narren — das Karouſſel —
Folgende Anmerkung koͤmmt nicht aus dem Torni¬
ſter des Hundes, ſondern aus meinem eignen Kopf:
man braucht kein Lobredner unſerer Zeiten zu ſeyn,
um mit Vergnuͤgen zu ſehen, daß jetzt Autoren,
Fuͤrſten, Weiber und alle die unaͤhnlichen falſchen
Larven der Tugend (z. B. Bigotterie, Pietismus,
zeremonielles Betragen) meiſtens abgelegt und dafuͤr
den aͤchten geſchmackvollen Schein der Tugend
gaͤnzlich angenommen haben: dieſe Veredelung unſe¬
rer Karaktermasken, wodurch wir das Aeußere der
Tugend ſchoͤner treffen, iſt mit einer aͤhnlichen des
Theaters gleichzeitig, auf dem man nicht mehr wie
ſonſt mit papiernen Kleidern und unaͤchten Tref¬
fen, ſondern mit aͤchten agirt und tragirt. —
»Sie wurden ſchon geſtern von der Fuͤrſtin ver¬
»langt« ſagte der Fuͤrſt zum Hofmedikus, da er
mit ſeinem ausgeleerten Geſicht kaum eingetreten
war. Die Augenentzuͤndung Agnola's hatte durch
das Herbſtwetter, durch die Nachtfeſte, durch Kuhl¬
peppers tapfere Hand und durch ihre eigne — denn
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/140>, abgerufen am 21.11.2024.
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