Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.baue wie mit einer Brust sein Herz gegen den Frost Du willst, aus liebender Bangigkeit für mein So überlaubt, so überblümt der Allgütige die baue wie mit einer Bruſt ſein Herz gegen den Froſt Du willſt, aus liebender Bangigkeit fuͤr mein So uͤberlaubt, ſo uͤberbluͤmt der Allguͤtige die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0117" n="107"/> baue wie mit einer Bruſt ſein Herz gegen den Froſt<lb/> und Sturm ſeines neuen Lebens ein — ſeine<lb/> Schmerzen und ſeine Entzuͤckungen muͤſſen nicht laut<lb/> ſeyn — er trauere ſanft und ſtill wie eine Fuͤrſtin<lb/> im ſanften Weiß, er genieße ſanft und ſtill und im<lb/> Tempel ſeines Herzens ſpielen die Luſtbarkeiten nur<lb/> wie ungehoͤrt irrende Schmetterlinge in einer Kirche<lb/> — und die Tugend ſchwebe vor ihm am Himmel<lb/> uͤber der Sonne und waͤrme und erhelle und ziehe<lb/> allmaͤhlig ſein Herz!</p><lb/> <p>Du willſt, aus liebender Bangigkeit fuͤr mein<lb/> entſinkendes Leben, nicht haben, daß ich oft ſchreibe;<lb/> ſo wenig glaubſt du, Lieber, meiner Hofnung. O<lb/> die ablaufenden Gewichte meiner Maſchine fallen<lb/> langſam und ſanft auf das Grab hinauf — dieſes<lb/> Erdenleben kleidet ſich in meiner Seele immer ſchoͤ¬<lb/> ner an und ſchmuͤckt ſich zum Abſchiede — dieſer<lb/> Nebenſommer um mich, der wie eine Nebenſonne<lb/> neben dem Auguſtſommer ſteht, und der kuͤnftige<lb/> Fruͤhling nehme mich der Natur ſchmeichelnd aus<lb/> den Armen. — —</p><lb/> <p>So uͤberlaubt, ſo uͤberbluͤmt der Allguͤtige die<lb/> Gottesackermauer des Lebens wie wir die Mauer ei¬<lb/> nes engliſchen Gartens, mit bedeckendem Epheu und<lb/> Immergruͤn und giebt dem Ende des Gartens den<lb/> Schein eines neuen Geſtraͤuchs. —</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0117]
baue wie mit einer Bruſt ſein Herz gegen den Froſt
und Sturm ſeines neuen Lebens ein — ſeine
Schmerzen und ſeine Entzuͤckungen muͤſſen nicht laut
ſeyn — er trauere ſanft und ſtill wie eine Fuͤrſtin
im ſanften Weiß, er genieße ſanft und ſtill und im
Tempel ſeines Herzens ſpielen die Luſtbarkeiten nur
wie ungehoͤrt irrende Schmetterlinge in einer Kirche
— und die Tugend ſchwebe vor ihm am Himmel
uͤber der Sonne und waͤrme und erhelle und ziehe
allmaͤhlig ſein Herz!
Du willſt, aus liebender Bangigkeit fuͤr mein
entſinkendes Leben, nicht haben, daß ich oft ſchreibe;
ſo wenig glaubſt du, Lieber, meiner Hofnung. O
die ablaufenden Gewichte meiner Maſchine fallen
langſam und ſanft auf das Grab hinauf — dieſes
Erdenleben kleidet ſich in meiner Seele immer ſchoͤ¬
ner an und ſchmuͤckt ſich zum Abſchiede — dieſer
Nebenſommer um mich, der wie eine Nebenſonne
neben dem Auguſtſommer ſteht, und der kuͤnftige
Fruͤhling nehme mich der Natur ſchmeichelnd aus
den Armen. — —
So uͤberlaubt, ſo uͤberbluͤmt der Allguͤtige die
Gottesackermauer des Lebens wie wir die Mauer ei¬
nes engliſchen Gartens, mit bedeckendem Epheu und
Immergruͤn und giebt dem Ende des Gartens den
Schein eines neuen Geſtraͤuchs. —
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