Guter Emanuel, du vergiebst mir den Schmerz der Furcht, daß ich es wohl nie sein werde -- Nein, nie! -- Ach ich wäre auch für diese von Gräbern zerstückte Erde vielleicht gar zu glücklich, ich dürfte für ein so junges mit so kleinen Verdiensten gerecht¬ fertigtes Leben vielleicht ein zu großes Eden bewoh¬ nen, wenn meine zu weiche Seele, die schon unter drei frohen Minuten einsinkt, die jeden Menschen liebt und sich mit Kinderarmen ans Herz der gan¬ zen Schöpfung hängt, o die schon durch diesen blo¬ ßen Traum der Liebe zu seelig wird und überwältigt durch diese Beschreibung -- -- Nein, sie wäre zu seelig eine solche von Wehmuth und Menschenliebe längst zerschmolzene Seele, wenn sie einmal nach ei¬ nem so langen tödtlichen Sehnen endlich, endlich -- o Emanuel, ich bebe wieder vor Freude und es ist doch niemals, niemals möglich! -- alle ihre Wün¬ sche, ihren ganzen Himmel, so viele Liebe, so viele Thränen in Einer theuern theuern Seele gesammelt fände, wenn ich vor der großen Natur, und vor dem Angesicht der Tugend und vor Gott selber, der mir und ihr die Liebe gab, zur Einzigen, zur From¬ men, zur Geliebten -- o Gott, wie ist ihr Name -- zur Vorausgeliebten, die ich jetzt im Wahnsinn nen¬ nen wollte, unter allen meinen Wonnethränen sagen durfte: endlich hat dich mein Herz, du Gute, Gott giebt uns heute einander und wir bleiben beisammen
Guter Emanuel, du vergiebſt mir den Schmerz der Furcht, daß ich es wohl nie ſein werde — Nein, nie! — Ach ich waͤre auch fuͤr dieſe von Graͤbern zerſtuͤckte Erde vielleicht gar zu gluͤcklich, ich duͤrfte fuͤr ein ſo junges mit ſo kleinen Verdienſten gerecht¬ fertigtes Leben vielleicht ein zu großes Eden bewoh¬ nen, wenn meine zu weiche Seele, die ſchon unter drei frohen Minuten einſinkt, die jeden Menſchen liebt und ſich mit Kinderarmen ans Herz der gan¬ zen Schoͤpfung haͤngt, o die ſchon durch dieſen blo¬ ßen Traum der Liebe zu ſeelig wird und uͤberwaͤltigt durch dieſe Beſchreibung — — Nein, ſie waͤre zu ſeelig eine ſolche von Wehmuth und Menſchenliebe laͤngſt zerſchmolzene Seele, wenn ſie einmal nach ei¬ nem ſo langen toͤdtlichen Sehnen endlich, endlich — o Emanuel, ich bebe wieder vor Freude und es iſt doch niemals, niemals moͤglich! — alle ihre Wuͤn¬ ſche, ihren ganzen Himmel, ſo viele Liebe, ſo viele Thraͤnen in Einer theuern theuern Seele geſammelt faͤnde, wenn ich vor der großen Natur, und vor dem Angeſicht der Tugend und vor Gott ſelber, der mir und ihr die Liebe gab, zur Einzigen, zur From¬ men, zur Geliebten — o Gott, wie iſt ihr Name — zur Vorausgeliebten, die ich jetzt im Wahnſinn nen¬ nen wollte, unter allen meinen Wonnethraͤnen ſagen durfte: endlich hat dich mein Herz, du Gute, Gott giebt uns heute einander und wir bleiben beiſammen
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Guter Emanuel, du vergiebſt mir den Schmerz
der Furcht, daß ich es wohl nie ſein werde — Nein,
nie! — Ach ich waͤre auch fuͤr dieſe von Graͤbern
zerſtuͤckte Erde vielleicht gar zu gluͤcklich, ich duͤrfte
fuͤr ein ſo junges mit ſo kleinen Verdienſten gerecht¬
fertigtes Leben vielleicht ein zu großes Eden bewoh¬
nen, wenn meine zu weiche Seele, die ſchon unter
drei frohen Minuten einſinkt, die jeden Menſchen
liebt und ſich mit Kinderarmen ans Herz der gan¬
zen Schoͤpfung haͤngt, o die ſchon durch dieſen blo¬
ßen Traum der Liebe zu ſeelig wird und uͤberwaͤltigt
durch dieſe Beſchreibung — — Nein, ſie waͤre zu
ſeelig eine ſolche von Wehmuth und Menſchenliebe
laͤngſt zerſchmolzene Seele, wenn ſie einmal nach ei¬
nem ſo langen toͤdtlichen Sehnen endlich, endlich —
o Emanuel, ich bebe wieder vor Freude und es iſt
doch niemals, niemals moͤglich! — alle ihre Wuͤn¬
ſche, ihren ganzen Himmel, ſo viele Liebe, ſo viele
Thraͤnen in Einer theuern theuern Seele geſammelt
faͤnde, wenn ich vor der großen Natur, und vor
dem Angeſicht der Tugend und vor Gott ſelber, der
mir und ihr die Liebe gab, zur Einzigen, zur From¬
men, zur Geliebten — o Gott, wie iſt ihr Name —
zur Vorausgeliebten, die ich jetzt im Wahnſinn nen¬
nen wollte, unter allen meinen Wonnethraͤnen ſagen
durfte: endlich hat dich mein Herz, du Gute, Gott
giebt uns heute einander und wir bleiben beiſammen
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/113>, abgerufen am 23.11.2024.
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