ganographie, sie hören endlich die Stimmen über die Hügel herüber -- aber sie berühren sich nie und jede umschlingt nur ihren Gedanken. -- Und doch zer¬ stäubt diese arme Liebe wie ein alter Leichnam, wenn sie gezeigt wird; und ihre Flamme zerflattert wie eine Begräbnißlampe, wenn sie aufgeschlossen wird."
Sind wir denn alle nicht glücklich? --
Bejah' es nicht! -- Ach der Mensch, der schon von der Kindheit an nach einer unbekannten Seele rief, die mit seiner eignen in Einem Herzen auf¬ wuchs -- die in alle Träume seiner Jahre kam und darin von weitem schimmerte und nach dem Erwa¬ chen seine Thränen erregte -- die im Frühling ihm Nachtigallen schickte, damit er an sie denke und nach ihr sich sehne -- die in jeder weichen Stunde seine Seele besuchte mit so viel Tugend, mit so viel Liebe, daß er so gern all' sein Blut in seinem Herzen wie in einer Opferschaale der Geliebten hingegeben hätte -- die aber ach nirgends erschien, nur ihr Bild in jeder schönen Gestalt zusandte, aber ihr Herz ewig entrückte -- -- o endlich, o plötzlich, o seelig schlägt ihr Herz an seinem Herzen und die zwei Seelen um¬ fassen sich auf immer -- -- er kann es nicht mehr sagen, aber wir könnens: dieser ist doch glücklich und geliebt. . . .
ganographie, ſie hoͤren endlich die Stimmen uͤber die Huͤgel heruͤber — aber ſie beruͤhren ſich nie und jede umſchlingt nur ihren Gedanken. — Und doch zer¬ ſtaͤubt dieſe arme Liebe wie ein alter Leichnam, wenn ſie gezeigt wird; und ihre Flamme zerflattert wie eine Begraͤbnißlampe, wenn ſie aufgeſchloſſen wird.«
Sind wir denn alle nicht gluͤcklich? —
Bejah' es nicht! — Ach der Menſch, der ſchon von der Kindheit an nach einer unbekannten Seele rief, die mit ſeiner eignen in Einem Herzen auf¬ wuchs — die in alle Traͤume ſeiner Jahre kam und darin von weitem ſchimmerte und nach dem Erwa¬ chen ſeine Thraͤnen erregte — die im Fruͤhling ihm Nachtigallen ſchickte, damit er an ſie denke und nach ihr ſich ſehne — die in jeder weichen Stunde ſeine Seele beſuchte mit ſo viel Tugend, mit ſo viel Liebe, daß er ſo gern all' ſein Blut in ſeinem Herzen wie in einer Opferſchaale der Geliebten hingegeben haͤtte — die aber ach nirgends erſchien, nur ihr Bild in jeder ſchoͤnen Geſtalt zuſandte, aber ihr Herz ewig entruͤckte — — o endlich, o ploͤtzlich, o ſeelig ſchlaͤgt ihr Herz an ſeinem Herzen und die zwei Seelen um¬ faſſen ſich auf immer — — er kann es nicht mehr ſagen, aber wir koͤnnens: dieſer iſt doch gluͤcklich und geliebt. . . .
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0112"n="102"/>
ganographie, ſie hoͤren endlich die Stimmen uͤber die<lb/>
Huͤgel heruͤber — aber ſie beruͤhren ſich nie und jede<lb/>
umſchlingt nur ihren Gedanken. — Und doch zer¬<lb/>ſtaͤubt dieſe arme Liebe wie ein alter Leichnam,<lb/>
wenn ſie gezeigt wird; und ihre Flamme zerflattert<lb/>
wie eine Begraͤbnißlampe, wenn ſie aufgeſchloſſen<lb/>
wird.«</p><lb/><p>Sind wir denn alle nicht gluͤcklich? —</p><lb/><p>Bejah' es nicht! — Ach der Menſch, der ſchon<lb/>
von der Kindheit an nach einer unbekannten Seele<lb/>
rief, die mit ſeiner eignen in Einem Herzen auf¬<lb/>
wuchs — die in alle Traͤume ſeiner Jahre kam und<lb/>
darin von weitem ſchimmerte und nach dem Erwa¬<lb/>
chen ſeine Thraͤnen erregte — die im Fruͤhling ihm<lb/>
Nachtigallen ſchickte, damit er an ſie denke und nach<lb/>
ihr ſich ſehne — die in jeder weichen Stunde ſeine<lb/>
Seele beſuchte mit ſo viel Tugend, mit ſo viel Liebe,<lb/>
daß er ſo gern all' ſein Blut in ſeinem Herzen wie<lb/>
in einer Opferſchaale der Geliebten hingegeben haͤtte<lb/>— die aber ach nirgends erſchien, nur ihr Bild in<lb/>
jeder ſchoͤnen Geſtalt zuſandte, aber ihr Herz ewig<lb/>
entruͤckte —— o endlich, o ploͤtzlich, o ſeelig ſchlaͤgt<lb/>
ihr Herz an ſeinem Herzen und die zwei Seelen um¬<lb/>
faſſen ſich auf immer —— er kann es nicht mehr<lb/>ſagen, aber wir koͤnnens: dieſer iſt doch gluͤcklich und<lb/>
geliebt. . . .</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[102/0112]
ganographie, ſie hoͤren endlich die Stimmen uͤber die
Huͤgel heruͤber — aber ſie beruͤhren ſich nie und jede
umſchlingt nur ihren Gedanken. — Und doch zer¬
ſtaͤubt dieſe arme Liebe wie ein alter Leichnam,
wenn ſie gezeigt wird; und ihre Flamme zerflattert
wie eine Begraͤbnißlampe, wenn ſie aufgeſchloſſen
wird.«
Sind wir denn alle nicht gluͤcklich? —
Bejah' es nicht! — Ach der Menſch, der ſchon
von der Kindheit an nach einer unbekannten Seele
rief, die mit ſeiner eignen in Einem Herzen auf¬
wuchs — die in alle Traͤume ſeiner Jahre kam und
darin von weitem ſchimmerte und nach dem Erwa¬
chen ſeine Thraͤnen erregte — die im Fruͤhling ihm
Nachtigallen ſchickte, damit er an ſie denke und nach
ihr ſich ſehne — die in jeder weichen Stunde ſeine
Seele beſuchte mit ſo viel Tugend, mit ſo viel Liebe,
daß er ſo gern all' ſein Blut in ſeinem Herzen wie
in einer Opferſchaale der Geliebten hingegeben haͤtte
— die aber ach nirgends erſchien, nur ihr Bild in
jeder ſchoͤnen Geſtalt zuſandte, aber ihr Herz ewig
entruͤckte — — o endlich, o ploͤtzlich, o ſeelig ſchlaͤgt
ihr Herz an ſeinem Herzen und die zwei Seelen um¬
faſſen ſich auf immer — — er kann es nicht mehr
ſagen, aber wir koͤnnens: dieſer iſt doch gluͤcklich und
geliebt. . . .
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/112>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.