weiße Gestalt mit ausgebreiteten Armen heraus und in ihre hinein, aber die Laube verhüllte das Ende der Umarmung und lange standen alle wartende Au¬ gen vergeblich auf der Klause der Liebe.
Die Kaplänin, die sonst allen Mädgen nur Stan¬ deserniedrigungen, nicht Standeserhöhungen gewähr¬ te, ertheilte jetzt Klotilden alle sieben Weihen und lobte sie so sehr -- vielleicht auch da sie eine Lands¬ männin von ihr, mütterlicher Seite war, -- daß Viktor die Lobrednerin und die Gelobte hätte zu¬ gleich umarmen mögen. -- Der Kaplan, der in den Sphärengesang der Nacht immer mehr mit dem Schnarrwerk seines Hustens einfiel, machte sich mit dieser enthusiastischen Freundin Sebastians fort und ließ die zwei Freunde noch da.
Flamin hatte diesen ganzen Tag eine schweigende rührende Sanftmuth gezeigt, die selten in sein Inne¬ res kam und die zu sagen schien: ich habe etwas auf dem Herzen. Als die Warte öder war: so ver¬ heimlichte Viktor, der jetzt von liebenden Träumen voll und weich geworden, seine in Thränen stehende Augen nicht mehr, er schlug sie frei auf vor dem äl¬ testen Liebling seiner Tage und zeigte ihm jenes ofne Auge, welches sagt: blicke immer durch bis zum Herzen hinunter, es ist nichts darin als lauter Lie¬ be. . . . Stumm gingen die Wirbel der Liebe um beide und zogen sie näher -- sie öfneten die Arme
weiße Geſtalt mit ausgebreiteten Armen heraus und in ihre hinein, aber die Laube verhuͤllte das Ende der Umarmung und lange ſtanden alle wartende Au¬ gen vergeblich auf der Klauſe der Liebe.
Die Kaplaͤnin, die ſonſt allen Maͤdgen nur Stan¬ deserniedrigungen, nicht Standeserhoͤhungen gewaͤhr¬ te, ertheilte jetzt Klotilden alle ſieben Weihen und lobte ſie ſo ſehr — vielleicht auch da ſie eine Lands¬ maͤnnin von ihr, muͤtterlicher Seite war, — daß Viktor die Lobrednerin und die Gelobte haͤtte zu¬ gleich umarmen moͤgen. — Der Kaplan, der in den Sphaͤrengeſang der Nacht immer mehr mit dem Schnarrwerk ſeines Huſtens einfiel, machte ſich mit dieſer enthuſiaſtiſchen Freundin Sebaſtians fort und ließ die zwei Freunde noch da.
Flamin hatte dieſen ganzen Tag eine ſchweigende ruͤhrende Sanftmuth gezeigt, die ſelten in ſein Inne¬ res kam und die zu ſagen ſchien: ich habe etwas auf dem Herzen. Als die Warte oͤder war: ſo ver¬ heimlichte Viktor, der jetzt von liebenden Traͤumen voll und weich geworden, ſeine in Thraͤnen ſtehende Augen nicht mehr, er ſchlug ſie frei auf vor dem aͤl¬ teſten Liebling ſeiner Tage und zeigte ihm jenes ofne Auge, welches ſagt: blicke immer durch bis zum Herzen hinunter, es iſt nichts darin als lauter Lie¬ be. . . . Stumm gingen die Wirbel der Liebe um beide und zogen ſie naͤher — ſie oͤfneten die Arme
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weiße Geſtalt mit ausgebreiteten Armen heraus und
in ihre hinein, aber die Laube verhuͤllte das Ende
der Umarmung und lange ſtanden alle wartende Au¬
gen vergeblich auf der Klauſe der Liebe.
Die Kaplaͤnin, die ſonſt allen Maͤdgen nur Stan¬
deserniedrigungen, nicht Standeserhoͤhungen gewaͤhr¬
te, ertheilte jetzt Klotilden alle ſieben Weihen und
lobte ſie ſo ſehr — vielleicht auch da ſie eine Lands¬
maͤnnin von ihr, muͤtterlicher Seite war, — daß
Viktor die Lobrednerin und die Gelobte haͤtte zu¬
gleich umarmen moͤgen. — Der Kaplan, der in den
Sphaͤrengeſang der Nacht immer mehr mit dem
Schnarrwerk ſeines Huſtens einfiel, machte ſich mit
dieſer enthuſiaſtiſchen Freundin Sebaſtians fort und
ließ die zwei Freunde noch da.
Flamin hatte dieſen ganzen Tag eine ſchweigende
ruͤhrende Sanftmuth gezeigt, die ſelten in ſein Inne¬
res kam und die zu ſagen ſchien: ich habe etwas
auf dem Herzen. Als die Warte oͤder war: ſo ver¬
heimlichte Viktor, der jetzt von liebenden Traͤumen
voll und weich geworden, ſeine in Thraͤnen ſtehende
Augen nicht mehr, er ſchlug ſie frei auf vor dem aͤl¬
teſten Liebling ſeiner Tage und zeigte ihm jenes ofne
Auge, welches ſagt: blicke immer durch bis zum
Herzen hinunter, es iſt nichts darin als lauter Lie¬
be. . . . Stumm gingen die Wirbel der Liebe um
beide und zogen ſie naͤher — ſie oͤfneten die Arme
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/84>, abgerufen am 22.12.2024.
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