Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

"damit ich doch beide Schattenhände -- (die eine
"hielt gerade Flamin) beschauen und ausrufen könn¬
"te: -- -- (stockend)

"Der alte Balgtreter kömmt auch mit was in
"einer!"

Da er weder seine Rührung mehr hinter Scherz,
noch die Merkmale derselben in seinen Augen hinter
einige tief hängende Lindenblätter verdecken konnte:
so wars in der Seekunde, wo seine Stimme unter
ihr erliegen wollte, ein rechtes Glück, daß er über
"die Warte hinausschauete und den Kutscher wieder
heranschreiten sah. Dieser rief unten: "von Seeba¬
"ßen hätt' ers gekriegt, aber den Augenblick erst."
Agathe lief leidenschaftlich hinab und unten, nach
Lesung eines Blätgen, über die -- Wiesen hinüber.
Der Balgtreter stieg, gleich einem Barometer vor
dauerhaftem Wetter, langsam hinauf und brachte
sich und den zurückgelangten Zettel, trotz alles obern
Winkens, mit seinen Hebelsarmen keine Minute frü¬
her auf den Thurm. Im Zettel stand mit Klotil¬
dens Hand: komm' in deine Laube, Geliebte!"

Alle Augen liefen jetzt der Läuferin nach und
flatterten mit ihr durch das Helldunkel des Abends
in den Pfarrgarten, um dessen Laube man doch nie¬
mand sah. Kaum hatte Agathe die Oefnung der
letztern ins Auge bekommen, als ihr Eilen Fliegen
wurde -- und als sie beinahe an ihr war, flog eine

»damit ich doch beide Schattenhaͤnde — (die eine
»hielt gerade Flamin) beſchauen und ausrufen koͤnn¬
»te: — — (ſtockend)

»Der alte Balgtreter koͤmmt auch mit was in
»einer!«

Da er weder ſeine Ruͤhrung mehr hinter Scherz,
noch die Merkmale derſelben in ſeinen Augen hinter
einige tief haͤngende Lindenblaͤtter verdecken konnte:
ſo wars in der Seekunde, wo ſeine Stimme unter
ihr erliegen wollte, ein rechtes Gluͤck, daß er uͤber
»die Warte hinausſchauete und den Kutſcher wieder
heranſchreiten ſah. Dieſer rief unten: »von Seeba¬
»ßen haͤtt' ers gekriegt, aber den Augenblick erſt.«
Agathe lief leidenſchaftlich hinab und unten, nach
Leſung eines Blaͤtgen, uͤber die — Wieſen hinuͤber.
Der Balgtreter ſtieg, gleich einem Barometer vor
dauerhaftem Wetter, langſam hinauf und brachte
ſich und den zuruͤckgelangten Zettel, trotz alles obern
Winkens, mit ſeinen Hebelsarmen keine Minute fruͤ¬
her auf den Thurm. Im Zettel ſtand mit Klotil¬
dens Hand: komm' in deine Laube, Geliebte!«

Alle Augen liefen jetzt der Laͤuferin nach und
flatterten mit ihr durch das Helldunkel des Abends
in den Pfarrgarten, um deſſen Laube man doch nie¬
mand ſah. Kaum hatte Agathe die Oefnung der
letztern ins Auge bekommen, als ihr Eilen Fliegen
wurde — und als ſie beinahe an ihr war, flog eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="72"/>
»damit ich doch <hi rendition="#g">beide</hi> Schattenha&#x0364;nde &#x2014; (die eine<lb/>
»hielt gerade Flamin) be&#x017F;chauen und ausrufen ko&#x0364;nn¬<lb/>
»te: &#x2014; &#x2014; (&#x017F;tockend)</p><lb/>
        <p>»Der alte Balgtreter ko&#x0364;mmt auch mit was in<lb/>
»einer!«</p><lb/>
        <p>Da er weder &#x017F;eine Ru&#x0364;hrung mehr hinter Scherz,<lb/>
noch die Merkmale der&#x017F;elben in &#x017F;einen Augen hinter<lb/>
einige tief ha&#x0364;ngende Lindenbla&#x0364;tter verdecken konnte:<lb/>
&#x017F;o wars in der Seekunde, wo &#x017F;eine Stimme unter<lb/>
ihr erliegen wollte, ein rechtes Glu&#x0364;ck, daß er u&#x0364;ber<lb/>
»die Warte hinaus&#x017F;chauete und den Kut&#x017F;cher wieder<lb/>
heran&#x017F;chreiten &#x017F;ah. Die&#x017F;er rief unten: »von Seeba¬<lb/>
»ßen ha&#x0364;tt' ers gekriegt, aber den Augenblick er&#x017F;t.«<lb/>
Agathe lief leiden&#x017F;chaftlich hinab und unten, nach<lb/>
Le&#x017F;ung eines Bla&#x0364;tgen, u&#x0364;ber die &#x2014; Wie&#x017F;en hinu&#x0364;ber.<lb/>
Der Balgtreter &#x017F;tieg, gleich einem Barometer vor<lb/>
dauerhaftem Wetter, lang&#x017F;am hinauf und brachte<lb/>
&#x017F;ich und den zuru&#x0364;ckgelangten Zettel, trotz alles obern<lb/>
Winkens, mit &#x017F;einen Hebelsarmen keine Minute fru&#x0364;¬<lb/>
her auf den Thurm. Im Zettel &#x017F;tand mit Klotil¬<lb/>
dens Hand: komm' in deine Laube, Geliebte!«</p><lb/>
        <p>Alle Augen liefen jetzt der La&#x0364;uferin nach und<lb/>
flatterten mit ihr durch das Helldunkel des Abends<lb/>
in den Pfarrgarten, um de&#x017F;&#x017F;en Laube man doch nie¬<lb/>
mand &#x017F;ah. Kaum hatte Agathe die Oefnung der<lb/>
letztern ins Auge bekommen, als ihr Eilen Fliegen<lb/>
wurde &#x2014; und als &#x017F;ie beinahe an ihr war, flog eine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0083] »damit ich doch beide Schattenhaͤnde — (die eine »hielt gerade Flamin) beſchauen und ausrufen koͤnn¬ »te: — — (ſtockend) »Der alte Balgtreter koͤmmt auch mit was in »einer!« Da er weder ſeine Ruͤhrung mehr hinter Scherz, noch die Merkmale derſelben in ſeinen Augen hinter einige tief haͤngende Lindenblaͤtter verdecken konnte: ſo wars in der Seekunde, wo ſeine Stimme unter ihr erliegen wollte, ein rechtes Gluͤck, daß er uͤber »die Warte hinausſchauete und den Kutſcher wieder heranſchreiten ſah. Dieſer rief unten: »von Seeba¬ »ßen haͤtt' ers gekriegt, aber den Augenblick erſt.« Agathe lief leidenſchaftlich hinab und unten, nach Leſung eines Blaͤtgen, uͤber die — Wieſen hinuͤber. Der Balgtreter ſtieg, gleich einem Barometer vor dauerhaftem Wetter, langſam hinauf und brachte ſich und den zuruͤckgelangten Zettel, trotz alles obern Winkens, mit ſeinen Hebelsarmen keine Minute fruͤ¬ her auf den Thurm. Im Zettel ſtand mit Klotil¬ dens Hand: komm' in deine Laube, Geliebte!« Alle Augen liefen jetzt der Laͤuferin nach und flatterten mit ihr durch das Helldunkel des Abends in den Pfarrgarten, um deſſen Laube man doch nie¬ mand ſah. Kaum hatte Agathe die Oefnung der letztern ins Auge bekommen, als ihr Eilen Fliegen wurde — und als ſie beinahe an ihr war, flog eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/83
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/83>, abgerufen am 22.12.2024.