"wüsten, überall beliebten, überall verschlimmerten, "pfiffigen, kühnen, spöttischen Menschen, der, wenn "es sein Dienst erlaube, entweder drüben bei den "kammerherrlichen oder hier bei ihrem Sohne liege; "der Himmel wisse überhaupt, was er im Schilde führe "bei seinen Visiten in einem bürgerlichen Hause." Sie freuete sich, daß Viktor seinen alten Freund von den Fangeisen und Fangzähnen dieses Libertins weg¬ führen würde. Viktor drückte ihr gerührt die Hand und sagte: "ich möchte sein Herz kaum mit dem "besten Bundsgenossen theilen -- nicht einmal ver¬ "lieben dürft' er sich, wenns auf mich ankäme -- "bloß mich und eine Person müst' er lieben, die "ihn gar nicht richtig schildert . . . Sie etc. Er setzte noch viel Mistrauen in die Projektion von den Sonnenflecken Matthieus, weil die Weiber selten ex¬ zentrische Menschen fassen und weil zwar Mädgen oft wilde Männer lieben, aber die (durch die Ehe aufgeklärten) Frauen allemal sanfte.
Er brachte das Herz verehelichter Weiber leicht¬ lich in sein Zuggarn durch eine gewisse wohlwollende Galanterie gegen sie, die ein Deutscher nur für le¬ dige aufhebt. Alte Damen und alte Tabackspfeifen aber bekleben leicht an männlichen Lippen. Die jüngern Tauben lockte er durch sein komisches Salz an sich wie man Turteltauben durch physi¬ sches fängt: ein Bonmot ist ihnen ein dictum pro.
bans,
»wuͤſten, uͤberall beliebten, uͤberall verſchlimmerten, »pfiffigen, kuͤhnen, ſpoͤttiſchen Menſchen, der, wenn »es ſein Dienſt erlaube, entweder druͤben bei den »kammerherrlichen oder hier bei ihrem Sohne liege; »der Himmel wiſſe uͤberhaupt, was er im Schilde fuͤhre »bei ſeinen Viſiten in einem buͤrgerlichen Hauſe.« Sie freuete ſich, daß Viktor ſeinen alten Freund von den Fangeiſen und Fangzaͤhnen dieſes Libertins weg¬ fuͤhren wuͤrde. Viktor druͤckte ihr geruͤhrt die Hand und ſagte: »ich moͤchte ſein Herz kaum mit dem »beſten Bundsgenoſſen theilen — nicht einmal ver¬ »lieben duͤrft' er ſich, wenns auf mich ankaͤme — »bloß mich und eine Perſon muͤſt' er lieben, die »ihn gar nicht richtig ſchildert . . . Sie ꝛc. Er ſetzte noch viel Mistrauen in die Projektion von den Sonnenflecken Matthieus, weil die Weiber ſelten ex¬ zentriſche Menſchen faſſen und weil zwar Maͤdgen oft wilde Maͤnner lieben, aber die (durch die Ehe aufgeklaͤrten) Frauen allemal ſanfte.
Er brachte das Herz verehelichter Weiber leicht¬ lich in ſein Zuggarn durch eine gewiſſe wohlwollende Galanterie gegen ſie, die ein Deutſcher nur fuͤr le¬ dige aufhebt. Alte Damen und alte Tabackspfeifen aber bekleben leicht an maͤnnlichen Lippen. Die juͤngern Tauben lockte er durch ſein komiſches Salz an ſich wie man Turteltauben durch phyſi¬ ſches faͤngt: ein Bonmot iſt ihnen ein dictum pro.
bans,
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»wuͤſten, uͤberall beliebten, uͤberall verſchlimmerten,
»pfiffigen, kuͤhnen, ſpoͤttiſchen Menſchen, der, wenn
»es ſein Dienſt erlaube, entweder druͤben bei den
»kammerherrlichen oder hier bei ihrem Sohne liege;
»der Himmel wiſſe uͤberhaupt, was er im Schilde fuͤhre
»bei ſeinen Viſiten in einem buͤrgerlichen Hauſe.«
Sie freuete ſich, daß Viktor ſeinen alten Freund von
den Fangeiſen und Fangzaͤhnen dieſes Libertins weg¬
fuͤhren wuͤrde. Viktor druͤckte ihr geruͤhrt die Hand
und ſagte: »ich moͤchte ſein Herz kaum mit dem
»beſten Bundsgenoſſen theilen — nicht einmal ver¬
»lieben duͤrft' er ſich, wenns auf mich ankaͤme —
»bloß mich und eine Perſon muͤſt' er lieben, die
»ihn gar nicht richtig ſchildert . . . Sie ꝛc. Er
ſetzte noch viel Mistrauen in die Projektion von den
Sonnenflecken Matthieus, weil die Weiber ſelten ex¬
zentriſche Menſchen faſſen und weil zwar Maͤdgen
oft wilde Maͤnner lieben, aber die (durch die Ehe
aufgeklaͤrten) Frauen allemal ſanfte.
Er brachte das Herz verehelichter Weiber leicht¬
lich in ſein Zuggarn durch eine gewiſſe wohlwollende
Galanterie gegen ſie, die ein Deutſcher nur fuͤr le¬
dige aufhebt. Alte Damen und alte Tabackspfeifen
aber bekleben leicht an maͤnnlichen Lippen. Die
juͤngern Tauben lockte er durch ſein komiſches
Salz an ſich wie man Turteltauben durch phyſi¬
ſches faͤngt: ein Bonmot iſt ihnen ein dictum pro.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/75>, abgerufen am 22.12.2024.
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