"zu unterbrechen als Thoren. -- Denn meine Ab¬ "wesenheit will man eben."
Ich als installirter Historiograph, frage nichts nach allem und unterbreche wen ich will. Einer, den man unterbricht, kann zwar spassen, aber nicht mehr beweisen. Der auf den Plato gepeltzte Sokra¬ tes, der keinen Sophisten ausreden ließ, war eben darum selber einer. In England, wo man noch Sy¬ steme unter den Weingläsern duldet, kann sich ein Mann so sehr ausbreiten wie ein Royalbogen; in Frankreich, wo sich die Brille der Weisheit in Poin¬ ten zersplittert, muß einer so kurz seyn wie ein Vi¬ sitenblat. Hundertmal schweigt der Weise vor Gek¬ ken, weil er drei und zwanzig Bogen braucht, um seine Meinung zu sagen -- Gecken brauchen nur Zeilen, ihre Meinungen sind herauffahrende Inseln und hängen mit nichts zusammen als mit der Eitel¬ keit. . . . Noch merk' ich an, daß zwischen dem Lord und seinem Sohne eine höfliche feine Behut¬ samkeit obwaltete, die in einem so nahen Verhält¬ nisse nur aus ihrem Stande, aus ihrer Denkungsart und ihrer häufigen Abtrennung zu beurtheilen ist. --
"Aber meine Gegenwart ist vielleicht noch schlim¬ "mer. Die Prinzessinn." -- --
(Die Braut des Fürsten, da seine erste Gemah¬ lin bald und kinderlos starb, wie Spitz sagt.)
»zu unterbrechen als Thoren. — Denn meine Ab¬ »weſenheit will man eben.«
Ich als inſtallirter Hiſtoriograph, frage nichts nach allem und unterbreche wen ich will. Einer, den man unterbricht, kann zwar ſpaſſen, aber nicht mehr beweiſen. Der auf den Plato gepeltzte Sokra¬ tes, der keinen Sophiſten ausreden ließ, war eben darum ſelber einer. In England, wo man noch Sy¬ ſteme unter den Weinglaͤſern duldet, kann ſich ein Mann ſo ſehr ausbreiten wie ein Royalbogen; in Frankreich, wo ſich die Brille der Weisheit in Poin¬ ten zerſplittert, muß einer ſo kurz ſeyn wie ein Vi¬ ſitenblat. Hundertmal ſchweigt der Weiſe vor Gek¬ ken, weil er drei und zwanzig Bogen braucht, um ſeine Meinung zu ſagen — Gecken brauchen nur Zeilen, ihre Meinungen ſind herauffahrende Inſeln und haͤngen mit nichts zuſammen als mit der Eitel¬ keit. . . . Noch merk' ich an, daß zwiſchen dem Lord und ſeinem Sohne eine hoͤfliche feine Behut¬ ſamkeit obwaltete, die in einem ſo nahen Verhaͤlt¬ niſſe nur aus ihrem Stande, aus ihrer Denkungsart und ihrer haͤufigen Abtrennung zu beurtheilen iſt. —
»Aber meine Gegenwart iſt vielleicht noch ſchlim¬ »mer. Die Prinzeſſinn.« — —
(Die Braut des Fuͤrſten, da ſeine erſte Gemah¬ lin bald und kinderlos ſtarb, wie Spitz ſagt.)
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0065"n="54"/>
»zu unterbrechen als Thoren. — Denn meine Ab¬<lb/>
»weſenheit will man eben.«</p><lb/><p>Ich als inſtallirter Hiſtoriograph, frage nichts<lb/>
nach allem und unterbreche wen ich will. Einer,<lb/>
den man unterbricht, kann zwar ſpaſſen, aber nicht<lb/>
mehr beweiſen. Der auf den Plato gepeltzte Sokra¬<lb/>
tes, der keinen Sophiſten ausreden ließ, war eben<lb/>
darum ſelber einer. In England, wo man noch Sy¬<lb/>ſteme unter den Weinglaͤſern duldet, kann ſich ein<lb/>
Mann ſo ſehr ausbreiten wie ein Royalbogen; in<lb/>
Frankreich, wo ſich die Brille der Weisheit in Poin¬<lb/>
ten zerſplittert, muß einer ſo kurz ſeyn wie ein Vi¬<lb/>ſitenblat. Hundertmal ſchweigt der Weiſe vor Gek¬<lb/>
ken, weil er drei und zwanzig Bogen braucht, um<lb/>ſeine Meinung zu ſagen — Gecken brauchen nur<lb/>
Zeilen, ihre Meinungen ſind herauffahrende Inſeln<lb/>
und haͤngen mit nichts zuſammen als mit der Eitel¬<lb/>
keit. . . . Noch merk' ich an, daß zwiſchen dem<lb/>
Lord und ſeinem Sohne eine hoͤfliche feine Behut¬<lb/>ſamkeit obwaltete, die in einem ſo nahen Verhaͤlt¬<lb/>
niſſe nur aus ihrem Stande, aus ihrer Denkungsart<lb/>
und ihrer haͤufigen Abtrennung zu beurtheilen iſt. —</p><lb/><p>»Aber meine Gegenwart iſt vielleicht noch ſchlim¬<lb/>
»mer. Die Prinzeſſinn.« ——</p><lb/><p>(Die Braut des Fuͤrſten, da ſeine erſte Gemah¬<lb/>
lin bald und kinderlos ſtarb, wie Spitz ſagt.)<lb/></p></div></body></text></TEI>
[54/0065]
»zu unterbrechen als Thoren. — Denn meine Ab¬
»weſenheit will man eben.«
Ich als inſtallirter Hiſtoriograph, frage nichts
nach allem und unterbreche wen ich will. Einer,
den man unterbricht, kann zwar ſpaſſen, aber nicht
mehr beweiſen. Der auf den Plato gepeltzte Sokra¬
tes, der keinen Sophiſten ausreden ließ, war eben
darum ſelber einer. In England, wo man noch Sy¬
ſteme unter den Weinglaͤſern duldet, kann ſich ein
Mann ſo ſehr ausbreiten wie ein Royalbogen; in
Frankreich, wo ſich die Brille der Weisheit in Poin¬
ten zerſplittert, muß einer ſo kurz ſeyn wie ein Vi¬
ſitenblat. Hundertmal ſchweigt der Weiſe vor Gek¬
ken, weil er drei und zwanzig Bogen braucht, um
ſeine Meinung zu ſagen — Gecken brauchen nur
Zeilen, ihre Meinungen ſind herauffahrende Inſeln
und haͤngen mit nichts zuſammen als mit der Eitel¬
keit. . . . Noch merk' ich an, daß zwiſchen dem
Lord und ſeinem Sohne eine hoͤfliche feine Behut¬
ſamkeit obwaltete, die in einem ſo nahen Verhaͤlt¬
niſſe nur aus ihrem Stande, aus ihrer Denkungsart
und ihrer haͤufigen Abtrennung zu beurtheilen iſt. —
»Aber meine Gegenwart iſt vielleicht noch ſchlim¬
»mer. Die Prinzeſſinn.« — —
(Die Braut des Fuͤrſten, da ſeine erſte Gemah¬
lin bald und kinderlos ſtarb, wie Spitz ſagt.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/65>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.