Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

her den nämlichen Prozeß aber zu praktischer Anwen¬
dung, mit den ihrigen geführet hatten.

Viktor, der schon lange besorgte, verlegen zu
werden, ging endlich dahin, wohin er bisher so oft
geschauet hatte -- zum Schach, das man mit der
größten Begierde, zu -- verlieren spielte. Der
Kammerherr, -- wir wissen alle, wie er war, er schrieb
nichts als Rekommandationsschreiben für die ganze
Welt und der Abendmahlskelch wäre mehr für sei¬
nen Geschmack gewesen, hätt' er daraus auf eines
wichtigen Mannes Gesundheit toasten können --
Dieser beförderte so gut er konnte, mit den dürren
Schachstatüen bloß das fremde Wohl auf Kosten des
eignen: gern verlor er, falls nur Maz gewann. Noch
dazu glich er jenen verschämten Seelen, die ihre
Wohlthaten gern verborgen geben und er konnt' es
nicht über sich erhalten, es seinem Schach-Opponen¬
ten zu sagen, daß er ihm den Sieg zuschanze; er
hatte fast größere Mühe, sich zu verbergen wie ein
Hofmann als sich selber zu besiegen wie ein
Christ. Eine solche Liebe hätte, wie es scheint,
wärmer vergolten werden sollen als durch offenbare
Boßheit; aber Maz hatte das Nämliche vor und
wich dem Siege, den jener ihm nachtrug, wie ein
wahrer Spitzbube aus. Le Baut ersann sich vergeb¬
lich die besten Züge, womit man sich selber matt
macht -- Maz setzte noch bessere entgegen und drohte

her den naͤmlichen Prozeß aber zu praktiſcher Anwen¬
dung, mit den ihrigen gefuͤhret hatten.

Viktor, der ſchon lange beſorgte, verlegen zu
werden, ging endlich dahin, wohin er bisher ſo oft
geſchauet hatte — zum Schach, das man mit der
groͤßten Begierde, zu — verlieren ſpielte. Der
Kammerherr, — wir wiſſen alle, wie er war, er ſchrieb
nichts als Rekommandationsſchreiben fuͤr die ganze
Welt und der Abendmahlskelch waͤre mehr fuͤr ſei¬
nen Geſchmack geweſen, haͤtt' er daraus auf eines
wichtigen Mannes Geſundheit toaſten koͤnnen —
Dieſer befoͤrderte ſo gut er konnte, mit den duͤrren
Schachſtatuͤen bloß das fremde Wohl auf Koſten des
eignen: gern verlor er, falls nur Maz gewann. Noch
dazu glich er jenen verſchaͤmten Seelen, die ihre
Wohlthaten gern verborgen geben und er konnt' es
nicht uͤber ſich erhalten, es ſeinem Schach-Opponen¬
ten zu ſagen, daß er ihm den Sieg zuſchanze; er
hatte faſt groͤßere Muͤhe, ſich zu verbergen wie ein
Hofmann als ſich ſelber zu beſiegen wie ein
Chriſt. Eine ſolche Liebe haͤtte, wie es ſcheint,
waͤrmer vergolten werden ſollen als durch offenbare
Boßheit; aber Maz hatte das Naͤmliche vor und
wich dem Siege, den jener ihm nachtrug, wie ein
wahrer Spitzbube aus. Le Baut erſann ſich vergeb¬
lich die beſten Zuͤge, womit man ſich ſelber matt
macht — Maz ſetzte noch beſſere entgegen und drohte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0390" n="379"/>
her den na&#x0364;mlichen Prozeß aber zu prakti&#x017F;cher Anwen¬<lb/>
dung, mit den ihrigen gefu&#x0364;hret hatten.</p><lb/>
        <p>Viktor, der &#x017F;chon lange be&#x017F;orgte, verlegen zu<lb/>
werden, ging endlich dahin, wohin er bisher &#x017F;o oft<lb/>
ge&#x017F;chauet hatte &#x2014; zum Schach, das man mit der<lb/>
gro&#x0364;ßten Begierde, zu &#x2014; verlieren &#x017F;pielte. Der<lb/>
Kammerherr, &#x2014; wir wi&#x017F;&#x017F;en alle, wie er war, er &#x017F;chrieb<lb/>
nichts als Rekommandations&#x017F;chreiben fu&#x0364;r die ganze<lb/>
Welt und der Abendmahlskelch wa&#x0364;re mehr fu&#x0364;r &#x017F;ei¬<lb/>
nen Ge&#x017F;chmack gewe&#x017F;en, ha&#x0364;tt' er daraus auf eines<lb/>
wichtigen Mannes Ge&#x017F;undheit <hi rendition="#g">toa&#x017F;ten</hi> ko&#x0364;nnen &#x2014;<lb/>
Die&#x017F;er befo&#x0364;rderte &#x017F;o gut er konnte, mit den du&#x0364;rren<lb/>
Schach&#x017F;tatu&#x0364;en bloß das fremde Wohl auf Ko&#x017F;ten des<lb/>
eignen: gern verlor er, falls nur Maz gewann. Noch<lb/>
dazu glich er jenen ver&#x017F;cha&#x0364;mten Seelen, die ihre<lb/>
Wohlthaten gern verborgen geben und er konnt' es<lb/>
nicht u&#x0364;ber &#x017F;ich erhalten, es &#x017F;einem Schach-Opponen¬<lb/>
ten zu &#x017F;agen, daß er ihm den Sieg zu&#x017F;chanze; er<lb/>
hatte fa&#x017F;t gro&#x0364;ßere Mu&#x0364;he, &#x017F;ich zu verbergen wie ein<lb/>
Hofmann als &#x017F;ich <hi rendition="#g">&#x017F;elber</hi> zu <hi rendition="#g">be&#x017F;iegen</hi> wie ein<lb/>
Chri&#x017F;t. Eine &#x017F;olche Liebe ha&#x0364;tte, wie es &#x017F;cheint,<lb/>
wa&#x0364;rmer vergolten werden &#x017F;ollen als durch offenbare<lb/>
Boßheit; aber Maz hatte das Na&#x0364;mliche vor und<lb/>
wich dem Siege, den jener ihm nachtrug, wie ein<lb/>
wahrer Spitzbube aus. Le Baut er&#x017F;ann &#x017F;ich vergeb¬<lb/>
lich die be&#x017F;ten Zu&#x0364;ge, womit man <hi rendition="#g">&#x017F;ich</hi> &#x017F;elber matt<lb/>
macht &#x2014; Maz &#x017F;etzte noch be&#x017F;&#x017F;ere entgegen und drohte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0390] her den naͤmlichen Prozeß aber zu praktiſcher Anwen¬ dung, mit den ihrigen gefuͤhret hatten. Viktor, der ſchon lange beſorgte, verlegen zu werden, ging endlich dahin, wohin er bisher ſo oft geſchauet hatte — zum Schach, das man mit der groͤßten Begierde, zu — verlieren ſpielte. Der Kammerherr, — wir wiſſen alle, wie er war, er ſchrieb nichts als Rekommandationsſchreiben fuͤr die ganze Welt und der Abendmahlskelch waͤre mehr fuͤr ſei¬ nen Geſchmack geweſen, haͤtt' er daraus auf eines wichtigen Mannes Geſundheit toaſten koͤnnen — Dieſer befoͤrderte ſo gut er konnte, mit den duͤrren Schachſtatuͤen bloß das fremde Wohl auf Koſten des eignen: gern verlor er, falls nur Maz gewann. Noch dazu glich er jenen verſchaͤmten Seelen, die ihre Wohlthaten gern verborgen geben und er konnt' es nicht uͤber ſich erhalten, es ſeinem Schach-Opponen¬ ten zu ſagen, daß er ihm den Sieg zuſchanze; er hatte faſt groͤßere Muͤhe, ſich zu verbergen wie ein Hofmann als ſich ſelber zu beſiegen wie ein Chriſt. Eine ſolche Liebe haͤtte, wie es ſcheint, waͤrmer vergolten werden ſollen als durch offenbare Boßheit; aber Maz hatte das Naͤmliche vor und wich dem Siege, den jener ihm nachtrug, wie ein wahrer Spitzbube aus. Le Baut erſann ſich vergeb¬ lich die beſten Zuͤge, womit man ſich ſelber matt macht — Maz ſetzte noch beſſere entgegen und drohte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/390
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/390>, abgerufen am 22.11.2024.