Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

das Original abgelegt, geschenkt und umgethan, des¬
gleichen das Logis, woraus dasselbe zog. Der Ka¬
plan wollte diese wolfeile Ausgabe von Horion so
ans Fenster lagern, wenn die bessere fort wäre, daß
die ganze Schul-Jugend, die vom Kantor Sitten
und mores lernte, die Hüte abrisse, wenn sie aus
dem Schulhause heimtobte. --

Endlich! -- Denn Maz kam. Seine ausgekelter¬
ten Wangen und sein ganzer Körper, der unter den
Zitronendrückern der Nachtfestins gewesen war, be¬
wiesen, daß er nicht log, da er sagte, der fürstliche
Bräutigam sehe noch achtmal elender aus und liege
darnieder am Podagra. Er setzte in seiner bittern
Manier, die Viktor so haßte, hinzu, die bleichen
Großen haben überhaupt kein Blut, das wenige aus¬
genommen, was sie den Unterthanen abschröpfen oder
was ihnen an den Händen klebt, wie die Insekten
kein rothes Blut bei sich führen als das andern
Thieren abgesogne. Dieses erinnerte Viktor an seine
medizinischen Pflichten gegen den Fürsten. Entwe¬
der Mazens verwüstete Gestalt -- denn unmoralisches
Lukubriren macht Züge und Farbe widerlicher als
das längste Krankenlager -- oder die Erinnerung an
des Lords Warnungen oder beides machte ihn unse¬
rem Hofmedikus eben so verhaßt als dieser jenem
durch das Hofphysikat geworden war: dieses ver¬
hehlte Gift Matthäi offenbarte sich nicht durch

Aa 2

das Original abgelegt, geſchenkt und umgethan, des¬
gleichen das Logis, woraus daſſelbe zog. Der Ka¬
plan wollte dieſe wolfeile Ausgabe von Horion ſo
ans Fenſter lagern, wenn die beſſere fort waͤre, daß
die ganze Schul-Jugend, die vom Kantor Sitten
und mores lernte, die Huͤte abriſſe, wenn ſie aus
dem Schulhauſe heimtobte. —

Endlich! — Denn Maz kam. Seine ausgekelter¬
ten Wangen und ſein ganzer Koͤrper, der unter den
Zitronendruͤckern der Nachtfeſtins geweſen war, be¬
wieſen, daß er nicht log, da er ſagte, der fuͤrſtliche
Braͤutigam ſehe noch achtmal elender aus und liege
darnieder am Podagra. Er ſetzte in ſeiner bittern
Manier, die Viktor ſo haßte, hinzu, die bleichen
Großen haben uͤberhaupt kein Blut, das wenige aus¬
genommen, was ſie den Unterthanen abſchroͤpfen oder
was ihnen an den Haͤnden klebt, wie die Inſekten
kein rothes Blut bei ſich fuͤhren als das andern
Thieren abgeſogne. Dieſes erinnerte Viktor an ſeine
mediziniſchen Pflichten gegen den Fuͤrſten. Entwe¬
der Mazens verwuͤſtete Geſtalt — denn unmoraliſches
Lukubriren macht Zuͤge und Farbe widerlicher als
das laͤngſte Krankenlager — oder die Erinnerung an
des Lords Warnungen oder beides machte ihn unſe¬
rem Hofmedikus eben ſo verhaßt als dieſer jenem
durch das Hofphyſikat geworden war: dieſes ver¬
hehlte Gift Matthaͤi offenbarte ſich nicht durch

Aa 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0382" n="371"/>
das Original abgelegt, ge&#x017F;chenkt und umgethan, des¬<lb/>
gleichen das Logis, woraus da&#x017F;&#x017F;elbe zog. Der Ka¬<lb/>
plan wollte die&#x017F;e wolfeile Ausgabe von Horion &#x017F;o<lb/>
ans Fen&#x017F;ter lagern, wenn die be&#x017F;&#x017F;ere fort wa&#x0364;re, daß<lb/>
die ganze Schul-Jugend, die vom Kantor Sitten<lb/>
und <hi rendition="#aq">mores</hi> lernte, die Hu&#x0364;te abri&#x017F;&#x017F;e, wenn &#x017F;ie aus<lb/>
dem Schulhau&#x017F;e heimtobte. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Endlich! &#x2014; Denn Maz kam. Seine ausgekelter¬<lb/>
ten Wangen und &#x017F;ein ganzer Ko&#x0364;rper, der unter den<lb/>
Zitronendru&#x0364;ckern der Nachtfe&#x017F;tins gewe&#x017F;en war, be¬<lb/>
wie&#x017F;en, daß er nicht log, da er &#x017F;agte, der fu&#x0364;r&#x017F;tliche<lb/>
Bra&#x0364;utigam &#x017F;ehe noch achtmal elender aus und liege<lb/>
darnieder am Podagra. Er &#x017F;etzte in &#x017F;einer bittern<lb/>
Manier, die Viktor &#x017F;o haßte, hinzu, die bleichen<lb/>
Großen haben u&#x0364;berhaupt kein Blut, das wenige aus¬<lb/>
genommen, was &#x017F;ie den Unterthanen ab&#x017F;chro&#x0364;pfen oder<lb/>
was ihnen an den Ha&#x0364;nden klebt, wie die In&#x017F;ekten<lb/>
kein rothes Blut bei &#x017F;ich fu&#x0364;hren als das andern<lb/>
Thieren abge&#x017F;ogne. Die&#x017F;es erinnerte Viktor an &#x017F;eine<lb/>
medizini&#x017F;chen Pflichten gegen den Fu&#x0364;r&#x017F;ten. Entwe¬<lb/>
der Mazens verwu&#x0364;&#x017F;tete Ge&#x017F;talt &#x2014; denn unmorali&#x017F;ches<lb/>
Lukubriren macht Zu&#x0364;ge und Farbe widerlicher als<lb/>
das la&#x0364;ng&#x017F;te Krankenlager &#x2014; oder die Erinnerung an<lb/>
des Lords Warnungen oder beides machte ihn un&#x017F;<lb/>
rem Hofmedikus eben &#x017F;o verhaßt als die&#x017F;er jenem<lb/>
durch das Hofphy&#x017F;ikat geworden war: die&#x017F;es ver¬<lb/>
hehlte Gift Mattha&#x0364;i offenbarte &#x017F;ich nicht durch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Aa 2<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[371/0382] das Original abgelegt, geſchenkt und umgethan, des¬ gleichen das Logis, woraus daſſelbe zog. Der Ka¬ plan wollte dieſe wolfeile Ausgabe von Horion ſo ans Fenſter lagern, wenn die beſſere fort waͤre, daß die ganze Schul-Jugend, die vom Kantor Sitten und mores lernte, die Huͤte abriſſe, wenn ſie aus dem Schulhauſe heimtobte. — Endlich! — Denn Maz kam. Seine ausgekelter¬ ten Wangen und ſein ganzer Koͤrper, der unter den Zitronendruͤckern der Nachtfeſtins geweſen war, be¬ wieſen, daß er nicht log, da er ſagte, der fuͤrſtliche Braͤutigam ſehe noch achtmal elender aus und liege darnieder am Podagra. Er ſetzte in ſeiner bittern Manier, die Viktor ſo haßte, hinzu, die bleichen Großen haben uͤberhaupt kein Blut, das wenige aus¬ genommen, was ſie den Unterthanen abſchroͤpfen oder was ihnen an den Haͤnden klebt, wie die Inſekten kein rothes Blut bei ſich fuͤhren als das andern Thieren abgeſogne. Dieſes erinnerte Viktor an ſeine mediziniſchen Pflichten gegen den Fuͤrſten. Entwe¬ der Mazens verwuͤſtete Geſtalt — denn unmoraliſches Lukubriren macht Zuͤge und Farbe widerlicher als das laͤngſte Krankenlager — oder die Erinnerung an des Lords Warnungen oder beides machte ihn unſe¬ rem Hofmedikus eben ſo verhaßt als dieſer jenem durch das Hofphyſikat geworden war: dieſes ver¬ hehlte Gift Matthaͤi offenbarte ſich nicht durch Aa 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/382
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/382>, abgerufen am 22.11.2024.