ihm: "eile nicht," wärmere Hände zogen ihn zurück und die mütterliche Thräne fragte ihn "willst du "mir meinen Flamin schon morgen rauben?"
"Ganz und gar nicht!" antwortet' er und blieb sitzen. Steckte nicht seinetwegen die Kaplänin ihr Zungen-Richtschwert in die Scheide, weil er nichts so haßte als aktive und passive Verläumdungen eines Geschlechts, das unglücklicher als das männliche von zwei Geschlechtern zugleich gemißhandelt wird? -- Denn er nahm oft Mädgen bei der Hand und sag¬ te: "Die weiblichen Fehler, besonders Medisance, "Launen und Empfindelei, sind Astlöcher, die am "grünen Holz bis in die Flitterwochen als schöne "marmorirte Kreise gefallen; die aber am dür¬ "ren, am ehelichen Hausrath wenn der Zapfen aus¬ "gedorret, als fatale Löcher aufklaffen." -- Agathe schraubte jetzt ihr Nähküssen an seinen Schreibtisch und küßte ihn, er mochte zu lustig oder zu mürrisch aussehen. Selbst der Kaplan suchte ihm wenn nicht die letzten Tage, die er bei ihm verträumte, süß zu machen, doch die letzten Nächte, wozu nichts nöthig war als eine Trommel und ein Fuß. Die feurigsten nächtlichen Hexentänze und Angloisen der Mäuse untersagte der Kaplan mit seinem Fuß, da¬ mit sie den Gast nicht aufweckten: er that nämlich damit ans untere Bettbret von Zeit zu Zeit einen mäßigen Kanonen-Stoß, der um so mehr ins Hör¬
ihm: »eile nicht,« waͤrmere Haͤnde zogen ihn zuruͤck und die muͤtterliche Thraͤne fragte ihn »willſt du »mir meinen Flamin ſchon morgen rauben?«
»Ganz und gar nicht!« antwortet' er und blieb ſitzen. Steckte nicht ſeinetwegen die Kaplaͤnin ihr Zungen-Richtſchwert in die Scheide, weil er nichts ſo haßte als aktive und paſſive Verlaͤumdungen eines Geſchlechts, das ungluͤcklicher als das maͤnnliche von zwei Geſchlechtern zugleich gemißhandelt wird? — Denn er nahm oft Maͤdgen bei der Hand und ſag¬ te: »Die weiblichen Fehler, beſonders Mediſance, »Launen und Empfindelei, ſind Aſtloͤcher, die am »gruͤnen Holz bis in die Flitterwochen als ſchoͤne »marmorirte Kreiſe gefallen; die aber am duͤr¬ »ren, am ehelichen Hausrath wenn der Zapfen aus¬ »gedorret, als fatale Loͤcher aufklaffen.« — Agathe ſchraubte jetzt ihr Naͤhkuͤſſen an ſeinen Schreibtiſch und kuͤßte ihn, er mochte zu luſtig oder zu muͤrriſch ausſehen. Selbſt der Kaplan ſuchte ihm wenn nicht die letzten Tage, die er bei ihm vertraͤumte, ſuͤß zu machen, doch die letzten Naͤchte, wozu nichts noͤthig war als eine Trommel und ein Fuß. Die feurigſten naͤchtlichen Hexentaͤnze und Angloiſen der Maͤuſe unterſagte der Kaplan mit ſeinem Fuß, da¬ mit ſie den Gaſt nicht aufweckten: er that naͤmlich damit ans untere Bettbret von Zeit zu Zeit einen maͤßigen Kanonen-Stoß, der um ſo mehr ins Hoͤr¬
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ihm: »eile nicht,« waͤrmere Haͤnde zogen ihn zuruͤck
und die muͤtterliche Thraͤne fragte ihn »willſt du
»mir meinen Flamin ſchon morgen rauben?«
»Ganz und gar nicht!« antwortet' er und blieb
ſitzen. Steckte nicht ſeinetwegen die Kaplaͤnin ihr
Zungen-Richtſchwert in die Scheide, weil er nichts
ſo haßte als aktive und paſſive Verlaͤumdungen eines
Geſchlechts, das ungluͤcklicher als das maͤnnliche von
zwei Geſchlechtern zugleich gemißhandelt wird? —
Denn er nahm oft Maͤdgen bei der Hand und ſag¬
te: »Die weiblichen Fehler, beſonders Mediſance,
»Launen und Empfindelei, ſind Aſtloͤcher, die am
»gruͤnen Holz bis in die Flitterwochen als ſchoͤne
»marmorirte Kreiſe gefallen; die aber am duͤr¬
»ren, am ehelichen Hausrath wenn der Zapfen aus¬
»gedorret, als fatale Loͤcher aufklaffen.« — Agathe
ſchraubte jetzt ihr Naͤhkuͤſſen an ſeinen Schreibtiſch
und kuͤßte ihn, er mochte zu luſtig oder zu muͤrriſch
ausſehen. Selbſt der Kaplan ſuchte ihm wenn nicht
die letzten Tage, die er bei ihm vertraͤumte, ſuͤß
zu machen, doch die letzten Naͤchte, wozu nichts
noͤthig war als eine Trommel und ein Fuß. Die
feurigſten naͤchtlichen Hexentaͤnze und Angloiſen der
Maͤuſe unterſagte der Kaplan mit ſeinem Fuß, da¬
mit ſie den Gaſt nicht aufweckten: er that naͤmlich
damit ans untere Bettbret von Zeit zu Zeit einen
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/378>, abgerufen am 22.11.2024.
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