Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.Der zweite bessere Grund, warum er die Oppo¬ *) Aufklärung in einem leeren Herzen ist bloß Gedächt¬
nißwerk, sie strenge übrigens den Scharfsinn noch so sehr an; die meisten Menschen unserer Tage gleichen den neuen Häusern in Potsdam, in die (nach Reichard) Friedrich ll. zu Nachts Lichter setzen ließ, damit jeder und selber Rei¬ chard denken sollte, sie seyn -- bewohnt. Der zweite beſſere Grund, warum er die Oppo¬ *) Aufklaͤrung in einem leeren Herzen iſt bloß Gedaͤcht¬
nißwerk, ſie ſtrenge uͤbrigens den Scharfſinn noch ſo ſehr an; die meiſten Menſchen unſerer Tage gleichen den neuen Haͤuſern in Potsdam, in die (nach Reichard) Friedrich ll. zu Nachts Lichter ſetzen ließ, damit jeder und ſelber Rei¬ chard denken ſollte, ſie ſeyn — bewohnt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0341" n="330"/> <p>Der zweite beſſere Grund, warum er die Oppo¬<lb/> nenten-Ehre verſchmaͤhte, war ſein Herz, das mehr<lb/> in ſich ſchloß als der Kopf beleuchten konnte. Ge¬<lb/> wiſſe Wahrheiten koͤnnen nicht, wie die Gemaͤlde<lb/> ſammt den Mauern in Italien, aus einem Kopfe in<lb/> den andern transportirt werden — das <hi rendition="#g">Licht</hi>, das<lb/> dir der andre geben kann, <hi rendition="#g">zeigt</hi>, aber <hi rendition="#g">zimmert</hi><lb/> nicht das Ameublement deines Innern und das, was<lb/> das Licht bei einigen wirklich <hi rendition="#g">erſchoͤpft</hi>, iſt Lufter¬<lb/> ſcheinung, optiſcher Betrug, aber kein Koͤrper <note place="foot" n="*)"><lb/><hi rendition="#g">Aufklaͤrung</hi> in einem <hi rendition="#g">leeren</hi> Herzen iſt bloß Gedaͤcht¬<lb/> nißwerk, ſie ſtrenge uͤbrigens den Scharfſinn noch ſo ſehr<lb/> an; die meiſten Menſchen unſerer Tage gleichen den neuen<lb/> Haͤuſern in Potsdam, in die (nach Reichard) Friedrich <hi rendition="#aq">ll</hi>.<lb/> zu Nachts <hi rendition="#g">Lichter</hi> ſetzen ließ, damit jeder und ſelber Rei¬<lb/> chard denken ſollte, ſie ſeyn — <hi rendition="#g">bewohnt</hi>.</note>—<lb/> Daher kommt es nicht auf das Zeigen und Erſehen<lb/> einer Wahrheit d. h. eines Gegenſtandes an, ſon¬<lb/> dern auf die Wirkungen, die er durch dein ganzes<lb/> Inneres macht. Warum giebt es denn Menſchen,<lb/> die uns wie Sokrates den Theages heiligen, bloß<lb/> wenn wir bei ihnen ſind? — Wie vermoͤgen es<lb/> große Schriftſteller, daß ihr unſichtbarer Geiſt ihrer<lb/> Werke uns ergreift und feſthaͤlt, ohne daß wir die<lb/> Worte und Stellen angeben koͤnnen, womit ſie es<lb/> thun wie ein vollbelaubter Wald immer brauſet,<lb/> ohne ſich mit einzelnen Aeſten zu bewegen? — War¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [330/0341]
Der zweite beſſere Grund, warum er die Oppo¬
nenten-Ehre verſchmaͤhte, war ſein Herz, das mehr
in ſich ſchloß als der Kopf beleuchten konnte. Ge¬
wiſſe Wahrheiten koͤnnen nicht, wie die Gemaͤlde
ſammt den Mauern in Italien, aus einem Kopfe in
den andern transportirt werden — das Licht, das
dir der andre geben kann, zeigt, aber zimmert
nicht das Ameublement deines Innern und das, was
das Licht bei einigen wirklich erſchoͤpft, iſt Lufter¬
ſcheinung, optiſcher Betrug, aber kein Koͤrper *)—
Daher kommt es nicht auf das Zeigen und Erſehen
einer Wahrheit d. h. eines Gegenſtandes an, ſon¬
dern auf die Wirkungen, die er durch dein ganzes
Inneres macht. Warum giebt es denn Menſchen,
die uns wie Sokrates den Theages heiligen, bloß
wenn wir bei ihnen ſind? — Wie vermoͤgen es
große Schriftſteller, daß ihr unſichtbarer Geiſt ihrer
Werke uns ergreift und feſthaͤlt, ohne daß wir die
Worte und Stellen angeben koͤnnen, womit ſie es
thun wie ein vollbelaubter Wald immer brauſet,
ohne ſich mit einzelnen Aeſten zu bewegen? — War¬
*)
Aufklaͤrung in einem leeren Herzen iſt bloß Gedaͤcht¬
nißwerk, ſie ſtrenge uͤbrigens den Scharfſinn noch ſo ſehr
an; die meiſten Menſchen unſerer Tage gleichen den neuen
Haͤuſern in Potsdam, in die (nach Reichard) Friedrich ll.
zu Nachts Lichter ſetzen ließ, damit jeder und ſelber Rei¬
chard denken ſollte, ſie ſeyn — bewohnt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |