zum Kinde -- oder zum Mädgen -- oder zum Engel. --
Das Frühstück von Wasser und Früchten -- die überhaupt seinen ganzen Küchenzettel besetzten -- rückte unserem Viktor den Wein und Kaffeesatz vor, womit er die Blumen seines Geistes wie irrdische, düngen mußte. Blumenscherben waren Dahores Ta¬ batieren und glühten unter dem Lindengrün, das, von zwei zahmen und doch freien Grasmücken durch¬ hüpft, das lebendige wachsende Deckenstück des Zim¬ mers war. Auch seine Seele schien wie ein Bra¬ min, von poetischen Blumen zu leben und seine Sprache war oft, wie seine Sitten, indisch, d. h. poetisch. So war überall, wie bei mehrern Men¬ schen-Magnaten eine auffallende prästabilirte Har¬ monie zwischen der äußern Natur und seinem Her¬ zen -- er fand im Körperlichen leicht die Physio¬ gnomie des Geistigen und umgekehrt -- er sagte, die Materie ist als Gedanke eben so edel und geistig als irgend ein anderer Gedanke und wir stellen uns in ihr doch nur die göttlichen Vorstellungen von ihr vor -- z. B. unter dem Frühstück vertiefte er sich in den glimmenden Thautropfen in einer Levkoje und spielte durch das Wiegen des Auges das Far¬ benklavier derselben durch. "Es muß, sagte er, ir¬ "gend eine Harmonie zwischen diesem Wasserstäub¬ "gen und meinem Geiste zusammenklingen, wie zwi¬
zum Kinde — oder zum Maͤdgen — oder zum Engel. —
Das Fruͤhſtuͤck von Waſſer und Fruͤchten — die uͤberhaupt ſeinen ganzen Kuͤchenzettel beſetzten — ruͤckte unſerem Viktor den Wein und Kaffeeſatz vor, womit er die Blumen ſeines Geiſtes wie irrdiſche, duͤngen mußte. Blumenſcherben waren Dahores Ta¬ batieren und gluͤhten unter dem Lindengruͤn, das, von zwei zahmen und doch freien Grasmuͤcken durch¬ huͤpft, das lebendige wachſende Deckenſtuͤck des Zim¬ mers war. Auch ſeine Seele ſchien wie ein Bra¬ min, von poetiſchen Blumen zu leben und ſeine Sprache war oft, wie ſeine Sitten, indiſch, d. h. poetiſch. So war uͤberall, wie bei mehrern Men¬ ſchen-Magnaten eine auffallende praͤſtabilirte Har¬ monie zwiſchen der aͤußern Natur und ſeinem Her¬ zen — er fand im Koͤrperlichen leicht die Phyſio¬ gnomie des Geiſtigen und umgekehrt — er ſagte, die Materie iſt als Gedanke eben ſo edel und geiſtig als irgend ein anderer Gedanke und wir ſtellen uns in ihr doch nur die goͤttlichen Vorſtellungen von ihr vor — z. B. unter dem Fruͤhſtuͤck vertiefte er ſich in den glimmenden Thautropfen in einer Levkoje und ſpielte durch das Wiegen des Auges das Far¬ benklavier derſelben durch. »Es muß, ſagte er, ir¬ »gend eine Harmonie zwiſchen dieſem Waſſerſtaͤub¬ »gen und meinem Geiſte zuſammenklingen, wie zwi¬
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zum Kinde — oder zum Maͤdgen — oder zum
Engel. —
Das Fruͤhſtuͤck von Waſſer und Fruͤchten —
die uͤberhaupt ſeinen ganzen Kuͤchenzettel beſetzten —
ruͤckte unſerem Viktor den Wein und Kaffeeſatz vor,
womit er die Blumen ſeines Geiſtes wie irrdiſche,
duͤngen mußte. Blumenſcherben waren Dahores Ta¬
batieren und gluͤhten unter dem Lindengruͤn, das,
von zwei zahmen und doch freien Grasmuͤcken durch¬
huͤpft, das lebendige wachſende Deckenſtuͤck des Zim¬
mers war. Auch ſeine Seele ſchien wie ein Bra¬
min, von poetiſchen Blumen zu leben und ſeine
Sprache war oft, wie ſeine Sitten, indiſch, d. h.
poetiſch. So war uͤberall, wie bei mehrern Men¬
ſchen-Magnaten eine auffallende praͤſtabilirte Har¬
monie zwiſchen der aͤußern Natur und ſeinem Her¬
zen — er fand im Koͤrperlichen leicht die Phyſio¬
gnomie des Geiſtigen und umgekehrt — er ſagte, die
Materie iſt als Gedanke eben ſo edel und geiſtig als
irgend ein anderer Gedanke und wir ſtellen uns in
ihr doch nur die goͤttlichen Vorſtellungen von ihr
vor — z. B. unter dem Fruͤhſtuͤck vertiefte er ſich
in den glimmenden Thautropfen in einer Levkoje
und ſpielte durch das Wiegen des Auges das Far¬
benklavier derſelben durch. »Es muß, ſagte er, ir¬
»gend eine Harmonie zwiſchen dieſem Waſſerſtaͤub¬
»gen und meinem Geiſte zuſammenklingen, wie zwi¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/335>, abgerufen am 24.11.2024.
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