laut um ihn; aber er sah nichts weiter als einen hohen Grasaltar (die Geburtsstätte von Emanuels Brief) und eine tiefe Grasbank. Aus welcher un¬ sichtbaren Hand, dacht er schauernd gehen diese Tö¬ ne, die von Engeln abzugleiten scheinen, wenn sie über die zweite Welt fliegen, von vereinigten See¬ len, wenn eine zu große Wonne sich zum Seufzer ausathmet und der Seufzer sich in verwehtes Getöne zerlegt. Es ist ihm zu vergeben, daß er an einem solchen Tage, der seine Seele in immer größere Er¬ schütterungen setzte, und in einer solchen Nacht, in diesem Schauder, unter diesem melodischen Trauer¬ baum, an diesem Allerheiligsten des unsichtbaren Emanuels, daß er endlich glaubt, dieser sey an die¬ sem Abend aus dem Leben geflohen und seine Seele voll Liebe fliege noch in diesen Echos um ihn und sehne sich nach der ersten und letzten Umarmung. Er verlohr sich immer mehr in die Töne und in die Stille rings um sie -- seine Seele wurde ihm zu einem Traum und die ganze Nachtlandschaft wurde zum Nebel aus Schlaf, in dem dieser lichte Traum stand -- die Quelle des unendlichen Lrbens, die der Ewige ausgießet, flog weit von der Erde im unermeßlichen Bogen mit den stäubenden Silber¬ funken der Sonnen über die Unendlichkeit, sie bog sich glimmend um die ganze Nacht und der Wieder¬ schein des Unendlichen bedeckte die dunkle Ewigkeit.
laut um ihn; aber er ſah nichts weiter als einen hohen Grasaltar (die Geburtsſtaͤtte von Emanuels Brief) und eine tiefe Grasbank. Aus welcher un¬ ſichtbaren Hand, dacht er ſchauernd gehen dieſe Toͤ¬ ne, die von Engeln abzugleiten ſcheinen, wenn ſie uͤber die zweite Welt fliegen, von vereinigten See¬ len, wenn eine zu große Wonne ſich zum Seufzer ausathmet und der Seufzer ſich in verwehtes Getoͤne zerlegt. Es iſt ihm zu vergeben, daß er an einem ſolchen Tage, der ſeine Seele in immer groͤßere Er¬ ſchuͤtterungen ſetzte, und in einer ſolchen Nacht, in dieſem Schauder, unter dieſem melodiſchen Trauer¬ baum, an dieſem Allerheiligſten des unſichtbaren Emanuels, daß er endlich glaubt, dieſer ſey an die¬ ſem Abend aus dem Leben geflohen und ſeine Seele voll Liebe fliege noch in dieſen Echos um ihn und ſehne ſich nach der erſten und letzten Umarmung. Er verlohr ſich immer mehr in die Toͤne und in die Stille rings um ſie — ſeine Seele wurde ihm zu einem Traum und die ganze Nachtlandſchaft wurde zum Nebel aus Schlaf, in dem dieſer lichte Traum ſtand — die Quelle des unendlichen Lrbens, die der Ewige ausgießet, flog weit von der Erde im unermeßlichen Bogen mit den ſtaͤubenden Silber¬ funken der Sonnen uͤber die Unendlichkeit, ſie bog ſich glimmend um die ganze Nacht und der Wieder¬ ſchein des Unendlichen bedeckte die dunkle Ewigkeit.
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laut um ihn; aber er ſah nichts weiter als einen
hohen Grasaltar (die Geburtsſtaͤtte von Emanuels
Brief) und eine tiefe Grasbank. Aus welcher un¬
ſichtbaren Hand, dacht er ſchauernd gehen dieſe Toͤ¬
ne, die von Engeln abzugleiten ſcheinen, wenn ſie
uͤber die zweite Welt fliegen, von vereinigten See¬
len, wenn eine zu große Wonne ſich zum Seufzer
ausathmet und der Seufzer ſich in verwehtes Getoͤne
zerlegt. Es iſt ihm zu vergeben, daß er an einem
ſolchen Tage, der ſeine Seele in immer groͤßere Er¬
ſchuͤtterungen ſetzte, und in einer ſolchen Nacht, in
dieſem Schauder, unter dieſem melodiſchen Trauer¬
baum, an dieſem Allerheiligſten des unſichtbaren
Emanuels, daß er endlich glaubt, dieſer ſey an die¬
ſem Abend aus dem Leben geflohen und ſeine Seele
voll Liebe fliege noch in dieſen Echos um ihn und
ſehne ſich nach der erſten und letzten Umarmung. Er
verlohr ſich immer mehr in die Toͤne und in die
Stille rings um ſie — ſeine Seele wurde ihm
zu einem Traum und die ganze Nachtlandſchaft
wurde zum Nebel aus Schlaf, in dem dieſer lichte
Traum ſtand — die Quelle des unendlichen Lrbens,
die der Ewige ausgießet, flog weit von der Erde
im unermeßlichen Bogen mit den ſtaͤubenden Silber¬
funken der Sonnen uͤber die Unendlichkeit, ſie bog
ſich glimmend um die ganze Nacht und der Wieder¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/328>, abgerufen am 25.11.2024.
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