zündeten Brust einigen Trost über das väterliche Schicksal zu.
Er konnte heute noch die Sonne hinter Maien¬ thals Kirchthurm untergehen sehen.
Der weite ausgeheiterte Himmel machte ihn wei¬ cher -- der Gedanke, heute an das Herz eines gro¬ ßen Menschen zu fallen, dessen Seele über diesem blauen Dunstkreis wohnte, machte ihn größer -- die Hofnung, von diesem hohen Menschen über das ganze Leben getröstet zu werden, machte ihn stiller. --
Er eilte und sein Eilen zog den wehmüthigsten Lautenzug seiner Seele. Denn er ging nicht über die Sommergefilde, sondern die Sommergefilde wan¬ delten vor ihm vorüber -- eine Landschaft nach der andern, Theater mit Wäldern, Theater mit Saaten flogen vorbei -- neue Hügel stiegen mit andern Lich¬ tern auf und hoben ihre Wälder empor, und andre sanken mit den ihrigen unter -- lange Schatten- Steppen liefen zurück vor heranfließendem gelben Sonnenlicht, bald stand er tief in Blumenseen, bald auf leeren Hügel-Ufern -- der Strom rauschte nahe an sein Ohr, und plötzlich blinkten seine Krümmun¬ gen entfernt über Mohnfelder herüber -- weiße Straßen und grüne Pfade begegneten und entflohen ihm und zogen um die weite Erde -- volle Dörfer rückten mit glimmenden Fenstern vorbei und Gärten
zuͤndeten Bruſt einigen Troſt uͤber das vaͤterliche Schickſal zu.
Er konnte heute noch die Sonne hinter Maien¬ thals Kirchthurm untergehen ſehen.
Der weite ausgeheiterte Himmel machte ihn wei¬ cher — der Gedanke, heute an das Herz eines gro¬ ßen Menſchen zu fallen, deſſen Seele uͤber dieſem blauen Dunſtkreis wohnte, machte ihn groͤßer — die Hofnung, von dieſem hohen Menſchen uͤber das ganze Leben getroͤſtet zu werden, machte ihn ſtiller. —
Er eilte und ſein Eilen zog den wehmuͤthigſten Lautenzug ſeiner Seele. Denn er ging nicht uͤber die Sommergefilde, ſondern die Sommergefilde wan¬ delten vor ihm voruͤber — eine Landſchaft nach der andern, Theater mit Waͤldern, Theater mit Saaten flogen vorbei — neue Huͤgel ſtiegen mit andern Lich¬ tern auf und hoben ihre Waͤlder empor, und andre ſanken mit den ihrigen unter — lange Schatten- Steppen liefen zuruͤck vor heranfließendem gelben Sonnenlicht, bald ſtand er tief in Blumenſeen, bald auf leeren Huͤgel-Ufern — der Strom rauſchte nahe an ſein Ohr, und ploͤtzlich blinkten ſeine Kruͤmmun¬ gen entfernt uͤber Mohnfelder heruͤber — weiße Straßen und gruͤne Pfade begegneten und entflohen ihm und zogen um die weite Erde — volle Doͤrfer ruͤckten mit glimmenden Fenſtern vorbei und Gaͤrten
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zuͤndeten Bruſt einigen Troſt uͤber das vaͤterliche
Schickſal zu.
Er konnte heute noch die Sonne hinter Maien¬
thals Kirchthurm untergehen ſehen.
Der weite ausgeheiterte Himmel machte ihn wei¬
cher — der Gedanke, heute an das Herz eines gro¬
ßen Menſchen zu fallen, deſſen Seele uͤber dieſem
blauen Dunſtkreis wohnte, machte ihn groͤßer —
die Hofnung, von dieſem hohen Menſchen uͤber das
ganze Leben getroͤſtet zu werden, machte ihn
ſtiller. —
Er eilte und ſein Eilen zog den wehmuͤthigſten
Lautenzug ſeiner Seele. Denn er ging nicht uͤber
die Sommergefilde, ſondern die Sommergefilde wan¬
delten vor ihm voruͤber — eine Landſchaft nach der
andern, Theater mit Waͤldern, Theater mit Saaten
flogen vorbei — neue Huͤgel ſtiegen mit andern Lich¬
tern auf und hoben ihre Waͤlder empor, und andre
ſanken mit den ihrigen unter — lange Schatten-
Steppen liefen zuruͤck vor heranfließendem gelben
Sonnenlicht, bald ſtand er tief in Blumenſeen, bald
auf leeren Huͤgel-Ufern — der Strom rauſchte nahe
an ſein Ohr, und ploͤtzlich blinkten ſeine Kruͤmmun¬
gen entfernt uͤber Mohnfelder heruͤber — weiße
Straßen und gruͤne Pfade begegneten und entflohen
ihm und zogen um die weite Erde — volle Doͤrfer
ruͤckten mit glimmenden Fenſtern vorbei und Gaͤrten
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/320>, abgerufen am 24.11.2024.
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