Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

des Paradigma: -- (und so liegt umgekehrt im ge,
wöhnlichsten Menschen der kurze Abriß zum sonder¬
barsten) -- er ist einer der unglücklichen Großen,
die zuviel Genie, zuviel Reichthum und zu wenig
Ruhe und Kenntnisse haben, um glücklich zu bleiben
-- sie hetzen Freude statt der Tugend und verfehlen
beide und schreien zuletzt über jeden bittern Tropfen,
der ihnen in einem Zuckerhut eingegeben wird --
gleich der Silberfläche sind sie gerade in der Zer¬
schmelzung durch Freuden-Feuer am geneigtesien sich
mit einer dunkeln Haut zu überziehen -- ihr Ehr¬
geiz, der sonst durch Plane die Leerheit des vorneh¬
men Lebens bedeckt, ist nicht stark genug gegen ihr
Herz, das in dieser Leerheit verwelkt -- sie thun
Gutes aus Stolz, aber ohne Liebe dazu, sie spielen
mit dem ausgekernten Leben wie mit einer Locke
und halten es nicht einmal der Mühe werth, es ab¬
zukürzen -- aber doch halten sie es der Mühe werth,
wenn ihnen, indeß sie in diesem Nachtfrost der Seele
da stehen außen lächelnd und kalt, innen überglüht,
ohne Hofnung, ohne Furcht, ohne Glauben, resigni¬
rend, spielend und zugeschlossen, wenn ihnen ein To¬
desfall, ein großer Schmerz ins unglückliche Herz
greift -- -- Ach armer Lord! kann denn deines
nicht eher als unter der Decke des schwarzen Mar¬
mors ruhen?

des Paradigma: — (und ſo liegt umgekehrt im ge,
woͤhnlichſten Menſchen der kurze Abriß zum ſonder¬
barſten) — er iſt einer der ungluͤcklichen Großen,
die zuviel Genie, zuviel Reichthum und zu wenig
Ruhe und Kenntniſſe haben, um gluͤcklich zu bleiben
— ſie hetzen Freude ſtatt der Tugend und verfehlen
beide und ſchreien zuletzt uͤber jeden bittern Tropfen,
der ihnen in einem Zuckerhut eingegeben wird —
gleich der Silberflaͤche ſind ſie gerade in der Zer¬
ſchmelzung durch Freuden-Feuer am geneigteſien ſich
mit einer dunkeln Haut zu uͤberziehen — ihr Ehr¬
geiz, der ſonſt durch Plane die Leerheit des vorneh¬
men Lebens bedeckt, iſt nicht ſtark genug gegen ihr
Herz, das in dieſer Leerheit verwelkt — ſie thun
Gutes aus Stolz, aber ohne Liebe dazu, ſie ſpielen
mit dem ausgekernten Leben wie mit einer Locke
und halten es nicht einmal der Muͤhe werth, es ab¬
zukuͤrzen — aber doch halten ſie es der Muͤhe werth,
wenn ihnen, indeß ſie in dieſem Nachtfroſt der Seele
da ſtehen außen laͤchelnd und kalt, innen uͤbergluͤht,
ohne Hofnung, ohne Furcht, ohne Glauben, reſigni¬
rend, ſpielend und zugeſchloſſen, wenn ihnen ein To¬
desfall, ein großer Schmerz ins ungluͤckliche Herz
greift — — Ach armer Lord! kann denn deines
nicht eher als unter der Decke des ſchwarzen Mar¬
mors ruhen?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0317" n="306"/>
des Paradigma: &#x2014; (und &#x017F;o liegt umgekehrt im ge,<lb/>
wo&#x0364;hnlich&#x017F;ten Men&#x017F;chen der kurze Abriß zum &#x017F;onder¬<lb/>
bar&#x017F;ten) &#x2014; er i&#x017F;t einer der unglu&#x0364;cklichen Großen,<lb/>
die zuviel Genie, zuviel Reichthum und zu wenig<lb/>
Ruhe und Kenntni&#x017F;&#x017F;e haben, um glu&#x0364;cklich zu bleiben<lb/>
&#x2014; &#x017F;ie hetzen Freude &#x017F;tatt der Tugend und verfehlen<lb/>
beide und &#x017F;chreien zuletzt u&#x0364;ber jeden bittern Tropfen,<lb/>
der ihnen in einem Zuckerhut eingegeben wird &#x2014;<lb/>
gleich der Silberfla&#x0364;che &#x017F;ind &#x017F;ie gerade in der Zer¬<lb/>
&#x017F;chmelzung durch Freuden-Feuer am geneigte&#x017F;ien &#x017F;ich<lb/>
mit einer dunkeln Haut zu u&#x0364;berziehen &#x2014; ihr Ehr¬<lb/>
geiz, der &#x017F;on&#x017F;t durch Plane die Leerheit des vorneh¬<lb/>
men Lebens bedeckt, i&#x017F;t nicht &#x017F;tark genug gegen ihr<lb/>
Herz, das in die&#x017F;er Leerheit verwelkt &#x2014; &#x017F;ie thun<lb/>
Gutes aus Stolz, aber ohne Liebe dazu, &#x017F;ie &#x017F;pielen<lb/>
mit dem ausgekernten Leben wie mit einer Locke<lb/>
und halten es nicht einmal der Mu&#x0364;he werth, es ab¬<lb/>
zuku&#x0364;rzen &#x2014; aber doch halten &#x017F;ie es der Mu&#x0364;he werth,<lb/>
wenn ihnen, indeß &#x017F;ie in die&#x017F;em Nachtfro&#x017F;t der Seele<lb/>
da &#x017F;tehen außen la&#x0364;chelnd und kalt, innen u&#x0364;berglu&#x0364;ht,<lb/>
ohne Hofnung, ohne Furcht, ohne Glauben, re&#x017F;igni¬<lb/>
rend, &#x017F;pielend und zuge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, wenn ihnen ein To¬<lb/>
desfall, ein großer Schmerz ins unglu&#x0364;ckliche Herz<lb/>
greift &#x2014; &#x2014; Ach armer Lord! kann denn deines<lb/>
nicht eher als unter der Decke des &#x017F;chwarzen Mar¬<lb/>
mors ruhen?</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0317] des Paradigma: — (und ſo liegt umgekehrt im ge, woͤhnlichſten Menſchen der kurze Abriß zum ſonder¬ barſten) — er iſt einer der ungluͤcklichen Großen, die zuviel Genie, zuviel Reichthum und zu wenig Ruhe und Kenntniſſe haben, um gluͤcklich zu bleiben — ſie hetzen Freude ſtatt der Tugend und verfehlen beide und ſchreien zuletzt uͤber jeden bittern Tropfen, der ihnen in einem Zuckerhut eingegeben wird — gleich der Silberflaͤche ſind ſie gerade in der Zer¬ ſchmelzung durch Freuden-Feuer am geneigteſien ſich mit einer dunkeln Haut zu uͤberziehen — ihr Ehr¬ geiz, der ſonſt durch Plane die Leerheit des vorneh¬ men Lebens bedeckt, iſt nicht ſtark genug gegen ihr Herz, das in dieſer Leerheit verwelkt — ſie thun Gutes aus Stolz, aber ohne Liebe dazu, ſie ſpielen mit dem ausgekernten Leben wie mit einer Locke und halten es nicht einmal der Muͤhe werth, es ab¬ zukuͤrzen — aber doch halten ſie es der Muͤhe werth, wenn ihnen, indeß ſie in dieſem Nachtfroſt der Seele da ſtehen außen laͤchelnd und kalt, innen uͤbergluͤht, ohne Hofnung, ohne Furcht, ohne Glauben, reſigni¬ rend, ſpielend und zugeſchloſſen, wenn ihnen ein To¬ desfall, ein großer Schmerz ins ungluͤckliche Herz greift — — Ach armer Lord! kann denn deines nicht eher als unter der Decke des ſchwarzen Mar¬ mors ruhen?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/317
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/317>, abgerufen am 24.11.2024.