Zifferblatte in lauter bunten frohen Bienen-Stun¬ den weggemessen hatte, sollte eine Lorenzo-Dose für ihn seyn, ein Amulet, ein Ignazius-Blech gegen Saulische Stunden. "Ein Professionist, sagt' er, "braucht wahrlich nur wenig Sonne, um zufrieden "und marm durchs Leben zu gehen; aber wir mit "unsrer Phantasie sind oft in der Sonnenseite so "schlimm daran als in der Wetterseite -- der Mensch "steht fester auf Dreck als auf Aether und Morgen¬ "roth." Er wollte dem glücklichen Lebens Vetera¬ nen als Kaufschilling für die Stundenuhr und als Preismedaille für das Quartier, seine Sekundenuhr aufdringen. Lind hatte das Herz nicht, wurd' aber roth. Endlich stellte ihm Viktor vor, die Sekun¬ denuhr sey ein guter Supplementband zum Dreifal¬ tigkeitsring, ein Thesesbild dieses Glaubensartikels, denn die dreifaltigen Zeiger machten doch nur Eine Stunde -- Lind tauschte.
Viktor konnte weder der Spötter noch der Bunk¬ lische Reformator einer solchen irrenden Seele seyn und seine sympathetische Laune ist nichts als ein skeptischer Seufzer über das menschliche Gehirn, das 70 Normaljahre hat, und über das Leben, das ein Glaubens-Interim ist, und über die theolo¬ gischen Doktorringe, die solche Dreifaltigkeitsringe sind, und über die Konzilien- und Examinazionszim¬
Zifferblatte in lauter bunten frohen Bienen-Stun¬ den weggemeſſen hatte, ſollte eine Lorenzo-Doſe fuͤr ihn ſeyn, ein Amulet, ein Ignazius-Blech gegen Sauliſche Stunden. »Ein Profeſſioniſt, ſagt' er, »braucht wahrlich nur wenig Sonne, um zufrieden »und marm durchs Leben zu gehen; aber wir mit »unſrer Phantaſie ſind oft in der Sonnenſeite ſo »ſchlimm daran als in der Wetterſeite — der Menſch »ſteht feſter auf Dreck als auf Aether und Morgen¬ »roth.» Er wollte dem gluͤcklichen Lebens Vetera¬ nen als Kaufſchilling fuͤr die Stundenuhr und als Preismedaille fuͤr das Quartier, ſeine Sekundenuhr aufdringen. Lind hatte das Herz nicht, wurd' aber roth. Endlich ſtellte ihm Viktor vor, die Sekun¬ denuhr ſey ein guter Supplementband zum Dreifal¬ tigkeitsring, ein Theſesbild dieſes Glaubensartikels, denn die dreifaltigen Zeiger machten doch nur Eine Stunde — Lind tauſchte.
Viktor konnte weder der Spoͤtter noch der Bunk¬ liſche Reformator einer ſolchen irrenden Seele ſeyn und ſeine ſympathetiſche Laune iſt nichts als ein ſkeptiſcher Seufzer uͤber das menſchliche Gehirn, das 70 Normaljahre hat, und uͤber das Leben, das ein Glaubens-Interim iſt, und uͤber die theolo¬ giſchen Doktorringe, die ſolche Dreifaltigkeitsringe ſind, und uͤber die Konzilien- und Examinazionszim¬
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Zifferblatte in lauter bunten frohen Bienen-Stun¬
den weggemeſſen hatte, ſollte eine Lorenzo-Doſe fuͤr
ihn ſeyn, ein Amulet, ein Ignazius-Blech gegen
Sauliſche Stunden. »Ein Profeſſioniſt, ſagt' er,
»braucht wahrlich nur wenig Sonne, um zufrieden
»und marm durchs Leben zu gehen; aber wir mit
»unſrer Phantaſie ſind oft in der Sonnenſeite ſo
»ſchlimm daran als in der Wetterſeite — der Menſch
»ſteht feſter auf Dreck als auf Aether und Morgen¬
»roth.» Er wollte dem gluͤcklichen Lebens Vetera¬
nen als Kaufſchilling fuͤr die Stundenuhr und als
Preismedaille fuͤr das Quartier, ſeine Sekundenuhr
aufdringen. Lind hatte das Herz nicht, wurd' aber
roth. Endlich ſtellte ihm Viktor vor, die Sekun¬
denuhr ſey ein guter Supplementband zum Dreifal¬
tigkeitsring, ein Theſesbild dieſes Glaubensartikels,
denn die dreifaltigen Zeiger machten doch nur
Eine Stunde — Lind tauſchte.
Viktor konnte weder der Spoͤtter noch der Bunk¬
liſche Reformator einer ſolchen irrenden Seele ſeyn
und ſeine ſympathetiſche Laune iſt nichts als ein
ſkeptiſcher Seufzer uͤber das menſchliche Gehirn,
das 70 Normaljahre hat, und uͤber das Leben,
das ein Glaubens-Interim iſt, und uͤber die theolo¬
giſchen Doktorringe, die ſolche Dreifaltigkeitsringe
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/283>, abgerufen am 25.11.2024.
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