nen und daß er absichtlich das unwilkührliche Ko¬ mische zu artistischem adelt, die Narrheit zu Weis¬ heit, das Erden Irhaus zum Nationaltheater. Eben so wenig begrif ein Amtmann, ein Kleinstädter, ein Großstädter, warum Horion seine Lektüre oft so jäm¬ merlich wähle aus alten Vorreden, Programmen, Anschlagzetteln von Operateurs, die er alle mit un¬ beschreiblichem Vergnügen durchlas -- blos weil er sich fingirte, diesen geistigen Futtersak, der blos un¬ ter den Lumpenhacker gehörte, hab' er selber gefertigt und gefüllt aus satirischer Rüksicht. -- In der That, da die Deutschen Ironie weder fassen noch schreiben können: so ist man gezwungen, vielen ernsthaften Büchern und Rezensionen boshafte Ironie anzudich¬ ten, um nur was zu haben.
-- Und das ist ja nichts anders als was ich sel¬ ber probire, wenn ich bei Terminen in Gedanken die Gerichtsstube zum Komödienhaus erhebe, den Rechtsfreund zum juristischen Le Kain und Kasperl und die ganze Verhandlung zur alten griechischen Komödie: denn ich raste nicht bis ich mir weisge¬ macht, ich hätte den guten Leuten den ganzen Ter¬ min nur einstudieren lassen als Gastrolle und wäre also wirklich ihr Theaterdichter und Regisseur. So trag' ich im Grunde meinen stummen Kopf munter als ein komisches Portaktiv-Taschentheater der Deut¬ schen durch deren edelste Behausungen (z. B. der
Hesperus. l. Th. B
nen und daß er abſichtlich das unwilkuͤhrliche Ko¬ miſche zu artiſtiſchem adelt, die Narrheit zu Weis¬ heit, das Erden Irhaus zum Nationaltheater. Eben ſo wenig begrif ein Amtmann, ein Kleinſtaͤdter, ein Großſtaͤdter, warum Horion ſeine Lektuͤre oft ſo jaͤm¬ merlich waͤhle aus alten Vorreden, Programmen, Anſchlagzetteln von Operateurs, die er alle mit un¬ beſchreiblichem Vergnuͤgen durchlas — blos weil er ſich fingirte, dieſen geiſtigen Futterſak, der blos un¬ ter den Lumpenhacker gehoͤrte, hab' er ſelber gefertigt und gefuͤllt aus ſatiriſcher Ruͤkſicht. — In der That, da die Deutſchen Ironie weder faſſen noch ſchreiben koͤnnen: ſo iſt man gezwungen, vielen ernſthaften Buͤchern und Rezenſionen boshafte Ironie anzudich¬ ten, um nur was zu haben.
— Und das iſt ja nichts anders als was ich ſel¬ ber probire, wenn ich bei Terminen in Gedanken die Gerichtsſtube zum Komoͤdienhaus erhebe, den Rechtsfreund zum juriſtiſchen Le Kain und Kaſperl und die ganze Verhandlung zur alten griechiſchen Komoͤdie: denn ich raſte nicht bis ich mir weisge¬ macht, ich haͤtte den guten Leuten den ganzen Ter¬ min nur einſtudieren laſſen als Gaſtrolle und waͤre alſo wirklich ihr Theaterdichter und Regiſſeur. So trag' ich im Grunde meinen ſtummen Kopf munter als ein komiſches Portaktiv-Taſchentheater der Deut¬ ſchen durch deren edelſte Behauſungen (z. B. der
Heſperus. l. Th. B
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[17/0028]
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miſche zu artiſtiſchem adelt, die Narrheit zu Weis¬
heit, das Erden Irhaus zum Nationaltheater. Eben
ſo wenig begrif ein Amtmann, ein Kleinſtaͤdter, ein
Großſtaͤdter, warum Horion ſeine Lektuͤre oft ſo jaͤm¬
merlich waͤhle aus alten Vorreden, Programmen,
Anſchlagzetteln von Operateurs, die er alle mit un¬
beſchreiblichem Vergnuͤgen durchlas — blos weil er
ſich fingirte, dieſen geiſtigen Futterſak, der blos un¬
ter den Lumpenhacker gehoͤrte, hab' er ſelber gefertigt
und gefuͤllt aus ſatiriſcher Ruͤkſicht. — In der That,
da die Deutſchen Ironie weder faſſen noch ſchreiben
koͤnnen: ſo iſt man gezwungen, vielen ernſthaften
Buͤchern und Rezenſionen boshafte Ironie anzudich¬
ten, um nur was zu haben.
— Und das iſt ja nichts anders als was ich ſel¬
ber probire, wenn ich bei Terminen in Gedanken
die Gerichtsſtube zum Komoͤdienhaus erhebe, den
Rechtsfreund zum juriſtiſchen Le Kain und Kaſperl
und die ganze Verhandlung zur alten griechiſchen
Komoͤdie: denn ich raſte nicht bis ich mir weisge¬
macht, ich haͤtte den guten Leuten den ganzen Ter¬
min nur einſtudieren laſſen als Gaſtrolle und waͤre
alſo wirklich ihr Theaterdichter und Regiſſeur. So
trag' ich im Grunde meinen ſtummen Kopf munter
als ein komiſches Portaktiv-Taſchentheater der Deut¬
ſchen durch deren edelſte Behauſungen (z. B. der
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/28>, abgerufen am 21.11.2024.
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